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  • · Fachbeitrag · Kultursensible Kommunikation

    Erstgespräch mit türkeistämmigen Mandanten

    von Derya Zeyrek, Köln

    | Zu jedem Beratungsgespräch gehört eine gewisse zwischenmenschliche Sensibilität. Bei der Kommunikation mit nicht deutschstämmigen Mandanten kann es zu Missverständnissen oder Sprachbarrieren kommen, die mit wenig Aufwand vermieden werden können. Der Beitrag hilft hierbei. |

    1. Imageprobleme

    Menschen mit türkischen Wurzeln haben mit einem schlechten Image zu kämpfen. Fast täglich gehen Berichte über kriminelle Jugendliche oder fundamentalistische Moslems durch die Medien. Berichte über Türkeistämmige, die selbstverständlich ihrem Lebensalltag nachgehen, finden kaum den Weg in die Medien ‒ keine gute Ausgangslage für die Erstberatung.

    2. Seien Sie neugierig

    Die Erinnerung ist ein natürlicher Vorgang. Natürlich ist auch der Versuch des Gehirns, Menschen möglichst schnell zu erfassen und zu verstehen. Um dennoch vorurteilsfrei in den Dialog treten zu können, hilft es, diesen kognitiven Vorgang bewusst wahrzunehmen. Ob die negativen Eigenschaften auf den neuen Mandanten zutreffen, wird der Verlauf der Beratung ohnehin zeigen. Begegnet der Kommunikationspartner seinem Gegenüber jedoch mit natürlicher Neugier und ehrlichem Interesse, wird er Persönlichkeitsmerkmale wahrnehmen, die für den Erfolg des Rechtsstreits relevanter sind.

     

    Soziale Kompetenzen können in dieser Hinsicht trainiert werden, z.B. in 
einem Workshop für interkulturelle Kommunikation (www.intercultures.de).

    3. Erstsprache Türkisch, Fachsprache Deutsch

    Früher waren die Sprachbarrieren gravierender ‒ kaum ein Türkeistämmiger war der deutschen Sprache mächtig. Heute sieht die Situation anders aus: Türkeistämmige in der zweiten, dritten Generation wachsen zweisprachig auf und können sich in der Regel gut bis sehr gut auf Deutsch verständigen.

     

    MERKE | Auch wenn die Erstsprache Türkisch bleibt, lernen Zweisprachige Fachbegriffe auf Deutsch. Kaum ein Türkeistämmiger wird wissen, was Übergangsgeld, Lohnfortzahlung oder Prozesskostenhilfe auf Türkisch bedeutet. Folglich würde eine Übersetzung nur für Verwirrung sorgen.

     

    4. Risiko: Kommunikation über mitgebrachten Dolmetscher

    Spricht der Mandant kein Deutsch, ist ein Dolmetscher unverzichtbar. Manche Mandanten bringen Freunde, Bekannte oder ihre Kinder mit, die vermitteln sollen. Der Rechtsanwalt kann aber nicht überprüfen, ob die Übersetzung korrekt ist. Familienangehörige oder Freunde tendieren dazu, die Aussagen zu interpretieren, zu ergänzen oder zu korrigieren. Im schlimmsten Fall könnte der Begleiter andere Interessen verfolgen als der Mandant.

     

    Viele Mandanten bringen Tochter oder Sohn mit in die Beratung. Das ist nicht zielführend. Zweisprachige Kinder spielen gern mit ihren Sprachen und sind neugierig auf neue Wendungen und Wörter. Auch wenn die Beratungssituation interessant auf sie wirkt, sind sie der Aufgabe meist nicht gewachsen. Darüber hinaus ist das Weltwissen und der Wortschatz eines Kindes begrenzt ‒ selbst bei sprachlicher Begabung. Es reicht nicht aus, um das Gesagte adäquat in die andere Sprache zu übertragen. Oder das Kind lässt wichtige Informationen weg, weil es sie vergisst. Schlimmer noch sind Situationen, in denen Kinder eine unbekannte Seite der Eltern kennenlernen könnten, z.B. eine Vorstrafe. Dies kann Mandanten davon abhalten, ihrem Anwalt die Wahrheit zu sagen.

     

    Ein professioneller Dolmetscher hingegen weiß, dass er sich im Hintergrund halten muss und primärer Gesprächspartner der Mandant ist. Er übersetzt nur das, was der Mandant sagt. Dolmetscher übersetzen umso zuverlässiger, wenn die gesprochenen Sätze kurz sind und die Sprecher öfter Pausen einlegen.

     

    PRAXISHINWEIS | Es hat sich bewährt, dem Dolmetscher eine Wörterliste mit häufig auftretenden Wörtern zur Verfügung zu stellen, weil er womöglich nicht jeden fachspezifischen Begriff in der anderen Sprache kennt.

     

    Die Kosten für den Dolmetscher übernimmt grundsätzlich der Mandant. Je nach Thema unterstützen gemeinnützige Organisationen Menschen, die nicht viel Geld haben. Solche Vereine oder Initiativen haben meist Kontakte zu Sprachmittlern, die ihre Dienstleistungen kostengünstig oder ehrenamtlich anbieten, um den Betroffenen eine Hilfestellung zu leisten (für Köln: 
http://agisra.de/index.php?de_home-1; ansonsten sind Informationen meist über lokale Angebote von Flüchtlingsräten oder ähnliche Initiativen erhältlich).

    5. Eisbrecher

    Um das erste Eis zu brechen, empfiehlt es sich, türkische Grußformeln einzuüben. Probieren Sie sie aus! Wenn Sie sich an die Aussprache gewöhnt haben, wird es Ihnen mit der Zeit sicherlich leichter fallen, türkische Namen auszusprechen. Dieser kleine Schritt bedeutet für den Einzelnen viel. Denn wer mag es nicht, so angesprochen zu werden, wie der Name wirklich klingt?

     

    Checkliste / Begrüßung mit türkischen Wörtern

    Merhaba!

    Hallo! / Guten Tag!

    Nasılsınız? / Nasılsın?

    Wie geht es Ihnen? / Wie geht es dir?

    İyi.

    Gut.

    İdare eder.

    Es geht.

    İyi günler!

    Auf Wiedersehen!

    Ben avukatınızım.

    Ich bin Ihr Rechtsanwalt / Ihre Rechtsanwältin.

     

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 52 | ID 39776510