· Fachbeitrag · Editorial AK 2/2024
Durchsuchung der Privatwohnung: Wenn Behörden und Gerichte über das Ziel hinausschießen
| Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn Polizei und StA bei einem Mandanten mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür stehen, ist dies für ihn eine sehr schwere Krise. Wir als Anwalt müssen in dieser Situation prüfen, ob der Durchsuchungsbeschluss rechtmäßig war. Unser besonderer Blick richtet sich dabei auf die Verhältnismäßigkeit ‒ vor allem, wenn es um die Durchsuchung einer Wohnung geht, die den Schutz des Art. 13 GG genießt. Und manchmal gewinnen wir hierbei den Eindruck, dass die Ermittlungsbehörden mit „Kanonen auf Spatzen“ schießen. |
So hatten wir es neulich beispielsweise mit einem Durchsuchungsbeschluss zu tun, weil eine Hauskatze entlaufen war und sich die Katze angeblich bei der neuen Besitzerin in deren Wohnung befand. Als Rechtsgrundlage war in dem Beschluss wahlweise (!) ein Diebstahl oder eine Unterschlagung angegeben. In der Akte gab es keinerlei Ausführungen dazu, wodurch das eine oder das andere mögliche Delikt verwirklicht worden sein könnte. Nachdem weder die Katze noch sonst Hinweise auf die Anwesenheit einer Katze in der Wohnung gefunden worden waren, ist das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Das LG hat in seiner Beschwerdeentscheidung das Verhalten der StA und des AG gerade noch gehalten, aber deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme geäußert. Wir sind in der Sache nicht weiter gegangen.
Anders dagegen die Betroffene in einem Fall des Verfälschens von Werbeplakaten im Rahmen einer „Adbusting-Aktion“: Hier beobachten zwei Polizisten sie und eine weitere Person dabei, wie sie ein Bundeswehr-Plakat austauschen wollten. Die Ordnungshüter unterbanden den Versuch, brachten das Originalplakat wieder an und beschlagnahmten das verfälschte Plakat. Als es zu weiteren ähnlichen Aktionen kam, erließ das AG einen Durchsuchungsbeschluss wegen versuchten Diebstahls und Sachbeschädigung. Die Wohnung wurde durchsucht, die ‒ insbesondere auf die Unverhältnismäßigkeit gestützten ‒ Beschwerden dagegen blieben erfolglos. Doch das BVerfG hat der gegen die Beschlüsse eingelegten Verfassungsbeschwerde stattgegeben (5.12.23, 2 BvR 1749/20): Die Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
Das BVerfG kritisiert insbesondere die Unverhältnismäßigkeit der Durchsuchung in Bezug auf den abgeschlossenen Vorgang, bei dem die Betroffene von der Polizei erwischt worden war. Der schwache Anfangsverdacht rechtfertigt hier keine Durchsuchung der Wohnung, auch weil nicht klar war, was eigentlich gefunden werden sollte. Die deutlichen Worte der Verfassungsrichter zeigen auf, dass wir Rechtsanwälte uns vielleicht noch mehr gegen unverhältnismäßig empfundene Durchsuchungen wehren müssen. Nur so wird Behörden und Richtern klar, wie sensibel Durchsuchungsbeschlüsse sind und dass die Voraussetzungen sorgfältig geprüft werden müssen.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff