· CME-Beitrag
IOS: Workflow für kleinere festsitzende Versorgungen gut möglich
| In lediglich fünf Prozent der Zahnarztpraxen in Europa befinden sich heute Intraoralscanner (IOS). In Deutschland waren im Jahr 2019 fünf bis sieben Prozent aller Praxen mit solchen Geräten ausgestattet. [1] Dabei bieten IOS viele Vorteile, wenn Behandelnde sich erst einmal mit den entsprechenden Geräten gut vertraut gemacht haben. Was heute schon problemlos geht, hat die Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien e. V. (DGPro) auf ihrer Frühjahrstagung im März in verschiedenen Vorträgen thematisiert. |
Auf den korrekten Scanpfad kommt es an
Ein IOS sieht nicht wie das menschliche Auge einen ganzen Kiefer, sondern er nimmt viele Einzelbilder auf, im Prinzip Details eines ganzen Kieferbogens. Diese Einzelbilder muss eine Software zu einem Bild zusammenfügen, um daraus ein gesamtes Modell zu machen. Für die Zuordnung sind Algorithmen in der Software verantwortlich. Je länger ein Scanpfad, desto höher die Gefahr von Zuordnungsfehlern bzw. ein einmal entstandener Fehler setzt sich über die Länge des Scanpfades weiter fort und vergrößert sich. Daher ist es nicht egal, von wo aus der Scan begonnen und schließlich beendet wird. Hier ist unbedingt den Herstellerangaben zu folgen.
MERKE | Ein Scanpfad ist der Streckenverlauf eines Scans über einen Zahnbogen oder über einen Kieferabschnitt mit definiertem Anfang und Ende. Für welches Gerät welcher Scanpfad geeignet ist, darüber geben die Hersteller Auskunft. |
Intraoralscans bieten gegenüber konventionellen Abformungen Korrekturmöglichkeiten
Bei der konventionellen Abformung ist eines der Hauptprobleme, dass trotz des feuchten Milieus der Mundhöhle mit einer Abformung gleichzeitig alle relevanten Bereiche perfekt dargestellt sein müssen. Funktioniert das nicht, muss die Abformung wiederholt werden ‒ im Zweifel so oft bis alle Präparationen in dem Kiefer sehr gut dargestellt sind. Eine große Stärke von Scannern ist es hier, dass ein Scan korrigierbar ist. D. h, es ist möglich, bestimmte Bereiche eines Kiefers oder bestimmte Stümpfe erneut zu scannen. Dazu wird das betreffende Areal am Computer ausgeschnitten und nachgescannt. Vor dem Nachscannen ist natürlich auch eine Nachpräparation möglich, die dann gezielt noch einmal aufgenommen wird, während die Aufnahme der restlichen Bereiche erhalten bleibt. [1]
Präparation in großer Darstellung am Bildschirm beurteilen
Auf dem Bildschirm sind die einzelnen Präparationen im Gegensatz zu einer Abformung recht groß dargestellt und gut beurteilbar. Darüber hinaus bietet eine Scansoftware Tools, um die Präparationen gezielt zu analysieren, z. B. auf vorhandene Unterschnitte und Parallelität von Pfeilern. Nach einer Fehleranalyse können Behandelnde bestimmte Stellen gezielt nachpräparieren und erneut scannen. Eine weitere Möglichkeit ist es, zu überprüfen, ob bereits genug von okklusal präpariert wurde. Auch hier kann bei Bedarf nachpräpariert und dann gezielt nachgescannt werden. [1]
Statische Kieferrelationsbestimmung funktioniert heute schon sehr gut
Alle Systeme können heute bereits gut eine statische Kieferrelationsbestimmung vornehmen, wie verschiedene Studien zeigen konnten. Die Ergebnisse sind mindestens vergleichbar mit denen von herkömmlichen Wachsquetschbissen oder Silikonverschlüsselungen. Bei einer Kieferrelationsbestimmung innerhalb eines Quadranten sind die digitalen Systeme gegenüber konventionellen Methoden sogar besser als bei Scans über den ganzen Kiefer. Behandler sollten jedoch immer überprüfen, ob das dargestellte Kontaktpunktmuster mit dem des Patienten übereinstimmt. An einer qualitativ guten dynamischen Kieferrelationsbestimmung, also dem Erfassen von Kieferbewegungen, arbeiten die Hersteller noch. [1]
Kostengünstige und zügige Herstellung von Provisorien
Ein weiterer Vorteil ist die effiziente Versorgung mit Provisorien bei nicht zu ausgedehntem festsitzendem Zahnersatz. Bei einem nicht erhaltungswürdigen Zahn ist häufig eine Brückenversorgung indiziert. Noch vor der Extraktion des betreffenden Zahnes, können die Brückenpfeiler präpariert werden und die Situation wird gescannt. Am Computer wird dann der zu extrahierende Zahn radiert und die provisorische Brücke designt. Während der Zahn dann extrahiert wird, fräst eine Fräsmaschine eine provisorische Brücke z. B. aus einem PMMA-Block. Der Patient bekommt anschließend direkt eine hochwertige provisorische Brücke eingesetzt, die vergleichsweise günstig ist und stabiler als ein handgefertigtes Provisorium. [2]
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Kleinere festsitzende Versorgungen rein digital anzufertigen, ist heute ohne Probleme möglich. Bei größeren Versorgungen, insbesondere herausnehmbaren, sind meist nur Teilschritte digital machbar. IOS sind eher auf festsitzenden Zahnersatz geeicht, denn die digitale Abformung ist eine statische. Bewegliche Anteile wie zahnlose Schleimhautareale, Zunge oder Wangen stören die Scansoftware und werden herausgeschnitten. Sie sind daher nicht gut zu scannen. Gerade für Totalprothesen wird aber eine dynamische Abformung, also eine Funktionsabformung des Weichgewebes, benötigt. Das können IOS heute leider noch nicht leisten. |
Quellen
- [1] Vortrag von Prof. Dr. Bernd Wöstmann, Gießen: „Evolution der Intraoralen Scanner ‒ Wo stehen wir heute?“, DGPro Online-Symposium, 11.03.2022
- [2] Vortrag Priv.-Doz. Dr. Maximiliane Schlenz, Gießen: „Vom Einzelzahn über die Prothese bis zu Implantaten ‒ welche Situationen lassen sich scannen?“ DGPro Online-Symposium, 11.03.2022