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  • · Fachbeitrag · Editorial AK 09/22

    Rechtsgewährung könnte so einfach sein, wenn alle dies wollen!

    | Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Rechtsgewährung könnte eigentlich so einfach sein, wenn alle Beteiligten dies wollen. Doch die Erfahrung zeigt, dass Rechtsanwälte im Justizbetrieb manchmal geradezu als störend empfunden werden und Gerichte ihnen und den Mandanten immer wieder Steine in den Weg legen. Dazu zwei extreme Beispiele aus dem „anwaltlichen Alltag“: |

     

    Die Wettervorhersagen werden immer genauer. Die Warnungen etwa des Deutschen Wetterdienstes sind daher für Reiseplanungen von zunehmender Bedeutung. Denn wer möchte schon mit Ansage z. B. im Bahnverkehr steckenbleiben, wenn die Unwetterwarnung zutrifft oder die Deutsche Bahn den Zugverkehr, wie in diesem Jahr schon mehrfach geschehen, vorsorglich einstellt? Es ist in solchen Fällen durchaus ratsam, eine Reise nicht anzutreten.

     

    Doch das gilt keineswegs auch für Anwälte! Als nämlich für den 17.2.22 der Sturm „Ylenia“ angekündigt wurde und es eine offizielle Wetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes gab, beantragte ein Kölner Rechtsanwalt am Vormittag beim VG Düsseldorf die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung an demselben Tag. Das VG lehnte dies unter anderem mit der Begründung ab, „dass die Zuwegungen zum Gericht frei seien“. Das Gericht verhandelte und entschied also in Abwesenheit des Kollegen. Der rief das OVG Münster an und beantragte ‒ mit Erfolg ‒ die Zulassung der Berufung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs des Mandanten.

     

    Das VG hätte angesichts der konkreten Warnungen dem Verlegungsantrag stattgeben müssen, Naturkatastrophen seien als Verlegungsgrund anerkannt (8.3.22, 18 A 486/22). Das OVG Münster führte insofern aus: „Nach alledem musste das öffentliche Interesse an einer Durchführung der mündlichen Verhandlung ... vor dem Schutz von Leben und Gesundheit der Prozessbeteiligten und ihrer Prozessbevollmächtigten (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und der Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zurücktreten.“ Das OVG veröffentlichte diesen Beschluss selbst! Deutlicher kann eine Rüge gegenüber Richterkollegen kaum ausfallen.

     

    Das zweite Beispiel betrifft die Gewährung von Beratungs- und Prozesskostenhilfe als wesentlichem Bestandteil unseres Rechtsstaats. Trotz der geringen Vergütung übernehmen viele Kollegen solche Mandate. Doch manche Gerichte sehen Anträge auf die Gewährung der Beratungshilfe grundsätzlich als mutwillig an. Dazu ist eine aktuelle Entscheidung des BVerfG lesenswert (4.4.22, 1 BvR 1370/21), wonach das AG Kaufbeuren zu Unrecht einem Bürger die Beratungshilfe für die Überprüfung von Bescheiden des Jobcenters verwehrt hat. Das AG habe die Reichweite der Rechtswahrnehmungsgleichheit verletzt, die aufgeworfenen Rechtsfragen seien schwierig und der Verweis auf das Jobcenter zur Überprüfung sinnlos, weil die Behörde die Bescheide selbst erlassen habe. Auch das BVerfG hob diesen Beschluss mit einer eigenen Pressemitteilung besonders hervor!

     

    Mit besten kollegialen Grüßen

     

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 09 / 2022 | Seite 1 | ID 48528182