· Fachbeitrag · Zahnarzthaftung
Grober zahnärztlicher Befunderhebungsfehler: Patientin erhält 3.500 Euro Schmerzensgeld
| Wer als Zahnarzt versäumt, bei einem Patienten mit Zahnbeschwerden im Oberkieferfrontbereich eine Vitalitäts- und Perkussionsprüfung der schmerzenden Zähne vorzunehmen und ihn stattdessen zur Befunderhebung lediglich röntgt, handelt grob fehlerhaft. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem aktuellen Fall entschieden ( Urteil vom 8. November 2013, Az. 26 U 51/13, Abruf-Nr. 140368 ). Damit bestätigte das OLG die vorinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Arnsberg. |
Klägerin warf Zahnarzt unzureichende Versorgung vor
Die über 60-jährige Patientin befand sich seit vielen Jahren in Behandlung bei dem beklagten Zahnarzt. Anfang Dezember 2008 suchte sie ihn auf mit Zahnschmerzen im Bereich des vorderen Oberkiefers. Der Zahnarzt machte Röntgenaufnahmen, weitere Untersuchungen der schmerzenden Zähne fanden ausweislich der Krankenunterlagen nicht statt. Eine Zahnmarkentzündung wurde erst zwei Monate später zahnärztlich versorgt. Zwei Zähne im Oberkiefer der Patientin konnten in der Folgezeit nicht erhalten werden, sie erhielten Wurzelfüllungen. Mit dem Vorwurf einer nach ihrer Ansicht unzureichenden zahnärztlichen Versorgung hat die Patientin den Zahnarzt verklagt und verlangte Schadensersatz.
Anfertigung von Röntgenaufnahmen reicht nicht aus
Die Schadensersatzklage hatte Erfolg, soweit sie sich auf den Oberkiefer bezog. Das Gericht bestätigte nach erneuter Anhörung des zahnmedizinischen Sachverständigen die Verurteilung des Zahnarztes zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.500 Euro. Dem Zahnarzt sei Anfang Dezember 2008 ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, weil er es unterlassen habe, den Zustand der schmerzenden Zähne klinisch zu befunden. Allein mit Röntgenbildern erhalte man kein Gesamtbild über den Zustand der Zähne.
Dokumentationspflichtige Ergebnisse einer Vitalitätsprüfung und eines Perkussionsbefundes habe der Zahnarzt in den Unterlagen nicht festgehalten, sodass nicht feststellbar sei, dass er diese Untersuchungen vorgenommen habe. Allein aus dem Röntgenbild habe der Zahnarzt keine ausreichenden Schlüsse ziehen können, weil ein Röntgenbild erst dann Auffälligkeiten darstelle, wenn eine Entzündung bereits den Knochen angegriffen habe.
Wegen des groben Behandlungsfehlers trage der Zahnarzt die Beweislast dafür, dass sich der weitere Krankheitsverlauf auch bei richtiger Befundung und sodann erfolgter Behandlung nicht positiv geändert hätte. Diesen Nachweis könne der Beklagte nicht führen. Deswegen hafte er für die um zwei Monate verlängerte Leidenszeit der Patientin und den Verlust von Zähnen, die eine Neuversorgung im Oberkiefer erforderlich gemacht habe.