Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Kommunikation

    Teambuilding in der Anwaltskanzlei

    von Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht

    | Ambitionierte Umsatzziele, die Konkurrenz um möglichst viele Mandate, straffe Hierarchien und Zwei-Klassen-Denken ‒ in vielen Anwaltskanzleien steht Teamarbeit nicht unbedingt im Vordergrund. Doch sie hat klare Vorteile gegenüber dem Einzelkämpfertum ‒ und zwar sowohl für die Mandanten als auch für die Kanzlei. |

    1. Teambuilding lohnt sich gleich mehrfach

    Die Anforderungen von Mandanten werden immer vielschichtiger und dringlicher. Für solide Arbeitsergebnisse kommt es darauf an, dass jeder in der Kanzlei seine Talente einsetzt und alle reibungslos zusammenarbeiten. Ein eingespieltes Team erbringt bessere juristische Dienstleistungen und ist innovativer, als wenn jeder für sich arbeitet. Und auch die Teammitglieder selbst profitieren von Feedback und Austausch.

    2. Anlass für Teambuilding ist jedenfalls ein neuer Mitarbeiter

    Ein typischer Anlass für gezieltes Teambuilding ist die Integration neuer Kanzleimitglieder. Dabei ist es egal, ob es um eine erfahrene Rechtsanwältin mit besonderer Spezialisierung, den ersten Notar im Team oder eine Büro- oder Verwaltungsfachkraft geht. Doch auch in bestehenden Teams kann es zu Veränderungen kommen, die Teambuilding-Maßnahmen erforderlich machen. Vielleicht gilt es, eine neue Marktposition zu erobern, oder ein wichtiger Partnerschaftsvertrag wird aufgelöst. Nicht zuletzt kann auch ein privater Wandel das Team schwächen, z. B. wenn jemand familiär oder gesundheitlich bedingt sein Arbeitspensum reduzieren muss.

    3. So klappt der Start im Team

    Teambuilding beginnt schon lange vor der Einstellung einer neuen Kraft. Der oder die Neue muss menschlich und fachlich ins Team passen ‒ gewährleistet wird dies durch die sorgfältige Feststellung der individuellen Stärken und Bedarfe. Für einen effektiven Einstieg selbst haben sich Einarbeitungspläne bewährt. Das Ziel dabei ist: Reibungsverluste im Team zu vermeiden und nach kurzer Zeit strukturiert mitarbeiten zu können.

     

    Der Kanzleinhaber sollte die neue Kraft persönlich dem gesamten Team vorstellen ‒ und umgekehrt. In der Einarbeitungsphase müssen regelmäßige Gespräche eingeplant werden, in denen besprochen wird, wie es mit der Zusammenarbeit steht, was schon gut läuft und wo noch Informations- oder Nachschulungsbedarf besteht. Förderlich können dafür z. B. Feedbackgespräche unter vier Augen, eine regelmäßige Teamsitzung und ein gemeinsames Essen am ersten Arbeitstag und in der frühen Einarbeitungsphase sein. Denken Sie auch über einen Paten nach, der dem neuen Mitarbeiter in der Einarbeitungszeit zur Seite steht.

     

    PRAXISTIPP | Die Einarbeitung ist kein Prozess in nur eine Richtung. Ermuntern Sie Ihren neuen Mitarbeiter aktiv, Rückmeldungen zur Einarbeitung und zu Teamprozessen zu geben. Solche Anregungen und Ideen können für die Optimierung bestehender Abläufe wertvoll sein.

     

    4. An diesen Punkten erkennen Sie Handlungsbedarf im Team

    Selbst Menschen, die schon viele Jahre zusammenarbeiten, bilden manchmal kein funktionierendes Team. Um die Leistungsfähigkeit der Kanzlei zu verbessern, sind auch hier Teambuilding-Maßnahmen sinnvoll. Anzeichen für echte Krisen, bei denen Handlungsbedarf besteht, sind:

     

    • Negativismus, Ausweichverhalten, mangelndes Vertrauen
    • Schuldzuweisungen, Grenzverletzungen, Aggressionen (nonverbal und verbal)
    • übermäßige Anpassungshaltung, Rückzug, Einzelkämpferdasein
    • ungenügender Informationsfluss, fehlende Absprache
    • häufige Krankmeldungen, hohe Fluktuation, häufiges Fehlen Einzelner bei gemeinsamen Terminen
    • mangelnde Geradlinigkeit und Offenheit
    • unfreundliches/unhöfliches Verhalten untereinander
    • Intrigen und Gerüchte
    • Bevorzugung bzw. Vernachlässigung Einzelner
    • Nichtbefolgung von Regeln
    • vergiftetes Lob, „Shit-Sandwiches“, Überlegenheits-Demonstrationen
    • gegenseitige Arbeitsbehinderung (z. B. Verweigerung von Informationen)
    • Offenlegung von Privatangelegenheiten anderer Mitarbeiter

     

    PRAXISTIPP | Notieren Sie genau, wenn solche Kommunikationsprobleme auftreten. Das ermöglicht es, sie später noch einmal sachlich zu besprechen. Auch die eventuell notwendige Arbeit eines Mediators oder Coaches wird so erleichtert.

     

    5. Die Basis des Teambuildings: Seien Sie Vorbild

    Manchmal ist es nötig, sich Hilfe von außen zu holen. Doch sehr oft können auch interne Veränderungen das Zusammenspiel verbessern. Der Hauptpunkt dabei ist: Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und ermutigen Sie die anderen dazu, sich ihrerseits beispielhaft zu verhalten:

     

    • Machen Sie den anderen eigene Ideen und eigenes Wissen frei zugänglich.
    • Arbeiten Sie an der eigenen Kritikfähigkeit und ändern Sie bei Kritik Ihr Verhalten auch wirklich.
    • Reduzieren Sie übermäßige Kontrollen.
    • Lassen Sie jedem Mitarbeiter Freiräume und die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen ‒ stets im Rahmen klarer Zuständigkeiten und Regeln.
    • Animieren Sie zu einer offenen Kommunikation, auch über Unangenehmes. Perfekt dafür geeignet sind strukturierte Feedback-Runden (z. B. 15 mögliche Feedbackmethoden von Creaholic SA | Pulse Feedback: iww.de/s9931).

    6. So machen Sie aus Individualisten ein Team

    Realistische Zielvereinbarungen sind eine weitere Grundvoraussetzung dafür, dass sich alle im Team wiederfinden. Die Aufgabenverteilung sollte sachgerecht erfolgen, auch wenn der eine Mitarbeiter vielleicht aus organisatorischen Gründen mehr im Vordergrund steht als der andere. Überlegen Sie, wer welche Stärken hat. Erkennen Sie alle Beiträge zum Erfolg an, auch die aus der zweiten und dritten Reihe. Falls Sie ein echtes „Alphatier“ in Ihrer Kanzlei haben, achten Sie mit Augenmaß darauf, es nicht vor den Kopf zu stoßen. Das Ziel sollte vielmehr sein, dass es für andere ein klein wenig Platz im Rampenlicht macht.

     

    PRAXISTIPP | Auch mit der Wahl des Vergütungssystems können Sie einen gewissen Einfluss auf die interne Konkurrenzsituation nehmen. Beim Senioritätsprinzip wird der Erfolg der gesamten Kanzlei nach bestimmten Kriterien auf die Einzelnen verteilt; auch die Abgabe von Mandaten an Kollegen kann so belohnt werden. Beim „merit-based“ Leistungssystem wird nach individuellem Erfolg bezahlt ‒ das kann Ellenbogenmentalität fördern. Equal Share klingt zunächst einmal sehr solidarisch, kann jedoch das Teamgefühl beeinträchtigen, wenn die Partner in Sachen Alter, Arbeitspensum und/oder Erfahrung nicht vergleichbar sind.

     

    7. Lob in der Gruppe fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl

    Hat Ihre Kanzlei wieder einmal ein Mandat für sich entschieden, einen wichtigen Klienten gewonnen oder einen neuen Arbeitsablauf etabliert? Dann feiern Sie diesen Erfolg gemeinsam im Team. Betreiben Sie Ursachenforschung: Warum ist das Projekt so gut gelungen? Wer war alles eingebunden? So machen Sie den Einzelnen im Ganzen sichtbar, und zwar für alle Beteiligten. Natürlich ist bisweilen auch eine Fehlersuche nötig. Doch sollte die Erfolgsbetrachtung mindestens ebenso viel Raum einnehmen. Denn auch auf dieser Basis lässt sich sehr viel lernen und verbessern.

     

    PRAXISTIPP | Wie wäre es mit einem Jour fixe, in dem nur Positives berichtet wird? Kollektives Schulterklopfen kann das Gemeinschaftsgefühl deutlich stärken.

     

    8. Teambuilding-Aktivitäten wollen wohl überdacht sein

    Neben den dargestellten Basics finden Sie im Internet unzählige Vorschläge zu Teambuilding-Spielen und -Aktivitäten. Doch nicht umsonst sind solche Aktivitäten in vielen Unternehmen (zumindest bei einem Teil der Mitarbeiter) unbeliebt und werden als langweilig oder peinlich empfunden. Bevor Sie sich also für eine Aktion entscheiden, sollten Sie über die Interessen und Fähigkeiten aller Beteiligten nachdenken, damit sich niemand unwohl fühlen muss. Verschiedene Aktivitäten fördern zudem bestimmte Team-Aspekte ‒ z. B. Kennenlernen, Problemlösung oder Zusammenhalt. Bei der Auswahl kann eine anonyme Umfrage helfen. Passt alles, können Teambuilding-Aktivitäten die Zusammenarbeit und die Produktivität des Kanzlei-Teams wirksam fördern.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2024 | Seite 16 | ID 49792868