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  • · Fachbeitrag · Interview

    „Wie jedes Unternehmen können auch Kanzleien ihren Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt leisten“

    | Die natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern und zu erhalten, tritt immer stärker in den Vordergrund. Auch die Anwaltschaft beschäftigt sich mit diesem wichtigen Thema. So steht der nächste Deutsche Anwaltstag, der vom 14. bis zum 16.06.23 in Wiesbaden stattfinden wird, unter dem Motto „Mit Recht nachhaltig“. Inwieweit sich Anwältinnen und Anwälte für Nachhaltigkeit einsetzen können, erklärt Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins (DAV), im Interview mit Anke Stachow. |

     

    Frage: Wie der DAV angekündigt hat, sollen auf der Veranstaltung die verschiedenen Facetten der Nachhaltigkeit beleuchtet werden. Welche sind das?

     

    Antwort: Der Begriff der Nachhaltigkeit wird häufig zuerst mit Umwelt- und Klimaschutz assoziiert. Der sorgsame Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten ist aber auch ganz generell eine Frage der Generationengerechtigkeit. Gerade in den letzten Jahren ist Nachhaltigkeit zu einem Thema geworden, das viele junge Menschen bewegt und weit über die Klimakrise hinausgeht. Auch das Sozialwesen und die Wirtschaft sind betroffen, sei es bei der Armutsbekämpfung, der Förderung von Bildungsmöglichkeiten oder der Geschlechtergleichheit. Hier geht es also um den verfassungsrechtlich geschützten Bereich der Teilhabe aller. Diese Chancengerechtigkeit zu erreichen, ist eine rechtliche Herausforderung.

     

    Frage: Welche Aspekte spielen insbesondere für die Anwaltschaft eine bedeutende Rolle?

     

    Antwort: Im Recht und in der Arbeit der Anwaltschaft ist das Thema Nachhaltigkeit kein neues, gewinnt aber stetig weiter an Bedeutung. Das betrifft ‒ was wenig überraschen dürfte ‒ das Umweltrecht, aber auch das Bau- und Mietrecht sowie das öffentliche Planungsrecht. Man denke an die Kreislaufwirtschaft oder die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Ebenso spielt Nachhaltigkeit in internationalen Kontexten eine Rolle und ist eng mit Fragen rund um die Menschenrechte verknüpft, beispielsweise im Bereich der Corporate Social Responsibility und bei der Gestaltung von Lieferkettengesetzen.

     

    Frage: Was können Anwältinnen und Anwälte unternehmen, um ihre Kanzlei nachhaltiger zu führen?

     

    Antwort: Wie jedes Unternehmen können natürlich auch Kanzleien ihren Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt leisten. Das fängt schon dabei an, möglichst ressourcenschonend zu arbeiten. Die Bandbreite reicht dabei von der Auswahl des Verkehrsmittels zu Terminen über die Anschaffung von Büromaterial bis hin zur Wahl von Kommunikationswegen. Es geht aber auch um so einfache Fragen, ob papierarm oder papierlos gearbeitet wird.

     

    Frage: Inwieweit belasten die gestiegenen Energiepreise auch die Kanzleiinhaberinnen und -inhaber? Werden einige größere Probleme bekommen?

     

    Antwort: Der Anstieg der Energiepreise stellt die gesamte Gesellschaft vor Herausforderungen. Kanzleiinhaberinnen und -inhaber sind davon nicht ausgenommen. Individuell kann das durchaus zu größeren Problemen führen, etwa für kleinere Einheiten mit geringen finanziellen Puffern für eventuelle Umrüstungen. Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Anwaltschaft aber nicht überdurchschnittlich stark von der Energiepreiserhöhung betroffen.

     

    Frage: Gibt es beim DAV Überlegungen, wie Anwältinnen und Anwälte zum einen in der Energiekrise und zum anderen bei der ökologischen Kanzleiführung unterstützt werden können?

     

    Antwort: Der DAV setzt sich bereits seit Langem dafür ein, dass in jeder Legislaturperiode eine Anpassung der Vergütungssätze nach dem RVG an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung erfolgen muss. Dadurch wären zumindest die finanziellen Sorgen der Energiekrise etwas aufgefangen. Wir setzen auf die Eigenverantwortung einer jeden Anwältin, eines jeden Anwalts als Teil der Gesellschaft.

     

    Während der Pandemie musste sich die Anwaltschaft, wie viele andere Branchen, bereits an einen digitaleren Arbeitsalltag gewöhnen ‒ viele dieser neuen Gewohnheiten werden uns erhalten bleiben: Den Sinn einer langen Dienstreise (womöglich mit Inlandsflügen) für einen kurzen Vortrag oder ein Gespräch zu hinterfragen, ist aus ökologischen Gesichtspunkten sicher vernünftig. Zahlreiche Sitzungen werden wir auch künftig virtuell durchführen. Damit können Wege sowie Zeit gespart und Ressourcen geschont werden.

     

    Darüber hinaus sind wir sehr gespannt, welche Ideen für eine nachhaltige Anwaltstätigkeit wir kommendes Jahr beim Deutschen Anwaltstag diskutieren und entwickeln werden.

     

    Frau Dr. Ruge, vielen Dank für das Gespräch!

     

    Beachten Sie | Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist für Rechtsanwaltskanzleien im Moment vielleicht noch nicht so präsent wie in der Industrie oder dem produzierenden Gewerbe. Aber aktuell wächst auch in den Kanzleien immer stärker die Erkenntnis, dass Ressourcen im Bürobetrieb schonender eingesetzt werden müssen. Die explodierenden Energiekosten sowie steigende Preise für viele andere Verbrauchsgüter beschleunigen diesen Prozess des Umdenkens. Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte, wie auch Kanzleien mehr für den Klimaschutz leisten können. Unter der neuen Rubrik „Nachhaltigkeit“ beschäftigt sich AK mit den damit verbundenen Herausforderungen und gibt praktische Tipps für den Kanzleialltag (z. B. wie Sie beim Beleuchten, Heizen, Warmwasseraufbereiten, Lüften, in Hitzeperioden oder beim Stromverbrauch außerhalb der Geschäftszeiten Kosten sparen). Und: Haben Sie selbst Fragen oder Anregungen? Teilen Sie uns gern Ihre Ideen mit und schreiben Sie uns (per E-Mail an ak@iww.de)!

    Quelle: Ausgabe 11 / 2022 | Seite 191 | ID 48630506