· Fachbeitrag · Editorial AK 06/2022
So kann man nicht mit einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten umgehen!
| Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor fast genau einem Jahr habe ich schon einmal in meinem AK-Editorial § 1 BRAO und die Stellung des Rechtsanwalts als „unabhängiges“ Organ der Rechtspflege in Pandemiezeiten bemüht. Nach wie vor ist nicht klar bestimmt, was „Organ der Rechtspflege“ genau bedeutet. Auf jeden Fall aber können wir festhalten: Rechtsanwälte sind die berufenen Vertreter der Mandanten, insbesondere auch gegenüber Behörden und gegenüber der Justiz. |
Die Justiz bringt uns insofern das gewisse Vertrauen entgegen, dass wir unsere anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der geltenden Gesetze ausüben und uns rechtmäßig verhalten. Für mich bedeutet dies, dass wir auch nur dann für einen Mandanten tätig werden, wenn uns dieser einen entsprechenden Auftrag erteilt hat. Genau dies bringt die übliche Formulierung „Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Vollmacht wird anwaltlich versichert“ zum Ausdruck.
In der Regel akzeptiert die Justiz diese Erklärung als ordnungsgemäße Bevollmächtigung, wenn sich aus dem anwaltlichen Schreiben ergibt, dass die entsprechende Korrespondenz vorliegt. Jeder von uns weiß zudem, wie schwierig es manchmal ist, tatsächlich eine „Originalvollmacht“ zu erhalten. Bei vielen Bürgern ist heutzutage das Verständnis für ein Original gar nicht mehr vorhanden ‒ nach der laienhaften Vorstellung reicht ein Scan aus.
Doch ein aktuelles Verfahren vor dem BVerfG zeigt, dass manche Richter dies ganz anders sehen und Rechtsanwälten das Leben schwer machen können (18.2.22, 1 BvR 305/21, s. Beitrag auf S. 93 der aktuellen AK-Ausgabe 6/2022). In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein OVG eine Prozessvollmacht angefordert und dafür ungewöhnlicherweise eine sehr kurze Frist von nur einer Woche gesetzt. Trotz bekannter Probleme bei der Post verwarf das OVG den Antrag des Anwalts als unzulässig, weil die Vollmacht nicht (rechtzeitig) vorgelegt worden sei.
Dies war dem BVerfG zu viel. Insofern lohnt sich die Lektüre der Rn. 17 und 18 des Beschlusses, die mehr als eine deutliche Ohrfeige für die OVG-Richter ist. So kann man nicht mit einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten umgehen!
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff