· Fachbeitrag · Editorial AK 02/23
Aus Haftungsgründen sollte jeder Rechtsanwalt immer „vollständig“ signieren
| Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, seit gut einem Jahr besteht nun für Sie die Pflicht, den elektronischen Rechtsverkehr aktiv zu nutzen. Die meisten von Ihnen setzen dafür das beA ein, das seither ständig verbessert wird. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen dazu, ob und wie Sie diesen Weg sicher nutzen und welche Anforderungen an die sichere Übermittlung gestellt werden. |
Neben der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) gibt es die Übermittlung auf dem sicheren Übertragungsweg „beA“, wenn der Rechtsanwalt seine beA-Karte selbst nutzt und das übermittelte Schreiben eine einfache Signatur ausweist. Als einfache Signatur reicht es aus, wenn der Rechtsanwalt ‒ und zwar unabhängig davon, ob er Einzelanwalt ist oder nicht ‒ unter dem Schriftsatz seine eingescannte Unterschrift und seinen Namen anbringt.
Bisher war für einen Einzelanwalt außerdem die Unterschrift „Rechtsanwalt“ als einfache Signatur anerkannt. Doch hier geht jetzt das OVG Hamburg (12.8.22, 6 Bs 57/22) aus erstaunlichen Gründen davon aus, dass dies nicht mehr genügt. Vielmehr müsse entweder der vollständige Name oder eine Unterschrift angebracht sein. Denn aus der Bezeichnung „Rechtsanwalt“ folge für sich genommen noch nicht zweifelsfrei, dass diese Person als Einzelanwalt tätig ist und keine weiteren Rechtsanwälte in der Kanzlei angestellt sind oder freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Davon abgesehen, könne sich ein Einzelanwalt in einer Fristsache unter seinem eigenen Briefkopf vertreten lassen, um eine anwaltliche Vertretung in Fristsachen sicherzustellen.
Diese Begründung kann meines Erachtens überhaupt nicht überzeugen: Wenn ein Einzelanwalt ohne irgendeinen Zusatz tätig ist, ist davon auszugehen, dass er selbst die Schriftsätze verfasst. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Übermittlung des Schriftsatzes auf einem sicheren Übertragungsweg mit der Karte des Rechtsanwalts stattgefunden hat. Alles andere sind bloße Vermutungen des OVG-Senats, die wenig anwaltsfreundlich sind. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier besondere Hürden aufgebaut werden sollen, die ein unberechtigtes Grundmisstrauen in die anwaltliche Tätigkeit zeigen.
Aus Haftungsgründen bedeutet dies für mich: Jeder Rechtsanwalt sollte immer mit einer gescannten Unterschrift und seinem vollständigen Namen signieren. Ansonsten trägt er das Risiko, dass Klageschriften und Rechtsmittel als unzulässig verworfen werden.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff