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  • · Fachbeitrag · Kanzleimietvertrag

    AGB-rechtlicher Schutz und Schriftformbedürfnis

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    | In diesem Beitrag geht es im Anschluss an AK 13, 113 und AK 14, 4 und 30 darum, wann §§ 305 ff. BGB in welchem Umfang Schutz bieten. Zudem führt der Autor Einzelheiten zur Schriftform aus: Ist die Missachtung der Schriftform ein Kündigungsgrund? |

    1. Recht der Allgemeinen Geschäftbedingungen: Was gilt?

    Der Anwalt ist Unternehmer, § 14 BGB. Da das BGB zur Abgrenzung zum Verbraucher nicht auf vorhandene berufliche Erfahrungen abstellt, ist bereits der erste Vertrag des Existenzgründers zur Anmietung von Geschäftsräumen ein Geschäftsraummietvertrag (BGH NJW 05, 1273). Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie vom 20.9.13 (BGBl. I, 3642) gilt.

     

    Wenn bei Kanzleigründung durch denselben Vertrag Räume zum Betrieb der Praxis und zum Wohnen in demselben Objekt angemietet werden, ist oft fraglich, ob ein Geschäftsraum- oder Wohnungsmietvertrag mit gewerblichem Nutzungsanteil vorliegt.Danach unterscheidet sich der Prüfungsmaßstab der §§ 305 ff. BGB. Unternehmer untereinander sind weniger schutzbedürftig, sodass die Regeln der Inhaltskontrolle für sie nur eingeschränkt gelten. Für die Einordnung ist entscheidend, welche Nutzung nach dem Vertragszweck überwiegt (BGH ZMR 86, 278; KG 12.8.13, 8 U 3/13, Abruf-Nr. 140676). Abzustellen ist auf den Wortlaut. Dem Mietwert des Objekts kommt nur untergeordnete Bedeutung zu, wenn der Mieter aus der zweckgerechten Nutzung der Räume Geldmittel erwirbt, hieraus seinen Lebensunterhalt bestreitet und die Miete zahlt. Selbst eine überwiegend wohnliche Nutzung ist nicht entscheidungserheblich, solange der vereinbarte gewerbliche Nutzungszweck nicht vertraglich geändert wird (LG Frankfurt IMR 13, 506).

    2. Zweckwidrige Nutzung berechtigt zur Kündigung

    Wenn nach dem ausgewiesenen Vertragszweck Wohnraum angemietet wird und der Kanzleigründer Räume zweckwidrig für den Praxisbetrieb nutzt, handelt es sich um eine vertragswidrige gewerbliche Nutzung. Der Vermieter muss geschäftliche Aktivitäten des Mieters in der Wohnung nicht ohne entsprechende Vereinbarung dulden (BGH NJW-RR 09, 1311). Er kann vielmehr fristgemäß und verhaltensbedingt kündigen (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder vom Mieter nach einer Abmahnung Unterlassung fordern.

     

    Ausnahmsweise darf der Mieter aber in Grenzen in seiner Mietwohnung gewerblich tätig sein. Der Vermieter kann nach Treu und Glauben verpflichtet sein, die Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung für eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr zu erteilen. Der Mieter trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast (BGH NJW 09, 3157).

     

    Gelingt dieser Beweis, erwächst dem Mieter gegen den Vermieter ein Duldungsanspruch (BGH NJW 09, 3157). Für eine Ausnahmeerlaubnis kann der Mieter vortragen, dass

    • durch die teilgewerbliche Nutzung der Vertragszweck nicht verändert wird,
    • Mitmieter nicht beeinträchtigt werden, sich keine Störungen einstellen, die nach außen wahrnehmbar sind und
    • sich für die Mietwohnung keine Gefahr der Beschädigung ergibt.

    3. Alle vertraglichen Vereinbarungen schriftlich festhalten

    Alle vertraglichen Abreden sind schriftlich festzuhalten. § 550 S. 1 BGB ordnet für alle Mietverträge, die länger als ein Jahr geschlossen werden sollen, Schriftform an. Dies ist insbesondere für einen beabsichtigten Vertrag mit fester Laufzeit wichtig. Wird die Schriftform nicht beachtet, kommt ein unbefristeter, außerordentlich kündbarer Mietvertrag zustande, § 550 S. 2 BGB.

     

    a) Verletzte Schriftform als außerordentlicher Kündigungsgrund

    Die Vertragspartei, die sich von dem Vertrag lösen will, kann aus dem außerordentlichen Kündigungsgrund einen Vorteil ziehen. Gern wird zu diesem Zweck ein sogenanntes „Ausstiegsszenario“ kreiert. Die Berufung auf die nicht eingehaltene Schriftform verstößt grundsätzlich nicht gegen § 242 BGB, da durch diese Form ein nicht am Mietvertrag beteiligter Dritter, wie z.B. der Erwerber, geschützt werden soll (BGH NZM 07, 730; NJW 06, 140). Eine auf die unterlassene Einhaltung der Schriftform gestützte vorzeitige Kündigung ist selbst dann nicht treuwidrig, wenn der Mietvertrag zuvor jahrelang anstandslos durchgeführt worden ist (BGH NJW 04, 1103).

     

    Der Mieter kann auch im Fall einer vereinbarten Schriftformheilungsklausel unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig kündigen. Aus der Heilungsklausel erwächst keine Pflicht zum Neuabschluss eines Mietvertrags zu den alten Bedingungen. Sonst wäre die Grenze zulässiger Auslegung überschritten (BGH MDR 90, 229). Der Vermieter kann den Mieter nicht wegen enttäuschten Vertrauens auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, wenn er vorzeitig wegen fehlender Schriftform kündigt (OLG Rostock NZM 07, 733). Möglich sind nur Schadenersatzansprüche, wenn die kündigende Partei ihre Pflicht zur Heilung des Formmangels verletzt hat (OLG Rostock NJW 09, 445).

     

    Eine Berufung auf Formmängel (fehlende Partei, Vertreter- und Objektsbezeichnung) nach 20 Jahren Vertragsdauer kann deshalb treuwidrig sein, weil die Parteien den formunwirksamen Ursprungsvertrag durch einen späteren Nachtrag bestätigt hatten, der allerdings nur einen von mehreren Formmängeln beseitigt hat (OLG Köln 24.5.05, 22 U 184/04, GuT 05, 153). Wenn im Mietvertrag ausdrücklich die Verpflichtung aufgenommen ist, später einen formwirksamen Mietvertrag oder Nachtrag abzuschließen, wird entweder eine Verpflichtung zur Beurkundung des formgültigen Vertrags angenommen (Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Aufl., § 550 Rn. 43) oder zumindest die Berufung auf die Formnichtigkeit für treuwidrig gehalten (OLG Düsseldorf NZM 05, 147; OLG Celle NZM 05, 219). Eine solche Verpflichtung kann durch eine „Vorsorgeklausel“ formularmäßig vereinbart werden (KG NZM 07, 402).

     

    PRAXISHINWEIS | Um dem Risiko einer vorzeitigen Vertragsbeendigung entgegenzuwirken, sollten die Vertragsparteien in langfristigen Mietverträgen die Schriftform regeln, insbesondere die gegenseitige Verpflichtung zu deren Wahrung und zur Heilung von Formmängeln. Besonders geboten ist dies, wenn Änderungen nach Vertragsschluss wahrscheinlich sind, wie etwa bei der Vermietung vom „Reißbrett“ vor Fertigstellung der Mietsache (LG Frankfurt NZM 07, 288).

     

     

    Merke | Eine Mietvertragspartei kann ausnahmsweise nach den Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert sein, sich nach § 550 BGB auf einen Formmangel zu berufen (OLG Naumburg NJW 12, 6). Auf den Mangel der Schriftform kann sich die Partei des Gewerberaummietvertrags, die aus einer Änderungsvereinbarung einen rechtlichen und tatsächlichen Vorteil hat, nicht berufen, um sich aus einem ihr inzwischen lästig gewordenen Mietvertrag zu lösen (OLG Bamberg 2.3.11, 3 U 182/10, MietRB 11, 207).

     

    b) Anforderungen an die Schriftform in Einzelfällen

    All dies zeigt, wie eminent wichtig die penible Einhaltung der Schriftform für den rechtlich und temporär ungestörten Verlauf des Kanzleimietvertrags aus Sicht des mietenden Rechtsanwalts ist. In Einzelfällen kann fraglich sein, wer aufseiten der Vertragspartei die Schriftform genau wahren muss. Die folgenden Beispiele verdeutlichen zwei Problemfälle:

     

    • Beispiel 1 - Anwalts-GbR und Firmenstempel

    Anwalts-GbR A will einen Kanzleimietvertrag für die Gesellschaft abschließen. Gesellschafter G unterschreibt den Vertrag und setzt zu seiner Unterschrift einen Firmenstempel der GbR hinzu. Eine in dieser Form abgegebene Erklärung erfüllt das Schriftformerfordernis des § 550 BGB. Die Form genügt, um den Unterzeichner als unterschriftsberechtigt für die Gesellschaft auszuweisen (so ausdrücklich: BGH 23.1.13, XII ZR 35/11, Abruf-Nr. 130830).

     
    • Beispiel 2 - Verhandlungen nur mit örtlichen Sozietätsmitgliedern

    Vermieter V verhandelt mit den örtlichen Mitgliedern der überörtlich tätigen Anwaltssozietät B über die Vermietung von Kanzleiräumen. Seine Verhandlungspartner (unter anderem Anwalt C) sind ihm namentlich bekannt. Die übrigen Anwälte der B waren nicht in die Verhandlungen einbezogen. C unterzeichnet die Vertragsurkunde und fügt seiner Unterschrift einen Stempel der B hinzu. Der Vertrag kommt dennoch nur mit den örtlichen Mitgliedern der B zustande, nicht jedoch mit den übrigen Anwälten. Dies gilt zumindest, wenn V die anderen Partner nicht kennt und sie auch an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligt waren (OLG Dresden NZM 01, 585).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Der Beitrag wird fortgesetzt.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 46 | ID 42486915