· Nachricht · Editorial AK 07/2021
Sind Rechtsanwälte noch „Organ der Rechtspflege“?
von RA Martin Huff, Geschäftsführer der RAK Köln, LLR Rechtsanwälte Köln
| Liebe Kolleginnen und Kollegen, besondere Rechte und besondere Pflichten und nun auch Sonderopfer ohne Begründung? Die Stellung der Anwaltschaft als „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ (§ 1 BRAO) wird immer wieder ‒ nicht nur in Festtagsreden ‒ betont. Die Politik verbindet damit gern, dass von den Anwälten nicht unerhebliche Opfer verlangt werden, etwa bei der VKH und PKH und den damit verbundenen niedrigen Gebühren oder warum die anwaltliche Vergütung gerade nicht an die tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden muss. Selbst das Verbot des Erfolgshonorars für Anwälte wird damit begründet. |
Dass der Staat die Anwälte im gesellschaftlichen Gefüge vergisst oder zum Teil sogar bewusst ignoriert, ist seit März 2020 mit dem Beginn der Coronapandemie besonders deutlich geworden. So musste die Anwaltschaft zunächst mit Druck durchsetzen, dass sie überhaupt „als systemrelevant“ angesehen wurde. Das Einschalten eines Rechtsanwalts und die Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs sah die Politik nicht als vorrangig an.
Als es dann um die Priorisierung und die Schaffung von Impfgruppen ging, war in der Gruppe 3 zunächst nur von der Justiz, nicht aber von den Anwälten die Rede. Nun nennt die Bundesverordnung die „Rechtspflege“ ‒ erst in den Erläuterungen findet sich die Bemerkung, dass darunter auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu verstehen sind.
Den Vogel abgeschossen hat schließlich das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) im Gegensatz zu anderen Bundesländern (AK 21, 76). Anders als z. B. Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz hat NRW die Impfgruppe 3 nicht insgesamt oder für alle Berufsgruppen aus „Justiz und Rechtspflege“ geöffnet, sondern nur für die Justiz von Richtern und Staatsanwälten über alle Geschäftsstellenmitarbeiter bis hin zu allen Referendaren. Die Anwälte sind (bis zum Wegfall der Impfpriorisierung!) bewusst und gewollt herausgenommen. Die Frage nach dem Grund durch die Kammerpräsidenten aus Düsseldorf, Hamm und Köln wurde von dem Ministerpräsidenten gar nicht beantwortet und der Justizminister blieb im Landtag vage.
Das VG Gelsenkirchen meinte dazu ausdrücklich (21.5.21, 2 L 664/21): „Wird in einer Impfgruppe differenziert, muss dies inhaltlich begründet werden.“ Es müsse dargelegt werden, warum die Mitarbeiter der Geschäftsstelle im Homeoffice oder Registerrichter die Impfmöglichkeit erhalten, der Rechtsanwalt, der im Straf- und Arbeitsrecht Gerichtstermine wahrnehmen muss, dagegen nicht.
Dies alles zeigt: Mit der besonderen Stellung der Anwälte ist es nicht (mehr) weit her. Dies sollten alle betroffenen Anwältinnen und Anwälte wahrnehmen und sich wohl häufiger und deutlicher als bisher wehren.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff