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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Gesetzgebung

    Überblick: 8 Änderungen des anwaltlichen Berufsrechts, die noch 2021 in Kraft treten

    von RA Martin W. Huff, Geschäftsführer RAK Köln, LLR Rechtsanwälte Köln

    | Zum 1.8. und zum 1.10.21 treten Änderungen in der BRAO und dem RVG in Kraft, die für die tägliche Anwaltsarbeit von erheblicher Bedeutung sind. Andere Regelungen betreffen nur politisch gewollte Klarstellungen, etwa wenn aus dem Vertreter die „vertretene Person“ wird. Dieser Beitrag stellt die acht Änderungen vor, die noch in diesem Jahr in Kraft treten (eine Fortsetzung folgt mit den Änderungen, die erst in einem Jahr wirksam werden). Insgesamt darf man gespannt sein, wie sich die neuen Vorschriften in der Praxis bewähren ‒ zu Ende sein dürften die Reformen noch nicht. |

    1. Änderungen im Zulassungsverfahren zum 1.8.21

    Das anwaltliche Zulassungsrecht wird zum 1.8.21 in den folgenden Punkten neu geregelt:

     

    a) Aussetzung wegen laufendem Strafverfahren nach § 10 BRAO

    Immer wieder gab es in Zulassungsverfahren Diskussionen darüber, wie laufende strafrechtliche Verfahren zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf Art. 12 GG hat der Gesetzgeber in dem neu formulierten § 10 BRAO klargestellt, dass das Zulassungsverfahren nur noch ausgesetzt werden kann, wenn der Tatvorwurf eine Verurteilung erwarten lässt, die eine Versagung der Zulassung zur Folge haben würde. Dies bedeutet, dass die Rechtsanwaltskammer bei einem laufenden Verfahren in Zukunft zweierlei prüfen muss:

     

    • Handelt es sich um eine Tat, die eine Versagung der Zulassung zur Folge hätte? (z. B. BGH zu unwürdigem Verhalten, ak.iww.de, Abruf-Nr. 46895864)
    • Welche Prognose ist über den Tatvorwurf zu treffen?

     

    Beachten Sie | Ohne eine konkrete und umfassende Akteneinsicht und Bewertung wird diese Prüfung nicht durchgeführt werden können. Damit wird es deutlich schwieriger werden, Zulassungsverfahren auszusetzen, besonders weil die Aussetzungsentscheidung als Verwaltungsakt durch den AGH überprüft werden kann. Es kann daher von beiden Seiten sinnvoll sein, das Zulassungsverfahren zum Ruhen zu bringen, bis klar ist, was aus dem Strafverfahren geworden ist.

     

    b) Vereidigung nach § 12a Abs. 7 BRAO

    Der neue § 12a Abs. 7 BRAO bedeutet eine kleine Erleichterung für Bewerber auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in (Corona-)Zeiten, in denen keine Vereidigung stattgefunden hat: Wer schon einmal vereidigt worden ist, braucht keine erneute Vereidigung bzw. ein Gelöbnis ist nicht mehr erforderlich. Der Antragsteller kann dann sofort zugelassen werden und muss nicht mehr auf einen Vereidigungstermin warten. Er kann also deutlich schneller als bisher seine anwaltliche Tätigkeit aufnehmen. (Übrigens: Eine virtuelle Vereidigung wird es nicht geben.)

     

    Beachten Sie | Immer wieder kommt es gerade beim Start in das (Anwalts-)Berufsleben zu Zulassungsrückgaben, weil beispielsweise die Tätigkeit in einer Kanzlei nicht zusagt. Stellt der „Neuanwalt“ erst bei einer neuen Stelle einen Antrag auf erneute Zulassung, kann durch die Neuregelung eine Wartezeit für den Antragsteller vermieden werden.

    2. Neuregelung zum Ende der anwaltlichen Tätigkeit zum 1.8.21

    Bisher durfte der Rechtsanwalt seinen Titel ohne die entsprechenden rechtlichen Befugnisse führen, wenn die Zulassung wegen hohen Alters oder aus gesundheitlichen Gründen zurückgegeben wurde. Dies war bisher oft kritisiert worden, weil dies durchaus zu Verwirrungen führen konnte. Jetzt lautet die Bezeichnung nach § 17 Abs. 2 BRAO „Rechtsanwalt im Ruhestand“ oder „Rechtsanwalt i. R.“. Dies gilt auch für die weibliche Form sowie für Syndikusrechtsanwälte, die dann den Titel „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) i. R.“ führen dürfen.

     

    Beachten Sie | Die Änderung zum 1.8.21 ist zu begrüßen, weil sie für Rechtsklarheit nach außen sorgt. Hohes Alter dürfte wohl erst bei über 70 Jahren vorliegen, weil der Renteneintritt bei bis zu 67 Jahren liegt. Gesundheitliche Gründe müssen bei der Kammer nachgewiesen werden. Die Erlaubnis kann insbesondere widerrufen werden, wenn der ehemalige Rechtsanwalt die Befugnis zur Bekleidung eines öffentlichen Amts verliert.

    3. Ersetzung der Schriftform zum 1.8.21

    Der Gesetzgeber hat in § 37 BRAO klargestellt, dass ab dem 1.8.21 die Schriftform gewahrt ist, wenn die Erklärung über das beA abgegeben wird. Eine natürliche Person muss die Erklärung entweder selbst signieren und versenden oder die Erklärung muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden.

     

    Beachten Sie | Die beA-Kommunikation wird sicher in nächster Zeit der Kommunikationsweg der Rechtsanwaltskammern mit ihren Mitgliedern werden. Die Anwälte müssen sich daran gewöhnen, insbesondere weil die „aktive“ Nutzung des beA in der Kommunikation mit der Justiz ab dem 1.1.22 flächendeckend Pflicht wird.

    4. Erweiterung der Inkasso-Informationspflichten zum 1.10.21

    Die Informationspflichten im Inkassobereich werden zum 1.10.21 nach § 43d BRAO noch einmal erweitert, gerade wenn es um die Durchsetzung von Forderungen gegenüber Privatpersonen geht (AK 21, 6):

     

    • Der Anwalt muss bei Inkassodienstleistungen den Namen des Auftraggebers und dessen Anschrift mitteilen ‒ es sei denn, es stehen schutzwürdige Interessen entgegen (was wohl nur selten der Fall sein wird).
    • Bei unerlaubten Handlungen müssen Art und Datum, Klarstellungen bei den Anschriften und Angaben zur zuständigen Rechtsanwaltskammer angegeben werden.
    • Es folgen Aufklärungs- und Informationspflichten bei Schuldanerkenntnissen und zur Verjährung. Hier muss eine Privatperson besonders über die Auswirkungen informiert werden, damit eine Drucksituation so weit wie möglich vermieden wird.

     

    Beachten Sie | In der Praxis hat sich bisher gezeigt, dass diejenigen Rechtsanwälte durchaus ihren Pflichten nachkommen, die professionell Inkassoleistungen erbringen. Probleme hat es hier eher im Bereich der gelegentlichen Tätigkeiten gegeben.

     

    Gesenkt wird in diesem Zusammenhang leider auch die Vergütung (§ 13 RVG). Dies ist vor allem bei sorgfältigen Prüfungen außerhalb des Massengeschäfts unverständlich.

    5. Eingeschränkte Erfolgshonorare ab dem 1.10.21

    Sehr umstritten war die Frage, ob und wie das Vergütungsrecht der Anwaltschaft an die Möglichkeiten etwa von Legal-Tech-Unternehmen oder Inkassodienstleistern angepasst werden soll. Jetzt lautet die Regelung in § 49b BRAO, § 4, § 4a RVG: „Vereinbarungen, durch die sich der Rechtsanwalt verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, sind nur zulässig, soweit in der Angelegenheit ein Erfolgshonorar gemäß § 4a RVG vereinbart wird“ (s. auch AK 21, 23).

     

    Dazu ist in § 4 RVG geregelt, dass außergerichtlich bei einer Inkassodienstleistung eine niedrigere Vergütung vereinbart oder auf diese ganz verzichtet werden kann. Das Erfolgshonorar in § 4a RVG ist im Rahmen von Inkassodienstleistungen bei Geldforderungen bis 2.000 EUR oder bei außergerichtlichen Inkassodienstleistungen erlaubt. Geregelt ist nun auch, dass bei außergerichtlichen Inkassodienstleistungen nur ein Erfolgshonorar möglich ist, wenn für den Misserfolg keine oder eine niedrigere Vergütung vereinbart wird.

     

    Parallel dazu sind Änderungen und Verschärfungen im Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG), insbesondere §§ 13b ff. RDG für die Inkassounternehmen aufgenommen worden, wobei erstmals auch die Prozessfinanzierung (§ 4 RDG) angesprochen wird.

    6. Neuregelung der Bestellung eines Vertreters zum 1.8.21

    Neu geregelt wird zum 1.8.21 die Vertreterbestellung in § 53 BRAO. Der Rechtsanwalt muss aber weiterhin für seine Vertretung sorgen, wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will (§ 53 Abs. 1 BRAO).

     

    Beachten Sie | Bei dieser Regelung ist nicht alles gelungen. Warum die „Entfernung von der Kanzlei“ beibehalten und auf zwei Wochen ausgedehnt wurde, erschließt sich nicht. Denn was heißt heutzutage „Entfernen von der Kanzlei“? Wie ist dies im Homeoffice oder bei der elektronischen Kommunikation zu verstehen? Die Kanzlei von heute sieht anders aus ‒ hier steht die Erreichbarkeit im Vordergrund. Die Praxis wird zeigen, wie die Anwälte damit umgehen. Wichtig ist aber: Wer länger als eine Woche nicht als Anwalt tätig sein kann, benötigt einen Vertreter und dies ist auch richtig so.

     

    Die Bestellung des Vertreters soll der Rechtsanwalt selbst vornehmen, auch wenn der Vertreter nicht im gleichen Kammerbezirk ansässig ist. Diese Änderung ist in Zeiten der elektronischen Kommunikation überfällig gewesen. Jedem Rechtsanwalt sollte dabei klar sein, wer ihn ‒ gerade auch wegen eines Posteingangs über das beA ‒ vertritt. In vielen Sozietäten ist dies selbstverständlich. Aber bei Bürogemeinschaften und bei Einzelanwälten wird daran oft (noch) nicht gedacht.

     

    MERKE | In einem eigenen § 54 BRAO sind nun die Befugnisse des Vertreters zusammengefasst, insbesondere sein Zugang zum beA des Vertretenen (§ 54 Abs. 2 BRAO). Nur so ist in Zukunft eine vernünftige Vertretung möglich.

     

    7. Mitgliederakten zum 1.8.21

    Erstmals umfassend ist ab dem 1.8.21 die Aktenverwaltung der Rechtsanwaltskammern in § 58 BRAO geregelt. Die jetzt Mitgliederakte genannte Akte umfasst aus Datenschutzgründen eine Regelung, was die Kammer speichern darf, insbesondere (Abs. 1) alle Unterlagen zur Zulassung, zur Fachanwaltschaft etc. und zu berufsrechtlichen Verfahren. Zudem wurden die Aufbewahrungsfristen geregelt. Diese Regelungen sind zeitgerecht und beseitigen manche Unklarheit der Vergangenheit.

    8. Verschiedenes zur Vorstandsarbeit zum 1.8.21

    Zum 1.8.21 wurden auch Regelungen klargestellt zur

    • Verschwiegenheit der Vorstandsmitglieder und der Mitarbeiter (§ 76 BRAO),
    • Bildung von Vorstandsabteilungen (§ 77 BRAO) und
    • Einberufung der Kammerversammlung (§ 86 BRAO).

     

    Bei Letzterem kann man sich durchaus fragen, warum nicht die Einladung über das beA ausdrücklich aufgenommen worden ist.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2021 | Seite 130 | ID 47491495