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  • · Fachbeitrag · Kanzleisteuerung

    Aufschieberitis und kein Ende? So überwinden Sie den inneren Schweinehund

    von StBin Dipl.-Kffr. Cordula Schneider, Dortmund

    | Sie möchten ein neues Projekt in Angriff nehmen oder Ihren Arbeitstag strukturierter gestalten? Sie wollten z. B. immer schon an Ihrem Zeitmanagement arbeiten, regelmäßig Ihre Fachliteratur lesen und endlich jährliche Mitarbeitergespräche einführen? Nichts einfacher als das! Sie fassen ein Ziel ins Auge, legen die notwendigen Maßnahmen fest und terminieren jeden Schritt. Der Grund, warum es häufig trotzdem nicht funktioniert, heißt Prokrastination ‒ besser bekannt als „Aufschieberitis“ oder „innerer Schweinehund“. AK gibt Tipps zum besseren Umgang mit diesem Phänomen. |

    1. „Betroffene“ und Ursachen

    Forschungen haben ergeben, dass bis zu 30 Prozent des Tages durch klassische Aufschiebetätigkeiten wie Mails checken, Post lesen, Spielen, Fernsehen, im Web surfen, Aufräumen, Putzen oder Telefonieren verbracht werden. Die Folgen dieser „Krankheit“ sind verminderte Leistungsfähigkeit und unangenehme (Schuld-)Gefühle. Besonders betroffen sind Selbstständige, Studenten, Männer und Jüngere. Auch haben Psychologen ermittelt, dass insbesondere der medizinische „Typ A“, der aus der Herzinfarktforschung ebenfalls als am ehesten betroffen bekannt ist, unter Prokrastination leidet. Dieser Typus zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

     

    • Druck, Zeitnot
    • Starker Ehrgeiz
    • Rivalisierungsdruck
    • Aggression
    • Übernahme von Verantwortung
    • Kontrollverhalten
    • Übernehmen der falschen/zu vieler Aufgaben

     

    Die wichtigsten Ursachen für Prokrastination sind:

     

    • Perfektionismus
    • Ablenkbarkeit
    • Mangelndes Organisationsvermögen
    • Fehlende Motivation
    • Depressionen
    • Versagensängste (mangelndes Selbstvertrauen)
    • Grundsätzlich oppositionelles Verhalten („Und jetzt schon gar nicht!“)

     

    Dabei können auch mehrere Ursachen kombiniert auftreten. Und genau diese Ursachen sind der Ansatzpunkt, Strategien zum besseren Umgang mit „der langen Bank“ zu entwickeln.

    2. WWW: Wirklich wissen warum!

    Wenn ein Mensch nicht hinter den Zielen steht, die er verfolgt, ist die Gefahr der Aufschieberitis besonders groß. Lassen Sie sich von mehr oder weniger gut gemeinten und uneigennützigen Ratschlägen nicht dominieren. Sie wissen doch tief im Inneren schon, was Sie wollen und was nicht, oder? Sie wollen nicht glauben, dass der Rechtsanwalt als „Einzelkämpfer“ tot ist und das Heil nur im Zusammenschluss zu großen Sozietäten liegt? Nehmen Sie sich die Zeit, sich selbst und Ihre „wahren“ Ziele kennenzulernen.

    3. Realistische Ziele

    Eng verbunden mit den richtigen Zielen ist die richtige Dimensionierung und Terminierung der Ziele. Wenn Sie noch nie in Ihrem Leben einen Vortrag vor Publikum gehalten haben, werden Sie entsprechend Zeit für die Vorbereitung einplanen müssen. Auch ein Genie wie Cicero hat seine großen Reden vorher lange überdacht und mehrmals vor dem Spiegel geübt. Und der war ein Naturtalent. Erfolg ist immer auch die Folge harter Arbeit.

    4. Motivation

    Der wichtigste Motivationsfaktor ist die Herausforderung. Auch hier kommt es aber auf das richtige Maß an.

     

    a) Zu hohe Herausforderung: Überforderung

    Sie sind „Einzelkämpfer“, und die von einem Mandanten gewünschte Unternehmensumwandlung liegt immer noch auf Ihrem Schreibtisch, weil es Punkte gibt, bei denen Sie Bedenken haben, ob Ihre Rechtsauffassung richtig ist? Was hindert Sie daran, sich Hilfe von einem Kollegen zu holen? Auch er wird früher oder später eine Frage haben, die er nicht allein beantworten kann. Schaffen Sie sich Netzwerke! Und machen Sie sich immer wieder klar: Die meisten Kollegen kochen auch nur mit Wasser! Die Maßnahme gegen Überforderung heißt Teamwork.

     

    b) Zu niedrige Herausforderung: Unterforderung

    Schlagen Sie sich mit Routineaufgaben herum? Sie öffnen z. B. die Kanzleipost immer selbst? Oder Sie kümmern sich um den halbjährlich neu festgelegten Basiszins in der Zwangsvollstreckung? Wenn Sie dabei mal wieder um einen verlorenen Tag trauern, an dem Sie nichts geschafft haben, lautet das Zauberwort Delegation.

     

    c) Realistische Herausforderung: Motivationsschub

    Die Kunst liegt darin, sich die richtigen Aufgaben vorzunehmen und diese vom Schwierigkeitsgrad und Zeitumfang her gut zu planen. Selbstverständlich kommen Sie von einem Seminar voller Elan in die Kanzlei und haben eine Menge Ideen gesammelt, die Sie am liebsten alle sofort umsetzen würden. Sicherlich hat der Referent Sie aber davor gewarnt, zu viel auf einmal anzufangen. Suchen Sie sich lieber eine Maßnahme aus und gehen Sie diese an. Danach kann die nächste folgen. Für solche Zwecke empfehlen sich Ideenspeicher, z. B. ein Blatt Papier, auf dem Ideen für später notiert werden.

    5. „Salami-Taktik“: Beginnen Sie mit dem ersten Schritt

    Bei der Salami ist es einfach: Man fängt immer mit der ersten Scheibe an. Worüber aber mache ich mir für den Vortrag auf der nächsten Mandantenveranstaltung als erstes Gedanken? Über die PowerPoint-Präsentation? Schon tauchen Ängste auf: „Das habe ich noch nie gemacht, das geht bestimmt schief.“ Wir denken eine Aufgabe oft vom Ende statt vom Anfang her. Viel wichtiger ist es, sich zunächst über die Zielgruppe Gedanken zu machen. Will man einen Vortrag zum Erbrecht halten, ist vielleicht gar kein PowerPoint erforderlich, da Rentner mit zu viel Technik eher verschreckt werden. Definieren Sie bei größeren Aufgaben immer „Meilensteine“, z. B. den ersten Schritt, einen Zeitplan für die Teilziele, etc.

    6. Krisenmanagement

    Wenn etwas nicht so vonstattengeht, wie wir uns das vorstellen, sind wir gerne gleich frustriert und nehmen immer an, alle anderen schaffen die Aufgabe besser. Aber: Gehen Sie nicht so hart mit sich ins Gericht. Die Reflexion über die eigenen Talente und das, was man bisher erreicht hat, ist zielführender, als die schnell in Frustration und Selbstmitleid ausartende Konzentration auf die eigenen Schwächen.

    7. Stellen Sie Ihre persönliche „Sündenliste“ auf

    Schreiben Sie Ihre persönliche Sündenliste und werden Sie sich dabei bewusst, welche Strategie Sie nutzen, um Projekte und Aufgaben zu verschieben. Damit haben Sie schon den ersten Schritt zur „Besserung“ getan. Hier eine Auswahl:

     

    • Zu spät anfangen
    • Mir keine Gedanken über die Erwartungen des Empfängers machen
    • Mir zu viele andere Aufgaben aufladen
    • Zeitplanung vermeiden, keinen oder unrealistischen Zeitbedarf planen
    • Keine Prioritäten setzen
    • Keine Aufgaben delegieren
    • Keinen Rat von anderen einholen
    • Keine stillen Zeiten definieren
    • Keine Teilergebnisse definieren, Fortschritt des Projekts nicht messen
    • Zu anderen niemals „Nein“ sagen ‒ auch nicht auf nette Weise
    • Zeitdiebe kultivieren, jede Unterbrechung dankbar hinnehmen (Internet etc.)
    • Auf keinen Fall Freunde, Mitarbeiter oder Kollegen bitten, nach dem Stand des Projekts zu fragen

     

    FAZIT | Erkennen Sie Ihr persönliches „Aufschieberitis“-Schema und durchbrechen Sie es, indem Sie die „Sünden“ umkehren. Belohnen Sie sich anschließend dafür. Gönnen Sie sich nach einem Teilerfolg doch mal einen Schwatz am Kopierer oder vertiefen Sie sich für eine Viertelstunde im Internet in Ihre Lieblingsseite. Sie werden sehen: Das macht mit ruhigem Gewissen viel mehr Spaß. Entscheidend ist, dass Sie von der Wichtigkeit und Notwendigkeit einer Aufgabe überzeugt sind. Anderenfalls hat bei der Durchführung des Projekts nämlich nur einer Spaß: Ihr innerer Schweinehund!

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 210 | ID 44393356