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  • · Fachbeitrag · Mietrecht

    Kanzleimietvertrag vorbereiten und ­abschließen

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    | Wer eine neue Praxis als Rechtsanwalt gründen oder seinen Praxissitz ­verlegen möchte, muss eine Fülle von Aufgaben erledigen. Der Kanzleimietvertrag zur Einrichtung oder Verlegung der Praxis an einen neuen Standort ist für den Erfolg und das Überleben des Unternehmens entscheidend. In ­einer Beitragsserie stellt der Autor die wichtigsten Punkte der Vertragsvorbereitung und -verhandlung dar. Nutzen Sie auch die Checkliste auf S. 114, um bei der Recherche und dem Vertragsschluss nichts zu vergessen.  |

    1. Vertragliche Bindung und Risiko einkalkulieren

    Mit dem Abschluss eines zum Beispiel zehnjährigen Praxismietvertrags ­werden regelmäßig sechsstellige Eurobeträge in die Hand genommen. ­Diese, zusammengesetzt aus Grundmiete und Betriebskosten, müssen erst einmal verdient werden.

     

    Der Rechtsanwalt als Mieter trägt dabei das volle Unternehmerrisiko. Denn der Mietvertrag muss auch erfüllt werden, wenn sich die Gründung der Kanzlei oder der Umzug des Unternehmens als unternehmerische Fehlentscheidung erweist und andauernde Verluste mit sich bringt (OLG Düsseldorf BB 94, 1456). Wegen mangelnder Rentabilität, insbesondere wegen zu niedri­gerer Umsätze, kann also ein Praxismietvertrag, der auf eine feste Laufzeit befristet abgeschlossen ist, nicht gekündigt werden (OLG Düsseldorf ZMR 94, 402; OLG ­Düsseldorf BB 91, 159). Das gilt auch, wenn der Rechtsanwalt wegen eigener Erkrankung seine Kanzlei nicht mehr (voll) betreiben kann.

     

    MERKE |  Gesundheitliche Gründe entbinden nicht von einer vereinbarten ­Betriebspflicht. In diesen Fällen liegt kein nachträgliches Unvermögen des Mieters vor, das von der Leistung befreit. Vielmehr trägt er das unternehmerische Risiko (OLG Düsseldorf 15.3.07, I-10 W 17/07, Abruf-Nr. 070977) und das persönliche ­Verwendungsrisiko für die Mietsache, § 537 Abs. 1 S. 1 BGB.

     

     

    Das gilt für alle Verwendungshindernisse aus dem Bereich des Mieters, auch für Krankheitsfälle (OLG Düsseldorf 25.7.08, I-24 W 53/08, Abruf-Nr. 082958; OLG Düsseldorf ZMR 01, 106). Selbst durch den Tod des Mieters wird das ­Mietverhältnis nicht beendet, § 542 Abs. 2 BGB. Das Gesetz gewährt Erben ­lediglich ein fristgebundenes Sonderkündigungsrecht nach § 564 S. 2 BGB.

     

    Deshalb kann es nur im Interesse des Rechtsanwalts liegen, seinen Praxismietvertrag wirtschaftlich so günstig wie möglich abzuschließen. Dabei ist selbstverständlich, dass es hier nicht nur um eine möglichst günstige Miete geht. Gemeint ist vielmehr der generell wirtschaftlich sicherste Weg.

     

    In der folgenden Checkliste werden die Punkte zusammengefasst, auf die Sie besonders achten müssen:

     

    Checkliste / Kanzleimietvertrag ‒ die wichtigsten Punkte

    • Recherche bei der Gemeinde:

     

      • bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anwaltspraxis,
      • Zweckentfremdungsverbote,
      • Stellplatzpflichten und
      • Denkmalschutz.

     

    • Recherche bei der Anmietung von Teileigentums-/Eigentumswohnungen,

     

    • Recherche beim gegenwärtigen/vorherigen Mieter und in der Nachbarschaft,

     

    • Recherchen zur Bonität des Vermieters,

     

    • AGB-rechtliche Einordnung des Kanzleimietvertrags,

     

    • Verhandlungen zum Inhalt des Mietvertrags:

     

      • Schriftform:
    • Formwahrung durch Unterschrift nur eines Gesellschafters einer GbR ­neben hinzu gesetztem Stempel (BGH 23.1.13, XII ZR 35/11, Abruf-Nr. 130830), Zustandekommen eines Mietvertrags mit Rechtsanwälten einer überörtlichen Sozietät (OLG Dresden NZM 01, 585),
      • Gegenstand des Vertrags und Vertragszweck,
      • Eigenschaft der Mieträume,
      • Kanzleischild: Art und Beschaffenheit, Beleuchtung, Montageort,
      • Ausstattung der Mieträume: Grundinstallationen für Computernetzwerke und Internetzugang,
      • statische Unbedenklichkeit bei Lagerung von Bibliotheken,
      • Beschaffungsrisiko behördlicher Genehmigungen,
      • Betriebspflicht,
      • Sonderkündigungsrecht bei längerer Arbeits-/Berufsunfähigkeit,
      • mietrechtliche Auswirkungen einer Kanzleischließung,
      • Konkurrenzschutz,
      • Vertragsdauer,
      • Miethöhe,
      • Betriebskosten,
      • Contracting,
      • Umsatzsteuer,
      • Mietkaution,
      • Untermiete/Nachmieter,
      • Mieterwechsel/Gründung und Veränderung einer Sozietät,
      • mietrechtliche Auswirkungen eines Partnerwechsels und
      • bauliche Veränderungen, insbesondere energetische Sanierungen und ­Modernisierungen.

     

    • Abschlusssituation:
      • Aufklärungspflichten des Vermieters und
      • Energieausweis.
    • Mietrechtsprobleme in der Anwaltskanzlei:

     

      • Mietgebrauch: Duldungspflicht gegenüber Nachbarlärm?
      • Milieuschutz: Duldungspflicht gegenüber nachträglich einziehendem Jobcenter mit Besucherverkehr bei hochpreisiger und exklusiver Lage?
      • Minderung der Heizkosten wegen zu niedriger ­Raumtemperatur?
      • Mietminderung bei abweichender Mietfläche?
      • außerordentliche Kündigung bei Heizungsausfall im Winter, Kenntnis des Mieters bei saisonal auftretenden Mängeln und
      • Abwicklung des beendeten Kanzleimietvertrags.
     

    2. Erkundungen über das räumliche Umfeld einholen

    Zunächst bedarf es einer allgemeinen unternehmerischen Standortanalyse. Es muss beispielsweise geprüft werden, wie die Wettbewerbssituation am geplanten Standort in den vorhandenen Tätigkeitsschwerpunkten aussieht. Bietet sich eine fachliche oder organisatorische Zusammenarbeit mit ­Kollegen in der Nachbarschaft an? Besonders zu achten ist in praktischer Hinsicht und erster Linie auf folgende Punkte:

     

    • Marktdichte, also Konkurrenz zu anderen Rechtsanwaltskanzleien,
    • Infrastruktur, das heißt Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel,
    • gute Straßenführung,
    • ausreichende Kundenparkplatzmöglichkeiten in der Nähe,
    • ausreichendes repräsentatives Ambiente im Stadtquartier/in der Immo­bilie, in der die Mieträume belegen sind und
    • allgemeine Eignung und Zweckmäßigkeit der Immobilie.

     

    PRAXISHINWEIS |  Ist mit diesen Grundfragen ein interessantes Objekt aus­gemacht, muss ­recherchiert werden, ob in diesem Objekt überhaupt eine Kanzlei betrieben werden darf. So selbstverständlich das klingt, so häufig werden hierbei die schlimmsten Unterlassungssünden ‒ oft mit ruinöser Auswirkung ‒ ­begangen. Denn der schönste Mietvertrag ist in der Praxis untauglich, wenn zum ­Beispiel aus rechtlichen Gründen in den Mieträumen eine ­Anwaltskanzlei nicht betrieben werden darf.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • In den folgenden Ausgaben werden die Recherche bei der Gemeinde, in der Nachbarschaft/beim vorherigen Mieter, spezielle Probleme bei der Anmietung von (Teil-) ­Eigentumswohnungen und Fragen zur Bonität des Vermieters näher ausgeführt.
    • AK 13, 103: Kanzleiübernahme - Das müssen Verkäufer und Erwerber bedenken
    • AK 13, 28: Kanzleiumzug - Das Vier-Stufen-System, Erste Maßnahmen
    • AK 13, 10: 12 Kostenverursacher erkennen und sofort beseitigen
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 113 | ID 42398770