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  • · Fachbeitrag · Marketing

    Laufende wirtschaftsstrafrechtliche Beratung von Unternehmen ‒ White-Collar Housekeeping

    von Christoph Lepper, LL.M. (UWE Bristol), FA für Strafrecht, Düsseldorf

    | Wirtschaftlicher Erfolg ist auch davon abhängig, dass man sich bzw. die Kanzlei richtig positioniert und neue Beratungsfelder erschließt. Der Beitrag stellt den Beratungsbereich des White-Collar Houskeeping vor und zeigt, welche Fallstricke zu beachten sind. |

    1. White-Collar Housekeeping

    Für die laufende, verfahrensunabhängige anwaltliche Beratung von Unternehmen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ist der Begriff „Corporate Housekeeping“ gebräuchlich. Er deutet auf eine (Dauer)Mandatsbeziehung hin, im Zuge derer sich ein Unternehmen mit allen kleinen und großen Fragen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts an „ihren“ Anwalt/„ihre“ Anwältin wenden kann. Sachverhalte und Fragen können auf einer derartigen Grundlage schnell erfasst, bewertet und bearbeitet werden. Es bedarf keiner langen Vorrede und keines administrativen Vorlaufs ‒ die Mandantin erhält zügig und kosteneffizient Rechtsrat in Ergänzung vorhandener interner Ressourcen (z. B. Rechtsabteilung). Der Anwalt/die Anwältin ist für die Ansprechpartner auf Unternehmensseite „niederschwellig“ ansprechbar.

     

    In den vergangenen Jahren hat die Strafverfolgungsintensität auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts spürbar zugenommen. Unternehmen jeder Größe nehmen anwaltlichen Rat auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts daher zunehmend nicht erst in Anspruch, wenn sprichwörtlich das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und Ermittlungsverfahren laufen oder bekannt werden. Vielmehr werden auch bevorstehende Geschäftsvorfälle und Geschäftskonzepte proaktiv auf strafrechtliche Relevanz geprüft.

     

    Kurz und prägnant ‒ in Analogie zur Terminologie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ‒ kann eine Mandatsbeziehung des beschriebenen Zuschnitts als White-Collar Housekeeping bezeichnet werden. Den nachstehend thematisierten spezifischen Risiken sollte in der Beratungspraxis Rechnung getragen werden.

    2. Klarheit hinsichtlich der Person des Mandanten ‒ „Upjohn Warning“

    White-Collar Housekeeping spielt sich außerhalb eines justizförmigen (Ermittlungs)Verfahrens ab. Es hat typischerweise aber Sachverhalte zum Gegenstand, die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führen und natürlichen Personen gegenüber zu einem Strafvorwurf gereichen können. Je nach Fallgestaltung kann auch die für das Unternehmen Rechtsrat suchende Person als Beschuldigte eines (etwaigen, späteren) Ermittlungsverfahrens in Betracht kommen. Die Interessen dieser natürlichen Person und die Interessen des Unternehmens können deckungsgleich sein, gegenläufig sein oder sich in einen Konflikt hineinentwickeln. Vor diesem Hintergrund ist Vorsicht geboten:

     

    Beachten Sie | Das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a BRAO) und das strafbewehrte Verbot des Parteiverrats (§ 356 StGB) zwingen dazu, eindeutig und frühzeitig Farbe zu bekennen: Mandantin ist das Unternehmen und nicht die (sich faktisch an den Anwalt wendende) natürliche Person.

     

    a) Mandantin ist das Unternehmen, nicht der dortige Ansprechpartner

    Aus diesem Umstand ergeben sich weitreichende Konsequenzen ‒ etwa hinsichtlich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Die mandatsbezogene Verschwiegenheitspflicht des Unternehmensanwalts steht zur alleinigen Disposition des Unternehmens. Wenn etwa das Organ eines Unternehmens strafrechtliche Beratung für das Unternehmen in Anspruch nimmt und hierbei Umstände offenbart, die ihm selbst gegenüber zu einem Vorwurf gereichen können und die im weiteren Verlauf zu einem Verlust seiner Organstellung führen, bleibt der beratende Anwalt allein dem Unternehmen (loyalitäts)verpflichtet. Er kann und muss z. B. als Zeuge („gegen“ seinen vormaligen Ansprechpartner) aussagen, wenn ihn das Unternehmen (durch den Nachfolger des betroffenen Organs oder durch einen Insolvenzverwalter) von der Verschwiegenheitspflicht entbindet (str. ‒ wie hier OLG Köln NZWiSt 16, 285).

     

    b) Sicher ist sicher: Informieren Sie ausführlich

    Zurückgehend auf eine Entscheidung des US Supreme Court aus 1981 (Upjohn Co. v. United States ‒ 449 U.S. 383) hat sich im angloamerikanischen Rechtskreis daher die Praxis entwickelt, Unternehmensangehörigen ein so genanntes „Upjohn Warning“ zu erteilen. Das informiert ausdrücklich darüber, dass der Anwalt eine Mandatsbeziehung (einschließlich Verschwiegenheitspflicht) ausschließlich mit dem Unternehmen unterhält und ausschließlich die Interessen des Unternehmens (und nicht die der natürlichen Person) wahrzunehmen hat.

     

    PRAXISHINWEIS | Hierzulande gehören entsprechende Belehrungen bedauerlicherweise noch nicht zum Beratungsstandard. Dies muss sich ändern (so auch Kirsch, NZWiSt 16, 287, 288). Gehen Sie daher auf Nummer sicher und informieren Sie ausführlich.

     

    3. Keine „Scheuklappen“-Beratung und -Begutachtung

    Das Recht und seine dogmatische Durchdringung in Literatur und Rechtsprechung ist eine expandierende Materie. Deren (sektorale) Beherrschung verlangt eine immer weitergehende Spezialisierung auf Seiten der anwaltlichen Berater. Diesem Faktum ist der Bedarf an White-Collar Housekeeping überhaupt erst geschuldet.

     

    a) Umfang der Beratung

    In einem gewissen Kontrast hierzu steht das Postulat der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Bereich der Anwaltshaftung, nach welchem der um Rat ersuchte Rechtsanwalt das in Rede stehende Rechtsproblem unter allen rechtlichen Gesichtspunkten einschließlich Spezialmaterien zu bewältigen hat (vgl. nur BGH 22.9.05, IX ZR 23/04, AnwBl 06, 68). Es ist zwar nicht notwendig, umfassend und erschöpfend zu prüfen und zu beraten, wenn der Auftraggeber eindeutig zu erkennen gibt, dass er nur in einer bestimmten Richtung beraten werden will (BGH, a.a.O.). Im Bereich des White-Collar Housekeeping werden Fragen und Prüfaufträge typischerweise auf die „strafrechtliche Relevanz“ der in Rede stehenden Sachverhalte beschränkt.

     

    b) Risiken bei der Beratung

    Vor dem Hintergrund einer jüngeren Entscheidung des BGH ergeben sich gleichwohl Risiken für die ‒ in der Praxis übliche ‒ rechtsgebietsbeschränkte Beratung und Begutachtung:

     

    • Mit Urteil vom 28.4.15 hat der BGH (II ZR 63/14, ZWH 15, 243 m. Anm. Walther) ausgeführt, dass von einem nicht selbst rechtskundigen Auftraggeber nicht verlangt werden könne, die „richtigen“ Rechtsfragen zu formulieren.

     

    • Selbst wenn sich der Auftrag ausdrücklich auf eine ganz bestimmte Rechtsfrage beschränkt, soll sich der Auftraggeber unter Umständen darauf verlassen können dürfen, der Anwalt werde ‒ trotz anderweitiger/beschränkter Aufgabenstellung ‒ auch die „wirklich wichtigen“ Rechtsfragen bedenken (a.a.O.).

     

    • Von einem auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Berater darf jedenfalls verlangt werden, außerstrafrechtliche Handlungspflichten des Mandanten im Blick zu haben, die sich aus den beratungsgegenständlichen Sachverhalten ergeben (allen voran steuerlicher Berichtigungspflichten nach § 153 AO) ‒ auch wenn nicht danach gefragt worden war.

     

    c) Mögliche Lösungen

    Vor diesem Hintergrund sind in der Praxis häufig anzutreffende „Disclaimer“ ‒ „die Prüfung beschränkte sich auftragsgemäß auf eine Prüfung auf strafrechtliche Relevanz“ oder „etwaige außerstrafrechtlichen Implikationen des Sachverhalts wurden auftragsgemäß nicht untersucht“ ‒ nicht ohne Risiko.

     

    PRAXISHINWEIS | Offen zutage liegende außerstrafrechtliche (z. B. steuerliche) Implikationen des beratungsgegenständlichen Sachverhalts sollten benannt werden, um Missverständnissen und späteren Auseinandersetzungen vorzubeugen.

     

     

    Eine Detailprüfung ist nicht verlangt. Dem Auftraggeber muss aber unmissverständlich signalisiert werden, dass der Sachverhalt außerstrafrechtliche Implikationen aufweist, die gesonderter Prüfung und Beachtung bedürfen. Dies gilt besonders im Zuge der Beratung von Unternehmen. Dort werden die Arbeitsergebnisse der anwaltlichen Beratung und Prüfung typischerweise unternehmensintern zur Grundlage der Entscheidung von Personen gemacht, die in die Erteilung des Beratungs- oder Gutachtenauftrags nicht eingebunden waren. Sie sind sich daher nicht immer bewusst, dass das Beratungs-/Gutachtenergebnis nur begrenzt ist.

     

    Musterformulierung / Disclaimer

    Ein „Disclaimer“ könnte (im Falle steuerlicher Berichtigungspflichten) lauten: „Neben der auftragsgemäß geprüften strafrechtlichen Relevanz weist der Sachverhalt steuerrechtliche Relevanz auf und dürfte steuerliche Berichtigungspflichten auslösen. Diese müssten gesondert geprüft werden.“

     

    4. Vergütung

    White-Collar Housekeeping-Mandatsbeziehungen ergeben sich häufig nachlaufend aus anwaltlicher Tätigkeit in einem Ermittlungs-/Strafverfahren. Hierfür wurde typischerweise eine Vergütungsvereinbarung geschlossen. Das Verfahren ist lange abgeschlossen; im Alltagsgeschäft ergibt sich eine strafrechtliche Frage und der „bewährte“ Anwalt wird um Rat gefragt. Weitere Anfragen folgen in unregelmäßigen Abständen ‒ irgendwann soll der entstandene Aufwand abgerechnet werden.

     

    a) Am besten Gebührenvereinbarung abschließen

    Die angefragte anwaltliche Tätigkeit spielt sich außerhalb eines justizförmigen Verfahrens als anwaltliche Beratung und Begutachtung ab. Hierfür sieht das RVG bekanntlich keine „gesetzliche“ Anwaltsvergütung vor. Nach § 34 Abs. 1, S. 2 RVG erhält der Rechtsanwalt (immerhin) Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, wenn keine Gebührenvereinbarung getroffen wurde. In Abwesenheit einer taxmäßigen Vergütung wäre dies die „übliche Vergütung“ (vgl. § 612 Abs. 2, § 632 Abs. 2 BGB). Um einer Diskussion mit der Mandantin über die Höhe einer „üblichen Vergütung“ aus dem Weg zu gehen (vgl. dazu ausführlich Gerold/Schmidt/Meyer, RVG, 22. Aufl. 2015, § 34 RVG, Rn. 44 ff.), sollte unbedingt eine Gebührenvereinbarung ‒ wie auch in § 34 Abs. 1, S. 1 RVG empfohlen ‒ geschlossen werden.

     

    b) Vereinbarung ist formfrei wirksam

    Die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 RVG gelten für die Gebührenvereinbarung bei Beratungs- und Gutachtentätigkeit erfreulicherweise nicht (vgl. § 3a Abs. 1, S. 4 RVG). Eine Vereinbarung bedarf also insbesondere nicht der Textform, sondern ist formfrei wirksam (vgl. nur Gerold/Schmidt/Meyer, a.a.O., Rn. 43).

     

    Beachten Sie | Dieser Umstand stattet die Vergütungsseite der Mandatsbeziehung mit einer angenehmen Flexibilität aus: Wenn es schnell gehen muss und eine schriftliche (Rahmen)Vereinbarung für die laufende Beratungstätigkeit (noch) nicht besteht, kann über Vergütung rechtswirksam gesprochen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass zwar eine schriftliche (Rahmen)Vereinbarung besteht, die aktuelle Anfrage aber ‒ aus welchem Grund auch immer ‒ anders vergütet werden soll (Pauschale o. ä.).

     

    PRAXISHINWEIS | Selbstverständlich sollten Sie aber eine mündlich geschlossene Gebührenvereinbarung wenigstens per E-Mail bestätigen. So beugen Sie Missverständnissen und Beweisschwierigkeiten vor.

     

    5. Zusammenfassung

    Die laufende, verfahrensunabhängige wirtschaftsstrafrechtliche Beratung von Unternehmen (White-Collar Housekeeping) weist spezifische Risiken auf, denen in der Beratungspraxis Rechnung zu tragen ist.

     

    • Ansprechpartner auf Unternehmensseite können sich im Zuge der Beratung durch Mitteilung (sich selbst) belastender Informationen exponieren, ohne dass sie Mandant sind und die weitere Verwendung der (selbst)belastenden Informationen kontrollieren können (Mandant ist und bleibt allein das Unternehmen). Den Ansprechpartnern auf Unternehmensseite sollte daher ein so genanntes „Upjohn Warning“ erteilt werden, das ausdrücklich darüber informiert, dass der Anwalt eine Mandatsbeziehung (einschließlich Verschwiegenheitspflicht) ausschließlich mit dem Unternehmen unterhält und ausschließlich die Interessen des Unternehmens (und nicht die der natürlichen Person) wahrzunehmen hat.

     

    • Um Missverständnissen und späteren Auseinandersetzungen vorzubeugen, sind offen zutage liegende außerstrafrechtliche (z. B. steuerrechtliche) Implikationen des beratungsgegenständlichen Sachverhalts auch dann ausdrücklich als solche zu benennen, wenn eine „ausschließlich strafrechtliche Prüfung“ beauftragt wurde. Der bloße Hinweis im anwaltlichen Arbeitsergebnis auf eine „auftragsgemäß ausschließlich strafrechtliche Prüfung“ bei offen zutage liegenden außerstrafrechtlichen Implikationen des Beratungsgegenstands birgt Risiken.

     

    • Die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 RVG (v. a. Textform) gelten für die Gebührenvereinbarung bei Beratungs- und Gutachtentätigkeit auf dem Gebiet des (Wirtschafts)Strafrechts erfreulicherweise nicht. Gebührenvereinbarungen können dementsprechend auch mündlich geschlossen werden.
    Quelle: ID 44532825