· Fachbeitrag · Editorial AK 5/2024
Immer wieder geht es um den beA-Nutzungszwang ‒ auch im anwaltlichen Verkehr
| Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Urteil des OLG Hamm vom 22.2.24 (22 U 29/23 ) sorgt zurzeit innerhalb der Anwaltschaft für eine gewisse Aufmerksamkeit, weil es wieder einmal um die Frage der Nutzung des beA geht ‒ dieses Mal allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Zugang von Schriftsätzen bei Gerichten, sondern im anwaltlichen Verkehr. |
Gestritten wurde um die Frage, wann eine Zwei-Wochen-Frist nach § 177 Abs. 2 BGB beginnt. Die entsprechende Aufforderung hatte der Prozessbevollmächtigte der einen Seite an die Prozessbevollmächtigte der anderen Seite am 5.3.21 irgendwann innerhalb der üblichen Geschäftszeiten per beA versandt. Sie war auch auf dem Server der Kanzlei eingegangen. Nach Auffassung des Auffordernden hatte damit die Frist an diesem Tag begonnen und die Genehmigung sei erst nach dem Ablauf der Frist eingegangen. Dagegen wehrte sich die betroffene Partei heftig: Sie sei nicht verpflichtet gewesen, während der Bürozeiten den beA-Posteingang zu kontrollieren. Die Benachrichtigungs-Mail über einen Posteingang sei erst sehr viel später, außerhalb der Bürozeiten, erfolgt. Das sahen wiederum die Richter in Hamm anders.
Doch ist dies wirklich neu und besonders diskussionswürdig? Meines Erachtens ist hier mit einem klaren „Nein“ zu antworten. Denn die Auffassung des OLG Hamm stellt eigentlich nur eine Anwendung der bisherigen Grundsätze der Rechtsprechung klar, die schon zum Briefeinwurf, Telefax und Zugang einer E-Mail ergangen ist. So hatte der BGH (6.10.22, VII ZR 895/21) klar formuliert: „Wird eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich.“
Warum dies nun beim beA anders sein soll, ist in keiner Weise ersichtlich. Insbesondere überträgt der BGH in ständiger Rechtsprechung die bisherigen Zugangsgrundsätze auf das beA. Die Diskussion verwechselt den Zugang auf dem Server und die Frage, wann der Anwalt ein Empfangsbekenntnis abgeben muss. Dies sind zwei unterschiedliche Rechtsfragen, denn das Empfangsbekenntnis geht von einer persönlichen Kenntnisnahme des Anwalts aus ‒ wann es per Post oder per beA eingegangen ist, ist hier nicht entscheidend.
Erstaunlich war übrigens das Argument der betroffenen Rechtsanwältin, dass sie sich auf die Benachrichtigungsmail des beA-Systems hätte verlassen dürfen, die immer erst Stunden später nach dem Eingang erfolgte. Zum einen stimmt diese Aussage nach meiner Erfahrung nicht. Zum anderen kommt bei mir die Benachrichtigungsmail zeitgleich an ‒ sich darauf zu verlassen, ist geradezu fahrlässig. Und unterm Strich halte ich fest: Aufregend ist das Urteil des OLG Hamm nicht.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff