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  • · Fachbeitrag · Berufsausübungsgemeinschaften

    Versicherungsschutz und Haftungsbeschränkung: Bei alten GbR kann Handlungsbedarf bestehen

    von RA, StB, WP Dr. iur. Norbert H. Hölscheidt und RA Daniel König, Praevenia GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, praevenia.de

    | Die Änderungen des anwaltlichen Berufsrechts zum 1.8.22 wirken sich auch auf Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten/Steuerberatern im Rahmen einer Sozietät/GbR aus, die bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden haben. Dennoch sind in vielen Kanzleien bis heute notwendige Maßnahmen noch nicht umgesetzt. Das betrifft z. B. den Abschluss bzw. die Erhöhung der Berufshaftpflichtversicherung der Gesellschaft und die Änderung der Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Auftragsbedingungen (AAB). Insofern besteht dringender Handlungsbedarf, weil nicht jede Vereinbarung rückwirkend erreicht werden kann. |

    1. Auswirkungen auf bestehende Gesellschaften

    Von den Änderungen im Recht der Berufsausübungsgesellschaften (BAG) in der BRAO und im StBerG mit Wirkung zum 1.8.22 (AK 22, 94) sind nicht nur neue/zukünftige Zusammenschlüsse von Berufsträgern zu einer BAG betroffen. Zahlreiche Vorschriften gelten auch für bereits bestehende Gesellschaften und Zusammenschlüsse von Berufsträgern. Dies betrifft vornehmlich die Berufshaftpflichtversicherung der BAG (AK 22, 99). So stieg beispielsweise für Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten die Mindestversicherungssumme für Gesellschaften mit persönlicher Haftung der Gesellschafter (insbesondere also die GbR) von 250.000 auf 500.000 EUR.

     

    Die Erhöhung der Mindestversicherungssumme hat auch Auswirkungen auf die von den Gesellschaften verwendeten Allgemeinen Auftragsbedingungen (AAB). Im Rahmen einer ‒ zur Haftungsabsicherung dringend zu empfehlenden ‒ Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung in AAB ist eine Beschränkung der Haftung des Beraters nur auf den vierfachen Betrag der jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme (oder höher) zulässig. Bei den Gesellschaften, für die sich zum 1.8.22 die Mindestversicherungssumme durch die gesetzlichen Änderungen in der BRAO bzw. im StBerG erhöht hat, ist daher zum 1.8.22 die in den verwendeten AAB vereinbarte niedrigere Haftungsbeschränkung unwirksam geworden.

    2. Besondere Folgen für die GbR

    Für Rechtsanwälte und/oder Steuerberater, die sich in der Rechtsform einer GbR (Sozietät) zusammengeschlossen haben, besteht nach den neuen gesetzlichen Regelungen zwar weiterhin keine Verpflichtung zur Anerkennung bzw. Zulassung als BAG bei der zuständigen Berufskammer. Allerdings besteht für die GbR aus Rechtsanwälten und/oder Steuerberatern die Möglichkeit der freiwilligen Zulassung (§ 59f Abs. 1 BRAO) bzw. Anerkennung (§ 53 Abs. 1 StBerG) als BAG.

     

    Nicht bekannt ist dabei oft, dass die neuen Regelungen auch gelten, wenn für die GbR keine Zulassung bzw. Anerkennung als BAG erfolgt. Denn die GbR (als Gesellschaft) muss in jedem Fall die für sie geltenden berufsrechtlichen Regelungen einhalten ‒ egal, ob sie als BAG anerkannt bzw. zugelassen ist oder nicht. Dazu gehört insbesondere auch die Versicherungspflicht der GbR als Gesellschaft. Es reicht also nach neuem Recht nicht mehr aus, wenn im Rahmen eines Zusammenschlusses als GbR jeder einzelne Berufsträger seine gesetzlich notwendige Berufshaftpflichtversicherung hat. Vielmehr muss die GbR selbst (als Gesellschaft) die gesetzlich erforderliche Berufshaftpflichtversicherung unterhalten. D. h., mit Wirkung zum Stichtag 1.8.22 musste die GbR einerseits eine eigene Berufshaftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von mindestens 500.000 EUR (bzw. mindestens 2.000.000 EUR bei Verwendung von AAB mit Haftungsbeschränkung) unterhalten. Zudem musste die GbR mit allen Mandanten neue AAB mit einer Haftungsbeschränkung auf 2.000.000 EUR vereinbaren.

     

    MERKE | Problematisch sind sog. Scheinsozietäten. Das sind Zusammenschlüsse, die im Innenverhältnis wie eine reine Bürogemeinschaft zusammenarbeiten, nach außen hin aber wie eine Sozietät (GbR) auftreten und daher auch im Außenverhältnis die für die GbR geltenden berufsrechtlichen Regelungen einhalten müssen. In diesen Scheinsozietäten sind die notwendigen Maßnahmen bisher ebenfalls häufig nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Daher sollten Berater, die im Innenverhältnis getrennt arbeiten, nach außen aber gemeinschaftlich auftreten, dringend prüfen, ob eine Scheinsozietät vorliegt und welche Maßnahmen sie umsetzen müssen.

     

    PRAXISTIPP | Jede Sozietät sollte prüfen, ob und inwieweit die notwendigen Maßnahmen bereits umgesetzt worden sind. Die GbR muss

    • eine hinreichende Berufshaftpflichtversicherung abschließen bzw. einen bereits bestehenden Versicherungsschutz anheben,
    • mit jedem Mandanten eine Änderung der AAB bzw. neue AAB mit der erhöhten Summe der Haftungsbeschränkung vereinbaren, sofern sie ihre Haftung bisher bereits durch AAB gegenüber ihren Mandanten beschränkt hat,
    • beachten, dass die Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung in AAB nur wirksam ist, wenn der Versicherungsschutz in der entsprechenden Höhe besteht.

     

    Möglicherweise seit dem 1.8.22 in der Haftungsabsicherung entstandene Lücken sollten so zeitnah wie möglich geschlossen werden. Der Versicherungsschutz (mit dem Versicherer) sollte möglichst rückwirkend zum 1.8.22 vereinbart werden. Soweit möglich, sollte auch bei der Vereinbarung der AAB mit Haftungsbeschränkung (mit dem Mandanten) eine rückwirkende Vereinbarung ab dem 1.8.22 erfolgen. Eine solche rückwirkende Vereinbarung ist grundsätzlich zulässig, kann im Einzelfall aber auch problematisch sein. Auf jeden Fall ist dazu eine ausdrückliche Vereinbarung mit dem Mandanten nach entsprechender Aufklärung notwendig.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 102 | ID 49948674