· Fachbeitrag · Editorial AK 02/2022
Effektiveres, schnelleres, moderneres und praxistauglicheres Recht: Man darf gespannt sein, was die Ampel darunter versteht!
| Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, seit Anfang Dezember 2021 macht sich die neue Ampel-Bundesregierung daran, den umfangreichen ‒ 178 Seiten starken ‒ Koalitionsvertrag mit der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen ‒ Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ umzusetzen. Und was heißt das für die Anwälte? |
Zunächst fällt auf, dass sich die Themen „Recht“ oder „Rechtspolitik“ nicht zusammenhängend im Inhaltsverzeichnis, sondern nur verstreut unter anderen Überschriften wiederfinden. Komplett fehlt die Thematik der Rechtsanwaltsvergütung und deren regelmäßige Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse, obwohl die Lebenshaltungskosten steigen.
Dennoch ist das Programm voll gepackt: Berufspolitisch sollen das Erfolgshonorarverbot „modifiziert“ und das Fremdbesitzverbot „überprüft“ werden. Wir dürfen insofern auf die Vorstellungen des FDP-Justizministers Marco Buschmann gespannt sein, denn erst Ende 2021 hat die RVG-Reform das Erfolgshonorar nur wenig geändert und die BRAO-Novelle hat am Fremdbesitzverbot festgehalten.
An verschiedenen Stellen führt der Koalitionsvertrag aus, dass die Gerichtsverfahren digitaler und schneller werden sollen. Auch Videoverhandlungen sollen weiter unterstützt werden, was dringend notwendig ist (siehe auch: Editorial in AK 1/2022). Dies alles geht aber nur, wenn die Justiz an einheitlichen Systemen arbeitet und den Föderalismus an verschiedenen Stellen hinter sich lässt. Zudem sollen Beweisaufnahmen audio-visuell dokumentiert und noch mehr spezialisierte Spruchkörper geschaffen schaffen. Strafprozesse sollen „effektiver, schneller, moderner und praxistauglicher werden“, ohne allerdings die Rechte der Beschuldigten und deren Verteidigung zu beschneiden. Ein ganzer Block ist dem Familienrecht gewidmet. Hier soll das „kleine Sorgerecht“ für soziale Eltern ausgeweitet und zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickelt werden, das im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere Erwachsenen übertragen werden kann. Insofern wird es erhebliche Änderungen geben und die Tätigkeit als Familienrichter wird immer komplexer. Die für sie geplanten Pflichtfortbildungen sind daher sinnvoll. Doch manch einer wird sich wohl überlegen, ob er sich diesen ganzen Ansprüchen noch stellen will.
In der Justiz sollen die Wahl und die aktuell heftig diskutierten Beförderungsentscheidungen bei den Bundesgerichten „unter den Kriterien Qualitätssicherung, Transparenz und Vielfalt“ reformiert werden.
Für die tägliche Arbeit der Anwaltschaft ist außerdem noch wichtig, dass Gerichtsentscheidungen grundsätzlich in anonymisierter Form in einer Datenbank öffentlich und maschinenlesbar verfügbar sein sollen.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff