· Fachbeitrag · Ausbildungsbeginn
8 Tipps: Wie Rechtsanwälte ihren Auszubildenden den Einstieg in der Kanzlei erleichtern
von Merle Jordan, Rechtsanwaltsfachangestellte, Partner- und Teamassistentin
| Auszubildende sollte man nicht vernachlässigen oder unterschätzen, sondern fördern ‒ es lohnt sich. Wenn junge Menschen direkt nach ihrem Schulabschluss die Ausbildung in einer Kanzlei beginnen, sollten sie von Tag eins an offen, unterstützend und hilfsbereit ins Kanzleigeschehen integriert werden. Das sorgt nicht nur für ein gutes Arbeitsklima. Sie bekommen zusätzlich engagierten und motivierten Nachwuchs, der meistens schon gute Office-Kenntnisse, frischen Wind und sogar innovative Ideen einbringen kann. |
1. Nicht vergessen: Aller Anfang ist schwer
Sie können davon ausgehen, dass Menschen, die gerade ihren Schulabschluss gemacht haben, so gut wie keine Erfahrung mit der Tätigkeit in einem Unternehmen haben. Sie haben zwar Schulpraktika und vielleicht auch schon den einen oder anderen Nebenjob absolviert. Aber dies ist nicht mit einem richtigen Arbeitsplatz vergleichbar. Hier können gerade am Anfang die vielen neuen Eindrücke und fremden Menschen regelrecht einschüchternd sein.
PRAXISTIPP | In Kanzleien kommen zu allen neuen Eindrücken Fachthemen mit vielen Facetten, fremde Arbeitsabläufe, juristische Fachbegriffe etc. dazu. Machen Sie sich und Ihrem Team bewusst, dass Berufsanfänger buchstäblich bei Null anfangen. Nehmen Sie sich Zeit für die Einarbeitung und planen Sie diese. |
2. Über die erste Hürde menschlich helfen
Auszubildende sind zwar erst einmal „nur“ Auszubildende. Dennoch sollten ihnen alle Kanzleimitglieder das Gefühl vermitteln, dass sie erwünscht und willkommen sind. Zwar kann man sich nicht auf jeder Hierarchiestufe auf fachlicher Augenhöhe begegnen, menschlich aber schon. So sollte für alle selbstverständlich sein, dass die Auszubildenden nicht bloß billige oder minderwertige Arbeitskräfte sind. Allen sollte bewusst sein, dass dies junge Menschen sind, die einen Beruf lernen möchten. Ziel ist, die Auszubildenden so gut auszubilden, dass sie nach Beendigung der Ausbildung übernommen werden können, um die Kanzlei als vollwertige Fachkraft zu unterstützen.
PRAXISTIPP | Sorgen Sie für einen freundlichen Empfang der Auszubildenden. Das erzeugt ein Zugehörigkeitsgefühl und nimmt einiges an etwaigen Unsicherheiten. Die Auszubildenden sollten mit Zeit und von der Person in Empfang genommen werden, mit der sie bereits das Einstellungsgespräch geführt haben. Denn diese Person ist ihnen bereits bekannt und die Hemmschwelle wird niedriger. |
3. In einem Eingangsgespräch einen ersten Überblick geben
Bevor die Auszubildenden in „ihre“ Abteilung gebracht werden, ist ein Eingangsgespräch zwischen den Auszubildenden und der Person sinnvoll, die sie in Empfang genommen hat. Hier sollten grundsätzliche Themen erläutert werden (z. B. Arbeits- und Pausenregelungen, Verhalten im Krankheitsfall, etwaige Zeit- oder Überstundenerfassung, Kleiderordnung o. Ä.). Nehmen Sie sich die Zeit, erste Fragen der Auszubildenden zu beantworten.
PRAXISTIPP | In diesem Zuge ist es eine nette und nützliche Geste, den Auszubildenden (und im Übrigen auch anderen neuen Kollegen!) ein kleines Handout oder eine Willkommensmappe zu überreichen, die die grundlegenden Informationen schriftlich enthält. Außerdem können darin der Aufbau und die Struktur der Kanzlei, die verschiedenen Abteilungen (evtl. mit Kontaktdaten) und Zusatzangebote der Kanzlei (z. B. mögliche Weiterbildungsangebote, etwaige Sonderkonditionen für Sport/Gesundheit, Informationen zur Berufsschule, Einarbeitungs- und Einsatzplan, Berichtsheftmuster) beschrieben werden. |
4. Eine Vorstellungsrunde starten
Wenn die direkten Kollegen der neuen Auszubildenden nicht schon beim Eingangsgespräch dabei sind, sollten Sie die Auszubildenden den Kollegen persönlich vorstellen. Bei großen Kanzleien ist von großen Vorstellungsrunden abzuraten, weil zu viele fremde Personen und Namen die Auszubildenden neben den vielen anderen Eindrücke überfordern können.
PRAXISTIPP | Wem wird der neue Azubi persönlich vorgestellt? An die anderen Kanzleimitglieder kann der für die Auszubildenden Verantwortliche eine E-Mail versenden, in der über den Beginn der neuen Auszubildenden berichtet wird ‒ inklusive des Namens und der Abteilung, in der sie eingesetzt werden. So ist jeder informiert und kann die neuen Mitarbeiter auch einmal auf dem Flur oder an der Kaffeemaschine ansprechen und willkommen heißen. |
5. Den Arbeitsplatz vorbereiten
Jeder kommt gerne in ein schönes und funktionierendes Zuhause! Und genauso sollte auch der Arbeitsplatz sein, an dem man viel Zeit seines Lebens verbringt. Der Arbeitsplatz sollte bereits bei Beginn ihrer Tätigkeit in der Kanzlei eingerichtet sein, d. h.: Die notwendigen Materialien sind vorhanden, die Hardware ist eingerichtet, die Zugangsdaten liegen bereit. Vielleicht gibt es sogar eine kleine Aufmerksamkeit (z. B. Blumenstrauß). Dies alles gibt den neuen Auszubildenden das Gefühl, erwünscht zu sein.
PRAXISTIPP | Arbeitsmittel und Einarbeitungsplan sollten bereit liegen. Sinnvoll ist auch eine Telefonliste mit allen Durchwahlen sämtlicher Kanzleimitglieder. In größeren Kanzleien ist ein „Sitz-“ bzw. ein Etagenplan der Kanzlei empfehlenswert. |
6. Ins Teamgeschehen einbeziehen
Egal, ob Cliquenbildung, neue oder alte Mitarbeiter ‒ ausschließen darf man niemanden. Denn ein solches Verhalten verunsichert, verängstigt und kann Mitarbeiter regelrecht in die Flucht schlagen. Hier ist es wichtig, dass alle ‒ also Kollegen und Vorgesetzte ‒ darauf achten, dass jeder Auszubildende freundlich, offen und unvoreingenommen aufgenommen wird.
PRAXISTIPP | Gespräche untereinander über (neue) Kollegen sollten grundsätzlich vermieden werden. Besser wäre es, die neuen Auszubildenden von vornherein mit einzubeziehen, z. B. sie mit zur gemeinsamen Kaffee- oder Mittagspause des Teams mitzunehmen. Schlagen Sie dies Ihren Mitarbeitern ruhig einmal vor, wenn sie dies noch nicht von sich aus tun. |
7. Paten bestimmen
Gerade in einer Großkanzlei kann es hilfreich sein, den Auszubildenden jeweils einen internen Paten an die Seite zu stellen, der sie in der Anfangszeit mit Rat und Tat unterstützt. Natürlich sollte dies in erster Linie die Aufgabe der direkten Kollegen sein. Allerdings bietet man mithilfe von Paten eine weitere Vertrauensperson, an die sich die Auszubildenden bei Fragen und/oder Problemen wenden können. Und die direkten Kollegen können sich auf die Einarbeitung in das Aufgabengebiet der Auszubildenden konzentrieren.
PRAXISTIPP | Um einen neuen Auszubildenden nicht nur einzuarbeiten, sondern in die Kanzlei zu integrieren, kann ihn ein Pate unterstützen. Als Paten eignen sich Kollegen, die schon länger in der Kanzlei tätig sind. Sie kennen sich mit den internen Gepflogenheiten aus und haben bereits einen großen Erfahrungsschatz, den sie mit den Auszubildenden teilen können. Ältere Auszubildende sind als Paten in der Regel nicht zu empfehlen. Denn sie sind oft selbst noch unerfahren und sollten sich ausschließlich auf ausbildungsrelevante Themen konzentrieren, um einen guten Ausbildungsabschluss erreichen zu können. |
8. Duzen oder Siezen?
Jede Kanzlei hat andere Gewohnheiten und Richtlinien, was das Thema „Duzen oder Siezen?“ angeht. Was allerdings vermieden werden sollte, ist auch hier eine Ausgrenzung. Diese kann schnell passieren, wenn sich alle im Team untereinander duzen und nur die Auszubildenden gesiezt werden.
PRAXISTIPP | Um hier den Auszubildenden unter die Arme zu greifen und zu verhindern, dass sie in etwaige Fettnäpfchen treten, empfehle ich, das Thema und den Stil der Kanzlei offen anzusprechen. Informieren Sie über die diesbezüglichen Gepflogenheiten in Ihrer Kanzlei. Und auch im Job „greifen“ die Knigge-Regeln: Duzen darf ausschließlich vom Ranghöheren angeboten werden. Wenn es im Team keinen Rangunterschied gibt, entscheiden die Dienstjahre, d. h.: Derjenige Kollege, der länger in der Kanzlei ist, bietet das Du an, aber nicht umgekehrt. |