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  • · Fachbeitrag · Elektronischer Rechtsverkehr

    Kanzleiorganisation und beA in Coronazeiten

    von Ilona Cosack, ABC AnwaltsBeratung Cosack, Mainz, https://bea-abc.de

    | Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Coronazeiten haben auch die Arbeitsweise von Anwälten und Mitarbeitern „quasi über Nacht“ verändert. Um zu vermeiden, dass die Kanzlei von Quarantäne betroffen ist, wird z. B. in zwei Schichten gearbeitet und werden Aufgaben ‒ soweit möglich ‒ vom Homeoffice aus erledigt. AK gibt Ihnen einen Überblick, welche weiteren Vorkehrungen Sie treffen können, um den Kanzleibetrieb aufrechtzuerhalten, und wie auch das beA Sie dabei unterstützen kann. |

    1. Arbeitsfähigkeit der Kanzlei aufrechterhalten

    Prüfen Sie, je nach Anzahl der Personen, die in der Kanzlei tätig sind, wie Sie z. B. in einem Zwei-Schicht-System arbeiten können. Damit gewährleisten Sie, dass bei einer Infektion in einer Gruppe, in der alle Personen in Quarantäne müssen, die andere Gruppe weiterarbeiten kann. Erstellen Sie einen Notfallplan, damit Sie für jede Person, die ausfällt, einen Vertreter parat haben. Sind Sie Einzelanwalt ohne Mitarbeiter, sollten Sie vorsorglich einen Vertreter Ihres Vertrauens suchen, der sich ggf. in einer vergleichbaren Situation befindet. Dazu hat der BGH entschieden:

     

    • a) Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z. B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen treffen. Durch konkrete Maßnahmen im Einzelfall muss sich der Rechtsanwalt allerdings nur dann vorbereiten, wenn er einen solchen konkreten Ausfall vorhersehen kann.

     

    • b) Ein Rechtsanwalt muss, wenn er unvorhergesehen erkrankt, nur das, aber auch alles zur Fristwahrung unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist. Die fristwahrenden Maßnahmen eines unvorhergesehen erkrankten Einzelanwalts ohne eigenes Personal können sich darin erschöpfen, die Vertretung, für die er zuvor im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Vorkehrungen für Verhinderungsfälle Vorsorge zu treffen hatte, zu kontaktieren und um die Beantragung einer Fristverlängerung zu bitten. Für die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags ist deshalb die Darlegung und Glaubhaftmachung notwendig, dass aufgrund der Erkrankung selbst diese Maßnahme nicht möglich oder zumutbar war bzw. ‒ bei pflichtgemäßem Treffen der allgemeinen Vorkehrungen ‒ gewesen wäre.
     

    2. Welche Aufgaben übernimmt der Vertreter?

    Der Vertreter kann zumindest sicherstellen, dass alle Fristen eingehalten werden und ‒ soweit gesetzlich zulässig ‒ auch Fristverlängerungsanträge stellen. Gewähren Sie Ihrem Vertreter einen ‒ im Idealfall zeitlich unbegrenzten Zugang ‒ zu Ihrem beA, damit gewährleistet ist, dass Nachrichten zur Kenntnis genommen und elektronische Empfangsbekenntnisse (eEB) abgegeben werden können. Sollten Sie gezwungenermaßen mehr als eine Woche von der Kanzlei abwesend sein, müssen Sie nach § 53 BRAO für eine Vertretung sorgen.

     

    a) Vertreter über die Rechtsanwaltskammer bestellen

    Wenn Sie die Bestellung Ihres Vertreters über Ihre Rechtsanwaltskammer (RAK) beantragen, erhält der Vertreter automatisch einen Zugang zu Ihrem beA und bekommt das Recht Nr. 01 „Nachrichtenübersicht öffnen“. Darüber hinaus ist aus dem Bundesweiten Amtlichen Rechtsanwaltsverzeichnis (rechtsanwaltsregister.org) öffentlich ersichtlich, dass ein Vertreter bestellt ist. Die Vertretung gilt für alle Verhinderungsfälle, die während eines Kalenderjahrs eintreten, und muss bei Bedarf im nächsten Jahr erneuert werden.

     

    PRAXISTIPP | Alle weiteren Rechte müssen Sie selbst hinzufügen, damit Ihr Vertreter mit Ihrem beA arbeiten kann.

     

    b) Vertreter selbst im beA hinzufügen

    Innerhalb der Kanzlei oder wenn die Vertretung von einem derselben RAK angehörenden Rechtsanwalt übernommen wird, können Sie den Vertreter selbst im beA hinzufügen:

     

    • Melden Sie sich dazu an Ihrem beA an und wechseln Sie auf „Einstellungen > Postfachverwaltung > Benutzerverwaltung“.

     

    • Klicken Sie dann auf „Suche“ und „Benutzer mit Postfach“. Geben Sie bei Vorname und Name die Daten des Vertreters ein und klicken Sie auf „suchen“. Dann wird Ihnen unten der Vertreter angezeigt. Achten Sie darauf, dass der rechts angezeigte Status auf „vollständig aktiv“ lautet. Wenn dort „vorbereitet aktiv“ steht, hat sich der Kollege noch nicht an seinem beA registriert und kann dann noch nicht als Vertreter tätig werden.

     

    • Klicken Sie auf den Namen des Kollegen und dann oben auf den Button „Als Mitarbeiter zuordnen“ (beA erkennt, dass dies ein Anwalt ist). beA vergibt automatisch das Recht Nr. 01 „Nachrichtenübersicht öffnen“. Alle weiteren Rechte müssen Sie selbst vergeben.

     

    c) Welche Rechte bekommt der Vertreter?

    Vergeben Sie in jedem Fall die Rechte Nr. 03 „Nachricht erstellen“, Nr. 05 „Nachricht versenden“ und Nr. 06 „Nachricht öffnen“.

     

    Je nach Kanzleiorganisation ist auch das Recht Nr. 07 „Nachricht exportieren/drucken“ sinnvoll, sofern Sie über keinen Mitarbeiter verfügen, der das erledigen kann. Beachten Sie, dass ein Ausdruck allein nicht genügt. Sie müssen also mit dem Vertreter festlegen, wohin der Export der Dateien erfolgen soll. Die Nachrichten können bis zu 90 Tage im beA verbleiben, sodass ein sofortiger Export im Vertretungsfall nicht zwingend ist. Da beA über die Webanwendung erreichbar ist und der Vertreter über seinen eigenen Computer das beA öffnet, macht ein Export nur Sinn, wenn die Daten in einer Cloud gespeichert werden und der Vertreter Zugang zu dieser Cloud hat.

     

    Das Recht Nr. 08 „Nachricht organisieren“ ist erforderlich, wenn Sie mit Etiketten arbeiten. Sie können dann mit virtuellen und bunten Klebeetiketten Nachrichten markieren und ggf. den Arbeitsablauf strukturieren. Die Rechte Nr. 09 „Nachricht in Papierkorb verschieben“ und Nr. 10 „Nachricht löschen“ wird der Vertreter nur benötigen, wenn ein längerer Ausfall des Anwalts zu erwarten ist.

     

    Bestimmen Sie, ob Ihr Vertreter die Rechte Nr. 11 „Nachricht (persönlich/vertraulich) öffnen“ und Nr. 12 „Nachricht (persönlich/vertraulich) exportieren/drucken“ erhalten soll. Nachrichten persönlich/vertraulich beziehen sich i. d. R. auf die Nachrichten, die von der RAK kommen. Das kann der Kammerreport, aber auch eine Rüge sein. Dann sollte der Vertreter auch die Rechte Nr. 16 „EBs signieren (persönlich/vertrauliche Nachrichten)“ und Nr. 17 „EBs versenden (persönlich/vertrauliche Nachrichten)“ erhalten.

     

    Vergeben Sie in jedem Fall Recht Nr. 13 „EBs signieren“ und Nr. 15 „EBs zurückweisen“. Je nach Kanzleiorganisation kann auch Recht Nr. 14 „EBs versenden“ (falls keine Mitarbeiter vorhanden sind) sinnvoll sein.

     

    PRAXISTIPP | Auch wenn Sie Ihr beA noch nicht aktiv nutzen, muss der Vertreter das eEB mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen, damit das eEB versendet werden kann. Soll der Vertreter auch aktiv Schriftsätze versenden, muss eine einfache Signatur (Namenszug des Vertreters) und eine qeS des Vertreters ohne weitere Zusätze wie i. V., i. A., pro abs. etc. enthalten sein. Der Vertreter muss also über eine beA-Signaturkarte verfügen, die beA-Basiskarte genügt nicht!

     

    Achten Sie darauf, dass ggf. der Sicherheits-Token noch freigeschaltet werden muss: „Einstellungen > Postfachverwaltung > Sicherheits-Token freischalten“. Klicken Sie die angezeigte beA-Karte an und bestätigen Sie mit Ihrer PIN-Eingabe, dass diese Rechte vergeben werden sollen.

     

    d) Vertretung beenden/Rechte entziehen

    Soll die Vertretung beendet werden, geht das ganz einfach: „Einstellungen > Postfachverwaltung > Benutzerverwaltung“. Wählen Sie den Namen des Vertreters aus und klicken Sie auf „Rechte-Zuordnungen eines Benutzers verwalten“. Wenn Sie einzelne Rechte entziehen wollen, klicken Sie auf das jeweilige Recht und dann auf „Bestehendes Recht entziehen“. Wollen Sie die Vertretung beenden und alle Rechte entziehen, klicken Sie links neben dem Wort Recht (im grauen Feld) in das Kästchen. Damit werden automatisch alle Rechte markiert. Wenn Sie jetzt auf „Bestehendes Recht entziehen“ klicken, verschwindet der Vertreter aus Ihrem beA.

    3. Neue Kommunikationsformen

    Die persönlichen Begegnungen werden immer noch minimiert oder fallen ganz weg. Eine Kommunikation per Telefon oder Videokonferenz ist anders als der persönliche Austausch. Stellen Sie „Spielregeln“ auf: Um welche Uhrzeit, wie oft, wer leitet die Konferenz? Wenn Sie per E-Mail kommunizieren: Wer ist im Verteiler, welche Aufgaben werden an wen delegiert? Legen Sie fest, wer Nachrichten aus dem beA abruft und wie diese weiter zu bearbeiten sind. Und wie gehen Sie mit Mandantenkontakt um? Muss dieser persönlich erfolgen oder gibt es die Variante, auf alternative Kommunikation auszuweichen?

     

    PRAXISTIPP | Mandanten schätzen es, wenn Anwälte flexibel reagieren. Da derzeit nicht absehbar ist, wie lange diese Ausnahmesituation anhält, ist es sinnvoll, Alternativen zum persönlichen Kontakt zu suchen. Hierfür bieten Anwaltsportale technische Möglichkeiten, um einen leichten Einstieg zu finden. Ggf. können Sie damit auch den Service der Anwaltskanzlei für Zeiten nach der Coronakrise erweitern und die Kommunikation flexibel gestalten.

     

    4. Definieren Sie Arbeitsabläufe, die zwingend einzuhalten sind

    Setzen Sie Prioritäten. Perfektion ist derzeit nicht das Ziel. Legen Sie fest, welche Aufgaben zwingend erledigt werden müssen und welche ‒ wie lange ‒ verschoben werden können. Erstellen Sie Checklisten, z. B. in Excel, können alle Personen i. d. R. auch im Homeoffice damit arbeiten und Rückmeldungen geben, welche Aufgaben wann von wem erledigt wurden. Weitere zu klärende Fragen sind: Wer kümmert sich um die Papierpost, wie und von wem wird diese eingescannt und wo gespeichert (durchsuchbar, „sprechende“ Dateinamen)? Gibt es einen Zugriff auf das Kanzleinetzwerk oder sind die technischen Voraussetzungen dafür noch nicht vorhanden?

    5. Voraussetzungen für das Homeoffice

    Das Homeoffice ist, auch unabhängig von der Corona-Krise, durchaus eine Alternative, um Anwälte und Mitarbeiter flexibel in die Kanzlei einzubinden und zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Zwangsläufig muss hier investiert werden, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Mit welchen Endgeräten wird gearbeitet ‒ stationärer PC oder Laptop? Stellen Sie Geräte zur Verfügung, die ausschließlich für die Arbeit in der Kanzlei verwendet werden.

     

    PRAXISTIPP | Achten Sie darauf, dass die Verschwiegenheitspflicht gewährleistet wird. Das Kanzleigerät ist für anderweitige Verwendung tabu.

     

    Achten Sie auf ein sicheres LAN/WLAN-Netz, um auf das Kanzleinetzwerk zuzugreifen. Der Zugang erfolgt verschlüsselt über eine VPN-Verbindung (Virtual Private Network) oder ‒ unabhängig vom Standort ‒ über eine Cloud. Wird mit Kanzleisoftware gearbeitet (sind genügend Lizenzen vorhanden?) oder muss improvisiert werden?

     

    PRAXISTIPP | Achten Sie darauf, dass gewährleistet ist, dass die jeweils aktuellste Version eines Dokuments in der digitalen Akte oder an einer definierten Stelle gespeichert wird.

     

    Wie erfolgt die Datensicherung? Ist ein aktueller Virenschutz vorhanden? Gerade im Homeoffice werden diese Bereiche oft vernachlässigt.

     

    MERKE | Aufgrund der Verschlüsselung gibt es im beA keine Virenprüfung. Diese kann erst nach dem Exportieren auf den eigenen Rechner erfolgen.

     

    Wird zwingend ein Drucker benötigt? Zum Einstieg in die Digitalisierung empfiehlt sich eher ein kleiner Arbeitsplatz-Scanner, damit auch im Homeoffice bearbeitete Papierakten digital vorliegen. Erforderlichenfalls kann ein Faxprogramm gute Dienste leisten und als Backup dienen, falls beA nicht verfügbar ist. Sind Headsets und die Voraussetzungen für Videokonferenzen vorhanden, falls vom Homeoffice auch Mandantenkontakt gepflegt werden soll oder Meetings mit mehreren Personen stattfinden?

     

    Jeder PC benötigt die beA Client Security, die nach einem Supportwechsel neu (bis zum 14.10.20!) installiert werden muss. Ab dem 15.10.20 ist die Anmeldung am beA dann auch nur noch mit der neuen beA Client Security möglich. Die BRAK weist darauf unterhalb des Logos in einem Balken hin:

     

     

    Die beA Client Security soll seit dem 3.9.20 ausschließlich über die Seite https://www.bea-brak.de (und nicht über irgendwelche anderen Links) heruntergeladen werden. Vor der Neu-Installation sollte die alte beA Client Security deinstalliert werden.

     

    Im Idealfall gibt es auch im Homeoffice ein eigenes Kartenlesegerät und eine Zweitkarte für Anwalt und Mitarbeiter. So wird das Verlustrisiko beim Transport minimiert und Beschädigungen vorgebeugt. Alternativ kann ohne Lesegerät und ohne beA-Karte auch mit dem Softwarezertifikat (EUR 4,90 p. a.; https://bea.bnotk.de/bestellung/#/products) gearbeitet werden. Achten Sie jedoch darauf, dass beim Versand durch Mitarbeiter zwingend eine qeS erforderlich ist.

     

    FAZIT | Machen Sie das Beste aus dieser Notsituation. Ggf. hilft diese auch, die Digitalisierung in der Anwaltskanzlei zu beschleunigen, denn die Arbeit im Homeoffice und im Team ist ohne digitale Akte schwer möglich.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Auf der Seite https://bea-abc.de halten wir Sie auf dem Laufenden und informieren Sie, sobald es Neuigkeiten in Sachen beA gibt
    • Die screenshots dieses Beitrags wurden mit freundlicher Genehmigung der Bundesrechtsanwaltskammer ohne Änderung wiedergegeben
    • Die Flucht ins Homeoffice ist eine Option; aber kein Recht und auch keine Pflicht, Abruf-Nr. 46417577
    Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 78 | ID 46494257