· Fachbeitrag · Prozessrecht
So wird die Revision durch einen „anderen Anwalt“ wirksam begründet
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Münster/Augsburg
| Wenn es darum geht, ob eine Revisionsbegründung wirksam unterzeichnet wurde, sind die OLG streng. Das gilt insbesondere, wenn der unterzeichnende Rechtsanwalt noch nicht für den Angeklagten tätig war und es so aussieht, als ob er nur „i. V.“ unterzeichnet. Ein wenig Entspannung kann jetzt ein Beschluss des BVerfG bringen. |
Sachverhalt
Das BVerfG musste über einen Beschluss des OLG Zweibrücken entscheiden. Das hatte in einem Verfahren nach § 346 Abs. 2 StPO einen landgerichtlichen Beschluss „abgesegnet“, in dem eine Revisionsbegründung für unwirksam erklärt wurde. Diese war zwar fristgemäß eingegangen. Sie war jedoch handschriftlich mit „i. V. RA“ unterzeichnet. Beigefügt war der Zusatz „S. K. Rechtsanwalt (nach Diktat verreist)“. Die beiden Anwälte waren in Bürogemeinschaft tätig. Das BVerfG sah den Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt.
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Zweifel an der Verantwortungsübernahme für eine Rechtsmittelbegründung dürfen nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt zuvor nicht für den Beschuldigten tätig geworden ist. Anderes kann nur gelten, wenn der Unterzeichner sich im Schriftsatz oder auch an anderer Stelle vom Inhalt distanziert oder sich sonst aus dem Inhalt der Schrift ergibt, dass der Anwalt die Verantwortung dafür nicht übernehmen kann oder will (Abruf-Nr. 192522). |
Entscheidungsgründe
Die Kernaussagen des BVerfG lassen sich so zusammenfassen:
- Es greift zwar § 345 Abs. 2 ZPO, wonach der Verteidiger nicht bloß durch Unterschrift an der Revisionsbegründung mitwirken darf. Er muss sich vielmehr an ihr gestaltend beteiligen sowie die Verantwortung dafür übernehmen.
- Zweifel an der Verantwortungsübernahme dürfen aber nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Unterzeichner zuvor nicht für den Beschuldigten tätig geworden ist. Zweifel sind auch nicht angezeigt, wenn ein anderer Rechtsanwalt als der unterzeichnende die Begründung diktiert hat. Denn das Erfordernis, den Schriftsatz zu verantworten, ist nicht gleichbedeutend mit dem Erfordernis, den Schriftsatz selbst zu verfassen.
- Es kann also in einer Kanzlei der eigentliche Sachbearbeiter eine Rechtsmittelbegründung entwerfen und ein anderer bevollmächtigter Rechtsanwalt diesen Schriftsatz unterschreiben. Dann ist davon auszugehen, dass Letzterer sich den Inhalt des Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt.
- Anderes kann nur gelten, wenn der Unterzeichner sich im Schriftsatz oder auch an anderer Stelle vom Inhalt distanziert oder sich sonst aus dem Inhalt der Schrift ergibt, dass der Anwalt die Verantwortung dafür nicht übernehmen kann oder will.
- Der Zusatz „i. V.“ bei der Unterschrift steht einer solchen Verantwortungsübernahme nicht entgegen. Er belegt weder, dass der Anwalt die Revisionsbegründung nicht gelesen und ihren Inhalt gebilligt hat, noch dass er sich vom Inhalt der Schrift distanzieren und dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auftreten wollte. Dies würde etwa eine Unterzeichnung „im Auftrag“ nahelegen. Der hier verwendete Zusatz kann vielmehr ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass der Unterzeichnende lediglich zum Ausdruck bringt, vertretungsweise - hier nach § 53 BRAO - zu handeln und dieses Vertretungsverhältnis kenntlich machen zu wollen.
- Auch mit dem Zusatz „nach Diktat verreist“ distanziert sich der Unterzeichner nicht vom Inhalt der Revisionsbegründung. Selbst wenn also mit dem Zusatz „nach Diktat verreist“ nicht nur der Abwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten, sondern auch der Tatsache Ausdruck verliehen werden sollte, dass die Revisionsbegründung allein von diesem diktiert und nicht von dem unterzeichnenden Rechtsanwalt R. ausgearbeitet wurde, steht dies einer Verantwortungsübernahme nicht entgegen.
Relevanz für die Praxis
Schon 2014 hat der 2. Strafsenat des BGH darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung die Voraussetzungen der Verantwortungsübernahme nicht zu hoch schrauben darf. Habe ein Rechtsanwalt die Revisionsbegründung ausgearbeitet und sich der Unterzeichner nicht durch weitere Formulierungen davon distanziert, seien die Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO erfüllt (BGH NJW 14, 3320). Die OLG haben das in der Vergangenheit durchweg anders, bzw. strenger gesehen (z. B. OLG Hamm StRR 12, 227). Diese Rechtsprechung wird sich nun kaum noch aufrechterhalten lassen.
Aber dennoch: Der Verteidiger/Rechtsanwalt sollte trotz der günstigen Rechtsprechung des BVerfG alles vermeiden, aus dem der Schluss gezogen werden könnte, dass er gegebenenfalls nicht die volle Verantwortung für den Inhalt der Begründungsschrift übernimmt. Dieser Mangel kann nach Ablauf der Frist nicht mehr geheilt werden (BayObLG VRS 50, 298; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 345 Rn 16). Er sollte also die Revisionsbegründung ohne einschränkende Zusätze unterzeichnen. Das gilt erst recht für Formulierungen, wie „Nach Auffassung des Angeklagten …“ oder „Auf Wunsch meines Mandanten trage ich noch vor …“ oder „Der Angeklagte lässt vorbringen …“ oder: „Herr X rügt ...“. Solche Formulierungen führen auch nach dem Beschluss des BVerfG zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. dazu BGH NJW 12, 1748; OLG Hamm StraFo 00, 345; OLG Rostock NJW 09, 3670 [Ls.]).