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  • · Fachbeitrag · Editorial AK 10/2023

    Falsche Entscheidungen von nicht eingearbeiteten Jungrichtern beschädigen das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung

    | Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kritik von Richtern untereinander, auch von oberen Richtern an einer Entscheidung der unteren Instanz, wird in der Regel in wohlgesetzten Worten verpackt. Deutliche Richterschelte hingegen ist selten. Doch jetzt lässt ein aktueller Leitsatz des OLG Celle aufhorchen. |

     

    Denn das Gericht hatte Folgendes beschlossen (19.6.23, 6 W 65/23): „Dem Senat drängt sich seit Jahren zunehmend der Eindruck auf, dass die vom Land Niedersachsen genutzte Möglichkeit der weitestmöglichen Übertragung von Nachlassangelegenheiten auf den Rechtspfleger (§§ 16, 19 RPflG) dazu geführt hat, dass insbesondere bei den kleineren Amtsgerichten nur noch wenige, dann aber häufig schwierige Nachlasssachen von Richtern zu bearbeiten sind, was zwischenzeitlich auch dazu geführt hat, dass in Abweichung von der früher verbreiteten Praxis immer seltener Amtsgerichtsdirektoren die Nachlasssachen bearbeiten, sondern, wie hier, aufeinander folgend Richter auf Probe, denen es jedenfalls im konkreten Fall an Grundkenntnissen des materiellen Erbrechts und des Verfahrensrechts ebenso zu fehlen scheint wie an der Bereitschaft, sich diese Kenntnisse zu verschaffen, was zu Entscheidungen führt, die das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung zu beschädigen geeignet sind (konkret: Erteilung ‒ nicht beantragter ‒ richterlicher Erbscheine, hier u. a. mit dem Inhalt: Die Beteiligte zu 1 ‚hat den gesamten Nachlass des Erblassers beerbt, mit Ausnahme des Anteils des Erblassers des Grundbesitzes sowie der Guthabenbeträge auf der Bank.‘ Der Beteiligte zu 2 „beerbt den Erblasser bezüglich dessen Guthabenbeträge auf der Bank sowie seines Anteils an dem Grundbesitz).“

     

    Liest man den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der beiden betroffenen Entscheidungen des AG Walsrode, muss man der OLG-Kritik zustimmen. Denn die beiden Proberichter des Erbscheinsverfahrens hatten wirklich wenig Ahnung vom Erbrecht. Beiden scheint der Grundsatz der Universalsukzession nicht einmal im Ansatz bekannt gewesen zu sein. Sonst hätten sie die entsprechenden Erbscheine nicht erlassen dürfen.

     

    Doch die OLG-Richter werfen auch zu Recht einen Blick auf die Probleme beim Einsatz von Proberichtern. Entgegen aller Beteuerungen der Justiz werden solche oft in Dezernaten eingesetzt, in die sie noch nicht gehören. Früher war es üblich, dass Proberichter erst einmal in Kammern unter Anleitung ihr Handwerkzeug lernen mussten (das in der Referendarausbildung nicht vermittelt wird). Heute werden sie häufig zu schnell dort eingesetzt, wo sie allein und ohne große Hilfe tätig werden müssen. Und die richterliche Unabhängigkeit macht es Gerichtspräsidenten schwer einzugreifen. Doch gerade in den jetzt kommenden Zeiten des Generationenwechsels muss die Justiz einen Weg finden, ihren Nachwuchs gut und sorgfältig auszubilden. Nur so kann sie das hohe Vertrauen in die Justiz erhalten.

     

    Mit besten kollegialen Grüßen

     

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 2 | ID 49693517