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    Parship: Verbraucherschutzzentrale unterliegt, BGH billigt Wertersatzberechnung

    Bild: © pinonepantone - stock.adobe.com

    von Martin Rätze, Trusted Shops GmbH, Köln

    | Bereits mehrfach mussten sich Gerichte mit der Art der Berechnung des Wertersatzanspruchs von Parship beschäftigen. Das OLG Hamburg (2.3.17, 3 U 122/14) sah in der von Parship zugrunde gelegten Berechnungsmethode kein Problem. Der BGH (30.11.17, I ZR 47/17, Abruf-Nr. 199065 ) hat diese Auffassung nun bestätigt. |

    1. Zulässig: Wertersatz an Anzahl der Kontakte geknüft

    Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Kläger war eine Verbraucherzentrale, Beklagte war die Betreibergesellschaft Parship. Um das Angebot von Parship vollständig nutzen zu können, muss der Nutzer eine Premium-Mitgliedschaft abschließen. Die Laufzeit einer Premium-Mitgliedschaft kostete im Jahr 2013 für 6 Monate 329,40 EUR, für 12 Monate 478,80 EUR und für 24 Monate 717,60 EUR. Die Premium-Mitgliedschaft ermöglicht es den Mitgliedern, mit jedem anderen Premium-Mitglied über die Plattform Kontakt aufzunehmen. Bei sechsmonatiger Mitgliedschaft werden fünf und bei zwölfmonatiger Mitgliedschaft sieben Kontakte garantiert. Werden die garantierten Kontakte nicht erreicht, verlängert sich die Mitgliedschaft unentgeltlich; bei zwölfmonatiger Mitgliedschaft beispielsweise um weitere sechs Monate.

     

    In der Widerrufserklärung weist Parship darauf hin, dass es sich bei Widerruf die Einforderung eines Wertersatzes vorbehält. Es folgt eine Erklärung, welche Beträge für welche Leistungen als Wertersatz geltend gemacht werden. Vor dem Abschluss des Vertrags muss der Nutzer des Weiteren ausdrücklich anklicken, dass er damit einverstanden ist, dass Parship vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausübung der beauftragten Dienstleistung beginnt und ihm bekannt ist, dass er im Fall des Widerrufs einen Wertersatz für die bereits erbrachten Dienstleistungen leisten muss. Nach einem Widerruf wird dem Nutzer durch automatisiertes Schreiben der Beklagten der zu zahlende Wertersatz mitgeteilt.

     

    • Schreiben an Nutzer nach Widerruf

    Sehr geehrter Herr A …,

    vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich bedauere Ihre Entscheidung, Parship nicht länger nutzen zu wollen. Im Rahmen Ihrer Premium-Mitgliedschaft garantieren wir Ihnen eine bestimmte Anzahl an Kontakten. Diese Kontakte sind gemäß der von Ihnen bei der Bestellung akzeptierten Widerrufsbelehrung und den darin enthaltenen Regelungen zum Wertersatz zu erstatten. Wir berechnen Ihnen also folgenden Wertersatz:

     

    Ihr Produktpreis

    269,40 EUR

    Laufzeit Ihres Produkts (Monate)

    6

    laufzeitbezogene garantierte Kontakte

    5

    davon zustande gekommene Kontakte

    13

    bereits von Ihnen gezahlt

    51,90

    verbleibende Forderung

    150,51

     

     

     

    MERKE | Parship berechnet den Wertersatz, indem es den Produktpreis durch die Anzahl der in Anspruch genommenen Kontakte im Verhältnis zur Zahl der garantierten Kontakte dividiert (≤ 1) und das Ergebnis mit 0,75 multipliziert. Maximal zahlt ein Nutzer bei erfolgreichem Widerruf mithin 75 Prozent des vertraglich vereinbarten Gesamtpreises.

     

    Die Verbraucherzentrale ist der Meinung, diese Art der Berechnung des Wertersatzes sei irreführend: Die Hauptleistung sei die Bereitstellung der Plattform, nicht die Partnervermittlung im klassischen Sinne. Daher habe Parship schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Wertersatz. Es leiste keine unter Billigkeitsgesichtspunkten zu ersetzenden Aufwendungen in den ersten vierzehn Tagen. Das Widerrufsrecht verliere seinen Sinn, wenn der Verbraucher trotz geltend gemachten Widerrufs bei einem Vertrag wie dem vorliegenden bis zu 75 Prozent des Gesamtpreises zahlen müsse.

     

    Würde man das Bestehen eines Anspruchs dem Grunde nach bejahen, würde die Beklagte diesen aber falsch berechnen. Es müsste eine Berechnung nach zeitanteiliger Zurverfügungstellung der Plattform erfolgen. Der Wertersatz habe sich am objektiven Wert der Leistung zu berechnen.

    2. Verkehrsverständnis, Irreführung und Meinungsfreiheit

    Das Gericht folgte der Auffassung der Verbraucherzentrale nicht und wies die Klage ab.

     

    Nach Auffassung der Verbraucherschutzzentrale kann der Verbraucher die E-Mail mit der Berechnung des Wertersatzes nur so verstehen, dass er verpflichtet ist, für die vor dem Widerruf erfolgte Nutzung der Dienste ein an der vertraglich vereinbarten Nutzungspauschale gemessen überproportionales Reuegeld zu zahlen. Überproportional sei ein Wertersatz, der in der Höhe über dem Wertersatz liege, den eine bezogen auf die Gesamtlaufzeit zeitanteilige Berechnung ergäbe.

     

    Der Senat teilt diese Annahme des Klägers zum Verkehrsverständnis nicht. Der Verbraucher kann der E-Mail entnehmen, dass die Beklagte den geltend gemachten Wertersatz mit Hilfe der garantierten Kontakte berechnet. Er entnimmt der E-Mail jedoch nicht, dass der so berechnete Wertersatz den Wertersatz übersteigt, der bei einer zeitanteiligen Berechnung vom Tag der ersten Nutzungsgewährung bis zum Tag des Zugangs der Widerrufserklärung geschuldet wäre. Die E-Mail teilt den Verbrauchern den als Gesamtbetrag zu zahlenden Wertersatzbetrag mit, ein Rechenweg fehlt. Insbesondere wird nicht ersichtlich, warum Parship einen Abzug von einem Viertel des vertraglich vereinbarten Gesamtpreises macht. Um die Berechnungsmethode nachvollziehen zu können, muss der Verbraucher eigene Nachforschungen durchführen. Aus der E-Mail wird jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Berechnung eine zeitanteilige Berechnung des Wertersatzes übersteigt.

     

    Weiter entschied der Senat, dass der Anspruch nicht besteht, weil die Äußerung in der E-Mail von Parship die Äußerung einer Rechtsansicht sei. Man kann Parship aber nicht verbieten, diese Rechtsansicht zu äußern. Denn Äußerungen einer Rechtsmeinung sind Äußerungen von Werturteilen und unterliegen der Meinungsfreiheit. Solche reinen Werturteile unterfallen grundsätzlich nicht dem Irreführungstatbestand. Zwar ist eine Irreführung durch Werturteile nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn sie erkennbar auf Tatsachen beruhen, sich also Richtigkeit oder Unrichtigkeit objektiv nachprüfen lässt oder wenn sie einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthalten. Diese Voraussetzungen für eine Irreführung i.S. des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG sind vorliegend aber nicht erfüllt.

     

    Der Kläger begehrt aber nicht nur das an einer konkreten Verletzungsform orientierte Verbot einer Wertersatzforderung nach der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung, es stellt auch gleich die richtige Berechnung der Wertersatzforderung vor. Bei der „richtigen“ Wertersatzforderung darf der der Wertersatz keinesfalls den Wertersatz bei einer zeitanteiligen Berechnung pro rata temporis übersteigen. Das aber der Wertersatzanspruch nur so berechnet werden muss, kann nicht festgestellt werden.

     

    Das OLG Hamburg hatte die Revision nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung legte die Verbraucherzentrale Nichtzulassungsbeschwerde ein. Diese wurde nun vom BGH (30.11.17, I ZR 47/17) durch Beschluss zurückgewiesen. In der Begründung heißt es knapp: „Die Vorschriften des Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.11 über die Rechte der Verbraucher und des § 358 Abs. 8 BGB ergeben keinen Anhaltspunkt, dass die von der Klägerin verlangte ausschließlich zeitanteilige Abrechnung vorgegeben ist. Vernünftige Zweifel an der Würdigung durch das Berufungsgericht bestehen nicht“. Die Entscheidung des OLG Hamburg ist damit rechtskräftig.

    3. Stärkung der Unternehmen

    Es gibt zahlreiche Dauerschuldverhältnisse, bei denen die Hauptleistung am Anfang der Vertragslaufzeit erbracht wird und die anschließende Nutzungszeit auf dieser ersten Hauptleistung beruht. Das Gesetz kennt keine Verpflichtung zur Berechnung eines zeitanteiligen Wertersatzes nach Widerruf. Daher ist es zu begrüßen, dass auch der BGH hier keine Veranlassung sah, dem Unterlassungsanspruch stattzugeben. Eine nur zeitanteilige Berechnung widerspricht wirtschaftlichen Gegebenheiten und würde im Endeffekt nur dazu führen, dass die Preise insgesamt steigen, weil das Ausfallrisiko für den Unternehmer steigen würde.

    Quelle: ID 45134408