· Fachbeitrag · Mandatsverhältnis
So schnell ist ein Anwaltsvertrag nicht nichtig
| Vertritt der Anwalt widerstreitende Interessen, verstößt er gegen § 43a Abs. 4 BRAO. Der Anwaltsvertrag ist dann nichtig. Ist der Anwalt allerdings im Rahmen eines Handelsvertretervertrags tätig, gibt es keine widerstreitenden Interessen. Und damit auch keinen nichtigen Vertrag. Hierauf weist der BGH hin. |
Sachverhalt
Eine Rechtsanwaltsgesellschaft (Klägerin) schloss mit der Beklagten einen Vertrag vom 4./9.5.12, der zum 31.3.15 ordentlich kündbar war. Sie sollte für die Beklagte möglichst günstige Lieferverträge (Einkauf von Hackschnitzeln und Landschaftspflegeholz) aushandeln, prüfen und vermitteln. Dafür vereinbarten die Parteien eine monatliche Pauschalvergütung von 3.000 EUR netto sowie eine erfolgsabhängige Vergütung. Die Beklagte kündigte den Vertrag mehrfach außerordentlich. Die Klägerin hielt die Kündigungen für unwirksam, kündigte den Vertrag allerdings selbst am 6.2.13 und forderte Schadenersatz in Höhe von 81.000 EUR nebst Zinsen. Das OLG München hielt den Vertrag für nichtig und wies die Klage ab. Der BGH hob die Entscheidung auf und wies die Sache an das OLG zurück.
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(Abruf-Nr. 186660) |
Entscheidungsgründe
Der Vertrag verstößt nicht gegen § 43a Abs. 4 BRAO, da die Klägerin allein die Interessen des Unternehmens im Rahmen eines Handelsvertretervertrags (§ 84 HGB) vertrat. Für weitere Parteien und damit widerstreitend war die Klägerin nicht tätig.
Ebenso ist ein Anwaltsvertrag nicht nichtig, wenn der Anwalt neben seiner Anwaltstätigkeit in einem berufsrechtlich unzulässigen Zweitberuf arbeitet (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO). Ein Mandant kann dies schließlich nicht wissen und darf deshalb keine Nachteile erleiden.
Ebenso verstößt der Vertrag nicht gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO. Es existiert nur der strittige Vertrag vom 4./9.5.12. Die Klägerin war in der Angelegenheit nicht nachweisbar bereits außerhalb der Anwaltstätigkeit beruflich tätig. Die Beklagte trat auch keinen Beweis an, dass dies der Fall war. Und auch wenn die Klägerin eine Rechtsanwaltsgesellschaft ist, darf sie nicht nur beratend und vertretend tätig sein. Sie darf auch andere Tätigkeiten ausüben, indem wie hier Verträge vorbereitet und vermittelt werden (BGH NJW 11, 3036).
Relevanz für die Praxis
Der BGH hat die Streitfrage bejaht, ob § 43a Abs. 4 BRAO als Berufspflicht zugleich ein gesetzliches Verbot darstellt. Dieses Verbot kann auch nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Zwar ist ein Anwaltsvertrag bei widerstreitenden Interessen nichtig. Der BGH stufte den hier geschlossenen Vertrag allerdings als Handelsvertretervertrag ein. Diese Vertragsform verpflichtet einen Anwalt, allein die Interessen des Unternehmens wahrzunehmen. Eine Interessenkollision stellt sich bei diesen Verträgen daher gar nicht.
Allein die Möglichkeit, dass ein Anwalt für den Mandanten nachteilig handelt, weil er dadurch seine Vergütung erhöhen kann, bedeutet nicht, dass er widerstreitende Interessen vertritt. Solche grundsätzlichen Missbrauchsrisiken stellen sich bei nahezu jedem Vertrag über anwaltliche Beratungen, so der BGH. Aus einem solchen Anwaltsverhalten resultiert ggf. eine Schadenersatzpflicht. Folge ist aber nicht, dass der Anwaltsvertrag selbst nichtig ist.
PRAXISHINWEIS | Kürzlich entschied das OLG Brandenburg, dass widerstreitende Interessen dann vorliegen, wenn die für eine Partei zu verwirklichenden Interessen unmittelbar zulasten der anderen gehen. Es genügt nicht, dass die Interessen der Parteien widerstreitend sind. Vielmehr muss der Anwalt diese Interessen auch „vertreten“ und als Interessenvertreter beider Parteien tätig werden (31.5.16, 3 U 13/15). |
Weiterführende Hinweise
- So lassen Sie sich Gespräche über die Klagerücknahme bezahlen, AK 16, 56
- Verteidiger ist nicht wegen Strafvereitelung strafbar, nur weil er Akte verzögert zurückgibt, AK 16, 4