· Fachbeitrag · Verfahrensrecht
Trotz Überlastung des Gerichts wird Mandant für lange Verfahrensdauer entschädigt
| Auch wenn das Gericht überlastet ist, mit einer angespannten Personalsituation kämpft oder wenn der Richter während des Verfahrens wechselt, können Sie für Mandanten eine Entschädigung gemäß § 198 GVG verlangen, wenn sich das Verfahren zu stark verzögert. Denn dieser Anspruch ist verschuldensunabhängig und steht auch Nebenklägern in Strafverfahren zu (OLG Köln 25.2.21, 7 EK 5/18, Abruf-Nr. 227597 ). |
Im vorliegenden Fall ergab eine Gewichtung und Abwägung der Merkmale des § 198 Abs. 1 S. 2 GVG sowie des Gestaltungsspielraums des Gerichts, dass das Verfahren nicht angemessen schnell abgeschlossen wurde. Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt. Nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensdauer ist dabei ein Problem, aber: Je länger es dauert, verdichtet sich die gerichtliche Pflicht, sich zu bemühen, das Verfahren nachhaltig zu fördern und zügig zu beenden.
Eine Entschädigung kann auch nicht „kompensiert“ werden, wenn ‒ wie hier ‒ das Ausgangsverfahren innerhalb einer späteren Phase des Prozesses beschleunigt wird. Zwar kann es für das Gericht geboten sein, ein Hauptverfahren mehrfach zu verschieben, weil vorrangige Haftsachen dringender zu bearbeiten sind. Dies darf aber nicht zulasten der Verfahrensbeteiligten gehen.
(mitgeteilt von Christian Noe B. A., Göttingen)
Weiterführende Hinweise
- OLG Karlsruhe spricht Entschädigung für verzögerte Kostenfestsetzung zu, AK 19, 22
- Der frühe Vogel … verscherzt sich die Entschädigung, AK 18, 214