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  • · Fachbeitrag · Editorial AK 01/23

    „Die Neuregelung ist nur mit einem Recht auf Videoverhandlung sinnvoll!“

    | Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, bereits vor genau einem Jahr hatte ich mich in der AK-Ausgabe 1/2022 mit der Ausweitung der Videoverhandlungen gemäß § 128a ZPO auseinandergesetzt. Ich war dafür, ein Recht der beteiligten Parteien auf eine Videoverhandlung zu schaffen. Jetzt hat das BMJ einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Erleichterung der Videoverhandlung mit den folgenden Eckpunkten vorgelegt (zum Zivilprozess: iww.de/s7362 ; zum Strafprozess: iww.de/s7363 ): |

     

    • Der Vorsitzende soll die Möglichkeit haben, gegenüber einzelnen oder allen Beteiligten eine Teilnahme im Wege der Bild- und Tonübertragung anzuordnen. Haben dies beide Parteien beantragt, kommt es zu einer Soll-Regelung.
    • Lehnt der Vorsitzende einen Antrag ab, ist der Beschluss zu begründen und mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
    • Ordnet der Vorsitzende eine Teilnahme per Videoverhandlung an, können die Parteien beantragen, sie von dieser Anordnung auszunehmen. Das Gericht muss einem solchen Antrag entsprechen.
    • Der Vorsitzende soll es außerdem auch Beisitzern ermöglichen können, sich während der Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten.
    • Nehmen alle Beteiligten im Wege der Bild- und Tonübertragung teil, soll das Gericht die Möglichkeit haben, die Verhandlung von einem anderen Ort als dem Gerichtssaal aus zu leiten. Damit würde zum ersten Mal eine echte „Online-Verhandlung“ ermöglicht. Um die Öffentlichkeit sicherzustellen, ist die Verhandlung „public-viewing“-ähnlich in einen Raum im Gericht zu übertragen.

     

    Diese Punkte werden in der Praxis m. E. eher für Mehrarbeit als für Verbesserungen sorgen. Denn z. B. um die Frage des Ermessens wird es sicher heftige Auseinandersetzungen geben. Immer noch wollen viele Richter keine Videoverhandlungen durchführen, selbst wenn es um reine Rechtsfragen geht.

     

    Der Gesetzentwurf greift auch zu kurz, indem er eine Soll-Regelung nur vorsieht, wenn beide Parteien die Videoverhandlung beantragen. Dies würde in der Praxis Rechtsanwälte vor Ort deutlich besserstellen gegenüber Kollegen, die anreisen müssten. Sie haben die Möglichkeit, eine Videoverhandlung zu „torpedieren“. Die Neuregelung wäre also nur sinnvoll, wenn der Antrag einer Partei ausreicht und darüber per (auch wirklich anfechtbarem) Beschluss entschieden wird.

     

    Vielleicht sollte man tatsächlich einen Schritt weitergehen? Wie wäre es mit einem Recht auf Videoverhandlung, wenn jede Partei mit ihrem Anwalt die Möglichkeit erhielte, selbst zu entscheiden, wie sie an der Verhandlung teilnehmen möchte. Nur in Ausnahmefällen könnte das Gericht dann per (anfechtbarem) Beschluss die Anwesenheit im Gerichtssaal verlangen.

     

    Mit besten kollegialen Grüßen

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 01 / 2023 | Seite 2 | ID 48867995