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  • · Fachbeitrag · Kanzleimietvertrag

    Standort- und Objektanalyse: So vergessen Sie nichts

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    | Für eine Kanzleigründung oder einen -umzug ist viel zu bedenken. In AK 13, 113 ging es darum, dass der Anwalt die allgemeine Vertragsbindung des Mietvertrags betriebswirtschaftlich einkalkulieren und z­unächst eine unternehmerische Standortanalyse machen muss. Weiter gilt es, den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Rahmen zu kennen und zu beachten. Fällt das Gebäude unter den Denkmalschutz? Sind überdies Besonder­heiten des WEG zu ­beachten? Antworten gibt der folgende Beitrag. |

    1. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit prüfen

    Als Mieter bekommen Sie große Probleme, wenn Sie nach Abschluss des Mietvertrags erkennen müssen, dass der Betrieb Ihrer Rechtsanwaltspraxis schon aus bauplanungsrechtlichen Gründen unzulässig ist. Einige Vermieter versuchen, sich ihrer gesetzlichen Pflicht zu entledigen, ­behördliche Genehmigungen zum Betrieb des bezweckten Gewerbes in ihren Räumen beizubringen. Der Vermieter schuldet aber die rechtliche und tatsächliche Möglich­keit der ungestörten Nutzung entsprechend dem gewählten Vertragszweck. Andernfalls besteht ein Sach- oder Rechtsmangel, an den sich ein ganzes Bündel von Gewährleistung­srechten des Mieters knüpft.

     

    PRAXISHINWEIS |  Gewerbemietverträge regeln vereinzelt, dass der Mieter auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko behördliche Genehmigungen beschaffen muss. Solche Klauseln verstoßen oft gegen das AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB).

     

    Die Baunutzungsverordnung und kommunale Bebauungspläne bestimmen, ob der Betrieb der Anwaltspraxis an dem ­geplanten Standort öffentlich-rechtlich zulässig ist. Zwar wurde vertreten, dass freiberufliche Nutzungen auch in reinen Wohngebieten zu tolerieren sind (OVG Münster DWW 93, 110). Doch wird diese Frage nicht einmütig entschieden. Deshalb ist es unabdingbar, bauplanungsrechtliche Vorgaben zu klären und danach für den geplanten Standort von der ­Kommune eine Bestätigung über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit Ihres Vorhabens einzuholen. Idealerweise geschieht dies durch eine verwaltungsrechtliche Zusage (§ 38 VwVfG).

    2. Zweckentfremdungsverbote berücksichtigen

    Ein Zweckentfremdungsverbot untersagt, Wohnraum zu Gewerbezwecken zu nutzen. Rechtsgrundlage hierfür bilden heute nur noch seltene landeseigene Zweckentfremdungsverordnungen. Zweckentfremdungsverbote für nicht ­öffentlich geförderten Wohnraum gibt es derzeit z.B. in Bayern (Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) vom 10.12.07 ­GVBl. 07, 864) und Hamburg (§ 9 des Gesetzes über den Schutz und die Erhaltung von Wohnraum (Hamb. WohnraumschutzG) vom 8.3.82 HmbGVBl. 82, 47).

     

    Wichtig | Eine Nutzung zu Gewerbezwecken umfasst eine berufliche Nutzung mit ­Gewinnerzielungsabsicht. Ein typischer Fall liegt vor, wenn eine Wohnung als Büro oder als Praxis vermietet wird (Lützenkirchen, in Lützenkirchen, Mietrecht, 2013, § 535 BGB Rn. 51). Deshalb greift das Zweckentfremdungsverbot auch beim Betrieb einer Anwalts­kanzlei, obschon der Rechtsanwalt als Freiberufler kein Gewerbe im engeren Sinne betreibt. Es kommt also lediglich auf die tatsächliche Nutzung an.

     

    Das macht die Erkundigung bei der Gemeinde notwendig, ob das ins Auge gefasste Objekt zu Wohnzwecken dient. Ein bestehendes Zweckentfremdungsverbot greift zumindest, wenn der Vermieter reine Wohnräume zum Betrieb einer Anwaltspraxis vermietet und Sie die gemieteten Räume mit seinem Wissen zu diesem vertraglichen Zweck nutzen. Dieser Verstoß zieht nach Art. 6 § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts eine Geldbuße von bis zu 50.000 EUR nach sich. Neben der Bußgeldpflicht entsteht auch die Pflicht zur Aufgabe der wohnzweckwidrigen Nutzung. Sie verlieren also bei einem Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot nicht nur Ihren Standort, sondern tragen auch ein hohes finanzielles Risiko.

     

    PRAXISHINWEIS |  Gibt es eine Zweckentfremdungsgenehmigung für die ­Räume zugunsten Ihres Vormieters, gilt sie nicht für eine neue Nutzung fort, wirkt also nicht auch zu Ihren Gunsten. Denn ihre Wirkung endet bei Beendigung der genehmigten Nutzung (OVG Münster ZMR 09, 241). Neben der Erkundigung nach der öffentlich bewerteten Eigenschaft der angemieteten Räume als Wohnraum oder als Gewerberaum sollten Sie deshalb in jedem Fall eine Anzeige der beabsichtigten Nutzung der Räumlichkeiten gegenüber der Stadt abgeben und gegebenenfalls einen Nutzungsänderungsantrag bei der Stadt stellen.

     

    3. Etwaige Stellplatzpflichten einplanen

    Nach den Bauordnungen der Länder (z.B. § 51 BauO NRW, § 47 Abs. 1 S. 1 und 2 BauO Nds.) müssen bei der Errichtung oder der wesentlichen Änderung von Bauvorhaben die für die Aufnahme des ausgelösten Personenverkehrs notwendigen Stellplätze errichtet werden. Als wesentliche Änderung gilt z.B. die Einrichtung einer Arztpraxis in bisher anders gewerblich genutzten Räumlichkeiten (OVG Lüneburg BauR 79, 494). Dies ist auf die Einrichtung von Anwaltspraxen ohne Zweifel zu übertragen.

     

    Die Verwaltungsvorschriften zu den Landesbauordnungen bestimmen die Zahl der nachzuweisenden Stellplätze. Es handelt sich um Richtgrößen, nicht um absolute Werte. Bezogen auf die Verwaltungsvorschrift zu § 51 BauO NRW (Anlage zu Nr. 51.11 unter Nr. 2.2) ist die Anwaltspraxis unter die Rubrik „Räume mit erheblichem Besucherverkehr“ (Schalter-, Abfertigungs- oder Beratungsräume, Arztpraxen und dergleichen) einzuordnen. Pro 20 bis 30 Quadrat­meter Nutzfläche ist ein Stellplatz zu schaffen, mindestens jedoch drei. 75 Prozent der Stellplätze müssen dabei für ­Besucher vorgesehen sein und auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Können die erforderlichen Stellplätze nicht nachgewiesen werden, werden erhebliche Ablösungsbeiträge fällig.

     

    Die Beitragshöhe richtet sich nach der Ortssatzung. Sie darf 80 Prozent der durchschnittlichen Herstellungskosten von Parkeinrichtungen inklusive der Kosten des Grunderwerbs im Gemeindegebiet oder in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets nicht überschreiten, § 51 Abs. 5 BauO NRW, § 47 Abs. 5, 6 BauO Nds.). Der Richtwert beträgt 20.000 EUR bis 30.000 EUR je Stellplatz.

    4. Vorschriften des Denkmalschutzes einhalten

    Liegen die Mieträume in einem denkmalgeschützten Haus, sind Veränderungen im Rahmen der landeseigenen Denkmalschutzgesetze genehmigungspflichtig. Dazu zählt auch das Anbringen von Schildern, hier des Kanzlei­schilds. Deshalb sollten Sie sich bei der unteren Denkmalschutzbehörde ­Ihrer Gemeinde nach einer etwaigen Eigenschaft des Hauses als Baudenkmal erkundigen, wenn sein äußeres Erscheinungsbild diese Vermutung ­nahelegt. Selbstverständlich erübrigt sich diese Frage, wenn das Haus ­bereits als Baudenkmal durch ein entsprechendes Schild ausgewiesen ist. Dann aber gilt die Obliegenheit einer Erkundigung nach der Möglichkeit zur ­Anbringung von Praxisschildern als Gebot eigenen Interesses umso mehr.

    5. Wohnungseigentum: besondere Vorschriften beachten

    Ob und in welcher Weise die Eigentumswohnung zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken genutzt werden darf, erschließt sich aus dem WEG. Um über die Vereinbarungen der Eigentümergemeinschaft zu den Nutzungsmöglichkeiten und den zu beachtenden Einschränkungen, Rechten und Pflichten im Detail Bescheid zu wissen, sind folgende Dokumente ­einzusehen:

     

    • Teilungserklärung (§ 8 WEG) und etwaige weitere individuelle Abreden,
    • Aufteilungsplan, auf den in den einzelvertraglichen Regelungen zwischen dem Wohnungseigentümer und der Wohnungseigentümergemeinschaft Bezug genommen wird,
    • Protokoll- und Beschlusssammlung der Eigentümergemeinschaft und die
    • etwaig geregelte Zustimmung des Verwalters zu einer beabsichtigten Vermietung.

     

    a) Kein Nachteil für andere Eigentümer: Kanzleibetrieb erlaubt

    Handelt es sich nicht um Teileigentum, sondern um eine Eigentumswohnung, ist anhand der Teilungserklärung, der Gemeinschaftsordnung und der ­Beschlusssammlung zu klären, ob im Verhältnis zur Eigentümergemeinschaft dennoch auch eine freiberufliche Nutzung in Betracht kommt. ­Zunächst unterliegt es keinem Zweifel, dass der Wohnungseigentümer seine Wohnung sowohl zum Wohnen als auch zur gewerblichen Nutzung vermieten darf. Die (teil-)gewerbliche Nutzung muss sich allerdings im Rahmen des zulässigen Wohngebrauchs halten, § 903 BGB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 WEG (Fritz Schacht, NZM 08, 155).

     

    FAZIT |  Soweit den anderen Eigentümern kein Nachteil im Sinne des § 14 WEG entsteht, wird die Zulässigkeit ­einer Nutzung der Wohnung für gewerbliche oder freiberufliche Zwecke bejaht (OLG Hamburg MDR 74, 123).

     

     

    Auch wenn ein Sondereigentum ausdrücklich als Wohnung deklariert ist, bleibt eine freiberufliche Nutzung zulässig, sofern dadurch andere ­Wohnungseigentümer nicht mehr beeinträchtigt werden als durch eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung als Wohnung. Häufig kann also in einer Eigentumswohnung sowohl vom Eigentümer als auch im Vermietungsfall vom Mieter eine Anwaltspraxis betrieben werden, soweit keine konkrete Nutzungsregelung des WEG entgegensteht.

     

    b) Kundenverkehr ist in Grenzen hinzunehmen

    Der damit verbundene Kundenverkehr stellt im Allgemeinen keine unzumutbare Beeinträchtigung für die übrigen Hausbewohner dar (KG MDR 86, 939; BayObLG NZM 99, 130). Dies gilt zumindest, wenn damit keine Störungen der Hausbewohner verbunden sind, die über die Nutzung durch eine Familie ­hinausgehen. Auch gelten die üblichen Betriebszeiten vergleichbarer freiberuflicher Praxen. Dafür ist die Verkehrsanschauung über die üblichen ­Arbeitszeiten einer freiberuflichen Praxis maßgeblich.

     

    PRAXISHINWEIS |  Das OLG Düsseldorf hat für eine psychotherapeutische Praxis in einer vermieteten Eigentumswohnung Betriebszeiten von 9:00 bis 18:30 Uhr an Werktagen als zulässig anerkannt. An Sonnabenden, Sonntagen und Feier­tagen durfte die Praxis nicht betrieben werden (OLG Düsseldorf ZMR 98, 247).

     

    Damit ist es vorstellbar, dass Probleme im Hinblick auf die Betriebszeiten auftreten können, je nachdem, wann und wie lange Sie Mandantenverkehr in Ihrer Praxis eröffnen wollen. Durch eine Einsicht in die Teilungserklärung kann dies ausgeschlossen werden, indem festgestellt wird, ob das ins Auge ­gefasste Sondereigentum als Wohnung oder zur gewerb­lichen Nutzung definiert ist. Mit der Einsicht der beim Verwalter der Eigentümergemeinschaft gepflegten Protokoll- und Beschlusssammlung der Wohnungseigentümerversammlungen kann ermittelt werden, ob die Nutzung des anzumietenden Sondereigentums zu freiberuflichen Zwecken in der Eigentümergemeinschaft bereits zu Problemen geführt hat.

     

    Lässt sich nach alledem die Möglichkeit einer freiberuflichen Nutzung „­intern“ im Verhältnis zur Eigentümergemeinschaft bejahen, darf zusätzlich nicht die oben genannte Prüfung der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis ver­gessen werden. Entsprechende Zusicherungen des Vermieters sollten ­zumindest im Mietvertrag enthalten sein. Um sich Probleme zu ersparen, sollte die eigene ­Recherche als Gebot eigenen Interesses erfolgen. Bei der geplanten Nutzung von Räumlichkeiten innerhalb einer Eigentümergemeinschaft kommt alternativ zum Abschluss eines Gewerberaummietvertrags die Einräumung eines Dauernutzungsrechts nach § 31 Abs. 2 WEG in Betracht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • In der nächsten Ausgabe wird die Reihe zum Kanzleimietvertrag fortgesetzt. Dann geht es unter anderem um Recherchen zum vorherigen Mieter und um Fragen zur Bonität des Vermieters.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 4 | ID 42442429