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  • · Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht

    Kooperationsmöglichkeiten und Grenzen heilberuflicher Zusammenarbeit

    von Dr. Bettina Mecking, Düsseldorf

    | Das bayerische Justizministerium hat Ende Juli einen Gesetzentwurf präsentiert, der die Einfügung eines eigenständigen Straftatbestands der „Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen“ in das Strafgesetzbuch vorsieht. Der Entwurfstext erfasst ausdrücklich auch den Bezug und die Abgabe von Arzneimitteln sowie die Zuführung von Patienten. Daraus folgt, dass Verhaltensweisen, die beispielsweise durch die §§ 10 und 11 Apothekengesetz (ApoG) verboten sind und eine berufsrechtliche Ahndung zur Folge haben, zukünftig strafrechtlich verfolgt werden könnten. Hier ist Vorsicht geboten. |

    Welche Kooperationskonzepte sind zulässig?

    In der Praxis treten vielfältige kooperative Verhaltensweisen auf, die auf den ersten Blick als eine sinnvolle Abwicklung erscheinen. Tatsächlich sollen Patienten und ihre Arzneimittelumsätze häufig gezielt gesteuert werden. Diese „Kanalisierungstendenzen“ bewegen sich rechtlich im Spannungsfeld von freier Apothekenwahl, Trennung von Apotheker- und Arztberuf sowie Apothekenpflicht. Diesen Normen ist gemeinsam, dass sie den fairen Markt, die Wahrung der Freiberuflichkeit der Leistungserbringer und den Schutz der Wahlfreiheit des Patienten bezwecken. Zulässig ist nur eine Kooperation der an der Versorgung beteiligten Gesundheitsprofessionen zum Wohl einer qualitativ hochstehenden Arzneimitteltherapie.

     

    MERKE | Kooperationskonzepte, die mit der Zuführung von Patienten oder der Zuweisung von Verschreibungen einhergehen, können nicht nur wettbewerbswidrig sein und eine Ahndung wegen der Verletzung von Berufspflichten nach sich ziehen. Bei Gewährung wirtschaftlicher Vorteile können sie vielmehr auch jetzt schon dazu führen, dass wegen Verstoßes gegen die Zuwendungsverbote des § 128 Abs. 2 und Abs. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) V kein Anspruch auf Vergütung der an gesetzlich Versicherte erbrachten Leistungen entsteht. § 128 SGB V soll fragwürdige Formen von Zusammenarbeit sowie illegale Vergütungsmodelle im ambulanten Bereich unterbinden.

     

     

    Hinweis | Derzeit etabliert sich in der Rechtsprechung generell ein strenger Maßstab bei der Prüfung der Zulässigkeit von Zuweisungen sowie Empfehlungen an bestimmte Leistungserbringer.

     

    Nach § 11 ApoG ist die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und anderen Personen und Institutionen des Gesundheitswesens in der Weise eingeschränkt, dass Vereinbarungen, Absprachen und schlüssige Handlungen verboten sind, die die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben. Ein korrespondierendes Zuweisungsverbot findet sich parallel in den jeweiligen landesspezifischen apothekerlichen und ärztlichen Berufsordnungen - das heißt, das Zuweisungsverbot greift in beide Richtungen.

    Vorsicht bei schlüssiger Zuweisung

    Eine Absprache muss nicht ausdrücklich getroffen werden, sondern kann auch schlüssig aus der tatsächlichen Handhabung oder einer eingespielten Übung hervorgehen.

     

    Empfehlung bestimmter Ärzte und Apotheken

    In seiner strengen Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Empfehlung bestimmter Ärzte durch Rezeptaufdruck einer Apotheke schon als Zuführung von Patienten gewertet (BGH, Urteil vom 13.1.2011, Az. I ZR 111/08, Abruf-Nr. 110686). Verboten ist folgerichtig auch die gezielte ärztliche Empfehlung einer bestimmten Apotheke (Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Urteil vom 20.3.2014, Az. 6 U 2/13, Abruf-Nr. 141609, nicht rechtskräftig). Auch darf im Warteraum von Arztpraxen auf Werbebildschirmen nicht für bestimmte Apotheken geworben werden. Das Landgericht (LG) Limburg untersagte einem Unternehmen sein Geschäftsmodell „Wartezimmer-TV“, da dadurch Patienten bevorzugt einer bestimmten Apotheke zugeführt würden (LG Limburg, Urteil vom 17.12.2012, Az. 5 O 29/11, Abruf-Nr. 131426). Das Zuweisungsverbot kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass statt einer mehrere Apotheken empfohlen werden.

     

    Rezeptübersendung an Apotheken

    Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen hat die direkte Rezeptübersendung an Apotheken verboten (OVG NRW, Beschluss vom 14.2.2013, Az. 13 A 2521/11, Abruf-Nr. 131098). In diesem Fall erhielt eine Apothekerin unmittelbar vom verschreibenden Arzt eine Vielzahl von Rezepten über sogenannte TCM-Medikamente und belieferte diese. Nach Auffassung der Richter könne - bei einer lebensnahen Betrachtung - angesichts der großen Zahl übermittelter Rezepte aus einer Arztpraxis an eine Apotheke auf eine zumindest konkludente Absprache geschlossen werden. Selbst wenn die Rezepte jeweils mit Zustimmung der Patienten vom Arzt an die Apotheke versendet wurden, schließe dies einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG nicht aus. Denn der Arzt dürfe sich nur von medizinischen Gesichtspunkten und seinem ärztlichen Gewissen leiten lassen.

     

    Nach Auffassung des OLG Saarbrücken spricht - wenn verschiedene Arztpraxen eine Vielzahl von Rezepten per Telefax an einen bestimmten Apotheker übersenden - schon die Lebenserfahrung dafür, dass es sich um Fälle handelt, in denen die Rezeptübermittlung im Einzelfall keine medizinischen Gründe hat, sondern Resultat einer Verständigung der beteiligten Ärzte mit dem Apotheker und Bequemlichkeitserwägungen von Patienten geschuldet ist (OLG Saarbrücken, Urteil vom 25.9.2013, Az. 1 U 42/13, Abruf-Nr. 133224, siehe auch „Das Betreiben einer Rezeptsammelstelle ist wettbewerbswidrig“ in AH 11/2013, Seite 14). Vor diesem Hintergrund wurde das regelmäßige Zufaxen von Rezepten an umliegende Apotheken untersagt, wenn eine Apotheke von diesem Vorgehen explizit ausgenommen wird.

     

    Beachten Sie | Ob Rezepte auch im Rahmen einer Heimversorgung von Heimbewohnern tatsächlich nicht mehr durch die Ärzte an die zuständige heimversorgende Apotheke gefaxt werden dürfen, wird kontrovers diskutiert.

     

    PRAXISHINWEIS | Um Beanstandungen zu vermeiden, sollte das Heim die Rezeptanforderung der versorgenden Apotheke an den Arzt weiterleiten. Die daraufhin ausgestellten Verschreibungen sollten direkt an das Heim gehen, wo die Apotheke sie abholen kann.

     

    Zustimmung des Patienten führt nicht zur Zulässigkeit

    Wie sieht es aus, wenn der Patient von seinem Apothekenwahlrecht Gebrauch macht und der direkten Übermittlung vom Arzt an den Apotheker zustimmt?

     

    Hier steht die Einschränkung der Wahlfreiheit des Patienten im Raum. So urteilte der BGH über einen Fall, in dem Ärzte ihren Patienten regelmäßig vorformulierte Einwilligungserklärungen vorgelegt hatten und damit die Weiterleitung der Rezepte rechtfertigen wollten. Dem Patienten darf - in welcher Form auch immer - nicht die Möglichkeit genommen werden, zu entscheiden, in welcher Apotheke er sein Rezept einlösen möchte (Sozialgericht Berlin, Urteil vom 18.7.2006, Az. S 81 KR 4208/04, Urteil unter www.dejure.org). Der Umstand, dass viele Patienten kein besonderes Interesse an der Ausübung des Rechts auf freie Apothekenwahl haben, stellt dieses nicht zur Disposition für Ärzte und Apotheker. Wenn das Angebot einer Zuführung erkennbar vom Arzt ausging, kann auch die Einwilligungserklärung der Patienten den Verstoß gegen das Zuweisungsverbot nicht mehr heilen (BGH, Urteil vom 9.7.2009, Az. I ZR 13/07, Abruf-Nr. 092818). Lediglich in Einzelfällen, in denen der Patient von sich aus nach einer bestimmten Apotheke oder einem bestimmten Facharzt fragt, kann er mit Informationen versorgt werden (BGH, Urteil vom 13.1.2011, Az. I ZR 111/08, Abruf-Nr. 110686).

    Ausnahmen: gerechtfertigte Zuweisungen

    Ärzte dürften nur in medizinisch indizierten Einzelfällen Rezepte an eine Apotheke weiterleiten. Die unmittelbare Einbeziehung des Arzts in den Erwerbsvorgang des Medikaments durch Übermitteln des Rezepts ist untersagt. Die Unabhängigkeit des Arzts ist schon bei der Gefahr einer Interessenkollision und der Verwischung der Grenze zwischen ärztlicher Heilbehandlung und Medikamentenversorgung tangiert. Grundsätzlich sollte der Arzt dem Patienten das Rezept mitgeben. Wenn der Patient im Besitz des Rezepts ist, behält er sein Wahlrecht. Von einer Übersendung ausgestellter Rezepte an eine Apotheke sollte nur im Ausnahmefall - zum Beispiel zur Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten n- Gebrauch gemacht werden.

     

    Einen hinreichenden Grund für eine Zuweisung sieht das LG Lüneburg in seiner Entscheidung nur, wenn dieser durch die besonderen Bedürfnisse des Patienten einerseits sowie durch spezielle, nur bei dem durch die Zuweisung begünstigten Betrieb anzutreffende Leistungsmerkmale andererseits getragen wird (LG Lüneburg, Urteil vom 23.8.2006, Az. 3 O 119/06). Demnach dürfte - außer in den Fällen der Herstellung von Zytostatika und wohl auch von parenteralen Ernährungslösungen sowie von Augentropfen, die unter Stickstoff-Atmosphäre hergestellt werden müssen - keine Zuweisung zu einer bestimmten Apotheke gerechtfertigt sein.

     

    Auch der Hinweis, dass in anderen Apotheken bei der Ausführung einer Verschreibung eine Wartezeit in Kauf genommen werden müsse, während eine Apotheke aufgrund ihrer Spezialisierung eine sofortige Herstellung und Beschaffung gewährleisten könne, rechtfertigt keine entsprechende Zusammenarbeit. Mit diesem Argument könnte der Arzt die Verschreibung sonst in einer Vielzahl von Fällen einer speziellen Apotheke zuweisen, sofern nur eine abgestimmte Bevorratung erfolgt. Die Absprache über eine Rezepturverordnung ohne ausreichende Deklaration der Inhaltsstoffe ist ebenfalls verboten. Selbst wenn Arzt und Apotheke gemeinsam ein Behandlungskonzept entwickelt haben, erscheint es unkollegial, wenn Apotheken, die die „Geheimrezeptur“ nicht kennen, von der Belieferung ausgeschlossen sind.

    Ambulante Zytostatika-Verordnung

    Ausnahmsweise ist eine Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker zur unmittelbaren Abgabe von Zytostatika-Zubereitungen zulässig. Nach § 11 Abs. 2 ApoG darf der Inhaber einer Erlaubnis für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke anwendungsfertige Zytostatika-Zubereitungen aufgrund einer Absprache unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben. Hier ist eine Zusammenarbeit zum Wohl des Patienten vom Gesetzgeber gewollt - dies ist aber kein Freibrief für eine ausschließliche Kooperation. Denn selbst nach der Regelung des § 11 Abs. 2 ApoG verbleibt die Entscheidung über die Apotheke beim Patienten. Lediglich die Auslieferung des fertigen Medikaments wird durch die Abgabe direkt an den behandelnden Arzt abgekürzt.

     

    In einem Verfahren wegen Abschlusses einer Kooperationsvereinbarung zur Herstellung und Lieferung von Zytostatika hat die Vergabekammer (VK) des Landes Berlin ausgeführt, diese Ausnahme vom Abspracheverbot trage zwar mit Blick auf die zur Chemotherapie bestimmten Substanzen dem entsprechenden Sicherheitsbedürfnis Rechnung, lasse aber keine direkte Bestellung der Zytostatika bei der Apotheke durch den Arzt zu. Ermöglicht werde lediglich bei Abgabe der Zytostatika nach Rezepteinreichung durch den Patienten eine im Interesse der Allgemeinheit und des Patienten sichere Lösung durch unmittelbare Anlieferung bei dem behandelnden Arzt (VK Berlin, Beschluss vom 9.2.2009, Az. VK-B 1-28/08, Beschluss unter www.dejure.org).

     

    Die Wahl der Apotheke ist auch bei der Zytostatika-Behandlung nicht auf den Arzt übertragbar. So darf der Arzt nicht davon ausgehen, es entspreche dem Patientenwunsch, dass institutionalisiert eine bestimmte Apotheke auch die in der Arztpraxis verabreichte, ambulant verordnete Begleitmedikation liefere. Die zusätzlich angewandten Fertigarzneimittel fallen nämlich unter das Zuweisungsverbot (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.2.2012, Az. BG-Ap 32/11, Urteil unter www.dejure.org). Manche Ärzte legen von sich aus den Patienten Erklärungen zur Unterschrift vor, mit denen diese sich mit der Lieferung der in der Praxis rezeptierten Chemotherapie- und Begleitmedikation einverstanden erklären sollen. Diese Handhabe ist zu beanstanden, da eine zwingende praktische Notwendigkeit hierfür nicht ersichtlich ist. Es ist nicht auszuschließen, dass sich ein Patient aufgrund der Erklärung an die eine Apotheke gebunden fühlt und sich „nicht traut“, die Arzneimittel aus einer anderen Apotheke zu beziehen, die ebenfalls Zytostatika herstellt.

     

    Hinweis | Ausnahmen vom Verbot der direkten Zuleitung sind weiter im Rahmen der integrierten Versorgung nach § 140 SGB V zulässig.

    Kooperationen zwischen Pflegediensten und Apotheken

    Während bei der Heimversorgung die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit in § 12a ApoG gesondert geregelt sind, gelten für die Kooperation einer Apotheke mit einem ambulanten Pflegedienst die allgemeinen apothekenrechtlichen Grundsätze. Eine solche vertragsgestützte Kooperation zwischen Apotheken und Pflegediensten ist nach § 11 ApoG ausgeschlossen. Folglich sind der Zusammenarbeit von ambulanten Pflegediensten und Apotheken enge Grenzen gesetzt.

     

    Das Zuweisungsverbot untersagt die im Rahmen einer Kooperation mit einem Pflegedienst häufig praktizierte Handhabung, die Rezepte im Auftrag des Kunden durch die Apotheke direkt in der Arztpraxis abzuholen. Der Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, das Rezept entweder dem Patienten persönlich oder einem Mitarbeiter des Pflegedienstes als vom Patienten beauftragten Vertreter auszuhändigen. Das Rezept ist anschließend vom Pflegedienst im Auftrag des Patienten in einer Apotheke einzulösen. Die mit dem Pflegedienst verabredete Rezeptabholung unmittelbar durch die Apotheke stellt demgegenüber eine unzulässige Zuweisung dar.

     

    MERKE | Selbstverständlich ist es dem Pflegedienst unbenommen, die benötigten Medikamente ohne feste Bindung aus einer bestimmten Apotheke seiner Wahl zu besorgen. Patienten oder deren Bevollmächtigte sollten ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass sie eine zu diesem Vorgehen erteilte Einwilligung jederzeit widerrufen können.

     

     

    Eine unzulässige Vereinbarung liegt auch vor, wenn die vertragliche Vereinbarung nicht direkt zwischen Pflegedienst und Apotheke getroffen wird, sondern ein Kommunikationsdienstleister als Vermittler zwischengeschaltet ist. Andernfalls ließe sich das Zuweisungsverbot regelmäßig durch die Zwischenschaltung eines Dritten unterlaufen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der aktuellen BGH-Entscheidung (Urteil vom 13.3.2014, Az. I ZR 120/13), wonach Kooperationen zwischen Apothekern und Entlassmanagementgesellschaften, an denen auch Krankenhausträger beteiligt sind, zulässig sein können. Hier wird schlicht ergebnisorientiert der neueren und spezielleren Regelung des Entlassmanagements der Vorrang gegenüber § 11 ApoG eingeräumt, was aber nichts an der aufgezeigten Systematik des Zuweisungsverbots für andere Bereiche ändert.

     

    FAZIT | Anlässlich dieser Rechtslage empfiehlt es sich, bei vermeintlich lukrativen Geschäftsmodellen Vorsicht walten zu lassen. Gerne wird damit argumentiert, dass „die anderen” das auch so machen und ohnehin keiner Anstoß daran nimmt. Tatsächlich gilt hier oft: wo kein Kläger, da kein Richter. Das führt allerdings nicht dazu, dass Kooperationen, die der Gesetzgeber ganz bewusst nicht gestattet, plötzlich legal werden. Hier steht viel auf dem Spiel. Es ist besser, sich an die Regeln zu halten, als Geld und Zeit für rechtliche Verfahren auszugeben.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 10 | ID 42947833