Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Kanzleiübernahme

    Das müssen Verkäufer und Erwerber bedenken

    von RA Franz M. Große-Wilde, FA ErbR, FA BauArchR, Bonn

    | Jahr für Jahr stellt sich für viele gestandene Anwälte die Frage, wer die langjährig gewachsene Kanzlei im Sinne des Gründers beim Eintritt in den Ruhestand weiterführen könnte. Umgekehrt stellt sich dem Anwaltsnachwuchs die Frage, wie sich eine Anwaltskanzlei möglichst reibungslos übernehmen lässt. Eine Win-win-Situation für beide Seiten? So einfach ist es leider nicht. Der folgende Beitrag erläutert, worauf beide Beteiligten achten müssen. |

    1. Vorfragen

    Jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, sei es nun der Senior, der seine Kanzlei veräußern möchte oder der Nachfolger, der einen Weg sucht, seinen Berufswunsch möglichst einfach in die Tat umzusetzen, muss sich zunächst mit der jeweils gegenteiligen Position auseinandersetzen, will er keinen Schiffbruch erleiden. In allen Fällen müssen sich die Beteiligten finden, und sie müssen sich über die Bedingungen einer solchen Übernahme verständigen.

     

    Checkliste / Was wollen die Vertragsparteien?

    Was will der Senior? 

    • 1.Einen möglichst hohen Kaufpreis
    • 2.Einen glatten Übergang
    • 3.Die Übernahme seiner Mitarbeiter
    • 4.Die Übernahme laufender Verträge
    • 5.Die weitere gute Vertretung seiner Mandanten

     

    Was will der Junior? 

    • 1.Einen möglichst günstigen Kaufpreis, möglichst mit langen Zahlungszielen
    • 2.Einen glatten Übergang
    • 3.Die Übernahme eines funktionierenden Büros
    • 4.Die Überleitung der Mandantenbeziehungen
     

    Wesentlich dafür, ob ein Käufer gefunden werden kann, ist deshalb, wie aufwändig es für einen Neuankömmling am Markt ist, eine Kanzlei auf der „grünen Wiese“ zu gründen. Die hierbei notwendigen Kosten sind auch maßgeblich für die Frage, welchen Wert eine bestehende Kanzlei hat. Erhebungen der BRAK aus dem Jahre 2010 zeigen, dass das durchschnittliche Einkommen eines freien Mitarbeiters einer Anwaltskanzlei im ersten Jahr bei 1.900 EUR, im zweiten Jahr bei 2.200 EUR und im dritten Jahr bei 2.900 EUR lag. Demgegenüber lag das Gehalt angestellter Anwälte im ersten Jahr bei 3.800 EUR, im zweiten Jahr bei 4.100 EUR und im dritten Jahr bei 4.400 EUR. Deutlich nach unten abweichend ist der Gewinn selbstständiger Anwälte, die im ersten Jahr nach Gründung auf monatlich 400 EUR, im zweiten Jahr auf 900 EUR und im dritten Jahr auf 1.500 EUR kamen (Eggert/Kääb, BRAK-Mitt. 11, 53, 54). Dies macht deutlich, dass neben den notwendigen Investitionen in Kanzleiräume und Büroausstattung (im Durchschnitt 14.800 EUR, Eggert/Kääb, a.a.O., 9, 12) das Erreichen eines angemessenen Einkommens durch eine Eigengründung einen erheblichen Vorlauf benötigt und einen großen Einkommensverzicht mit sich bringen kann. Geschätzt wird es in heutiger Zeit fünf oder mehr Jahre benötigen, um das Gehalt angestellter Anwälte zu erreichen. Allein dieser Einkommenverzicht dürfte in Summe einen Betrag von 150.000 EUR ausmachen.

     

    Die Vorteile eines Kanzleikaufs liegen regelmäßig darin, dass man in eine bestehende Organisation eintritt. Es sind eingearbeitete Mitarbeiter, Kanzleiräume, Ausstattung und Technik vorhanden, der Standort ist geklärt, es 
bestehen Mandatsbeziehungen. Hierdurch kann vom ersten Tag an ein entsprechender Umsatz und damit auch dazu gehörender Gewinn erzielt werden. Gleichwohl liegen in diesen Vorteilen auch für den Käufer Risiken. Denn die Mitarbeiter könnten ebenso veraltet sein wie der Verkäufer, Kanzleiräume und Technik nicht mehr auf aktuellem Stand sein, die Mandatsbeziehungen überwiegend von den gleichaltrigen Freunden des Inhabers leben.

     

    Sieht man einmal von den Fällen ab, in denen durch plötzlichen Tod oder Krankheit eines Kanzleiinhabers ein Nachfolger von heute auf morgen 
gesucht wird, dürfte meist davon auszugehen sein, dass der Verkäufer zumindestens noch eine gewisse Zeit lang, zum Teil durchaus einige Jahre, die Kanzlei weiter begleitet. Für eine erfolgreiche Übernahme ist dies in der 
Regel effektiv, weil so verdeutlicht wird, dass der bisherige dem neuen Inhaber Vertrauen entgegenbringt, sodass Mandatsbeziehungen leichter übergeleitet werden können. Dies bedeutet, dass im Vorfeld zunächst sorgfältig geprüft werden muss, ob die Vorstellungen beider Seiten übereinstimmen. Die Tätigkeit eines Anwalts ist bekanntlich stark von der jeweiligen Persönlichkeit 
abhängig und geprägt. Übergeber und Nachfolger müssen zueinander passen.

     

    Checkliste / Diese Fragen stellen sich Übergeber und Übernehmer

    Dem Übergeber stellen sich also folgende Fragen:

     

    • Passt die Ausbildung des Übernehmers in die Kanzlei; können die fachlichen Schwerpunkte der Kanzlei abgedeckt werden?
    • Verfügt der neue Inhaber über hinreichendes unternehmerisches Geschick?
    • Besteht die Bereitschaft, gegebenenfalls ein solches Know-How aufzubauen?
    • Ist bei gestreckter Zahlung davon auszugehen, dass für den Übernehmer die Kanzleiübernahme eine langfristige Option ist?
    • Verfügt der Übernehmer über hinreichende finanzielle Grundlagen, um die Kanzlei auch bezahlen zu können?

     

    Für den Erwerber stellen sich die Fragen aus der umgekehrten Richtung:

     

    • Stimmen die Fachrichtungen der zu übernehmenden Kanzlei mit den eigenen fachlichen Neigungen überein?
    • Ist der Übergeber hinreichend bereit, Neuerungen zuzulassen?
    • Ist der Standort der Kanzlei für die persönlichen Vorstellungen akzeptabel?
    • Sind Personal und Büroausstattung für die Fortführung geeignet?
    • Können die bisherigen Mandanten tatsächlich dauerhaft gebunden werden?
     

    Können die o.g. Fragen nicht im Wesentlichen bejaht werden, muss der Übergeber befürchten, dass er von einem Nachfolger, der die Umsätze, die er selbst erwirtschaftet hat, nicht mehr erzielen kann, nicht den Kaufpreis erhalten wird, den er sich vorstellt oder vereinbart hat. Weil in den seltensten Fällen der Kaufpreis für eine Kanzlei in einer Summe bezahlt wird, bestehen hier Risiken.Können die o.g. Fragen des Übernehmers ebenfalls nicht bejaht werden, fragt es sich, ob er die Strukturen des Übergebers und damit die entsprechenden Gewinnerwartungen aufrecht erhalten kann. Insbesondere muss er fragen, ob aus den Überschüssen auch der Kaufpreis gezahlt werden kann. Vor allem bei gutgehenden Kanzleien liegen in diesem Punkt beträchtliche Risiken.

    2. Rechtlicher Rahmen

    Schließlich muss auch der rechtliche Rahmen, also vor allem die Zulässigkeit eines Praxiskaufs berücksichtigt werden. Generell ist ein Praxisverkauf aus heutiger Sicht rechtlich unbedenklich. Angemessene Verkaufsbedingungen sind nur eine Frage der Bewertung. Ein rechtliches Hindernis kann sich heute nur noch aus der Verschwiegenheitsverpflichtung des Anwalts (§ 203 StGB) ergeben. Typischerweise muss für die Übertragung einer Anwaltspraxis der Mandantenstamm übertragen und eine Übergabe der Handakten umgesetzt werden. Eine solche Übergabe der Handakten darf aber nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Mandanten erfolgen, die in der praktischen Umsetzung auf Probleme stoßen kann und die die Beteiligten deshalb zu vermeiden suchen. Zu beachten ist deshalb insbesondere die Entscheidung des BGH vom 13.6.01 (NJW 01, 2462), in der eine Handaktenklausel in einem Kaufvertrag über eine Steuerberatungspraxis für nichtig erklärt worden ist. Allerdings hat der BGH in dieser Entscheidung auch Möglichkeiten eröffnet, wie dies umgesetzt werden kann, ohne dass alle Mandanten im Einzelnen befragt werden müssen.

     

    Bei einer Anwaltssozietät muss der Mandant damit rechnen, dass sie sich erweitert und deshalb auch ein Wechsel des Kanzleiinhabers nicht ausgeschlossen ist. Wird also ein Erwerber einer Anwaltspraxis zunächst vorübergehend Sozietätsmitglied, dann setzt sich das Mandatsverhältnis automatisch mit ihm fort und deckt damit auch die Aktenübergabe ab. Hierbei ist allgemein anerkannt, dass bereits eine Außensozietät etwa mit einem freien Mitarbeiter ausreichend ist, um diese Problematik abzudecken.

     

    Von Bedeutung können zudem Haftungsfragen sein. So hat der BGH einem in eine Sozietät eintretenden Neusozius eine Einstandspflicht für beim Eintritt bestehende Altverbindlichkeiten auferlegt (MDR 03, 756). Keine Haftung für Altschulden besteht dagegen für einen neu hinzutretenden Anwalt, wenn hierdurch eine Sozietät erst gegründet wird (BGH MDR 04, 570). Folge: Die Übernahme einer bestehenden Einzelkanzlei ist haftungsmäßig unproblematisch, und es dürfte damit vor allem die übergangsweise Eingehung einer Sozietät zur Vermeidung der Zustimmung jedes Mandanten zu empfehlen sein.

     

    Weiterführender Hinweis

    • In der nächsten Ausgabe von AK berichten wir über die Lösung etwaiger Probleme, wenn die Übernahme grundsätzlich gewollt ist, über die Preisgestaltung und Bewertung.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 103 | ID 42283676