· Fachbeitrag · Strafbarkeit
Abschluss eines Vergleichs gegen den Willen des Mandanten ist Parteiverrat
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Münster/Augsburg
| Der BGH hat in einem Strafverfahren entschieden, in dem ein Münsteraner Rechtsanwalt und Notar vom LG Münster wegen (schweren) Parteiverrats nach § 356 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden war. Der BGH sieht in dem Verhalten des Rechtsanwalts nur einen „einfachen Parteiverrat“. Deshalb hat er den Strafausspruch aus 2017 aufgehoben. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Ausgangspunkt des Strafverfahrens war ein Verwaltungsverfahren, das 2012 beim BVerwG anhängig war. Der Rechtsanwalt hatte mehrere Kläger aus Oldenburg vertreten, darunter auch die Stadt, eine Wohnungsbaugesellschaft, eine Stiftung und Privatleute. Beklagte war die Deutsche Bahn, die die Bahnstrecke zum Tiefwasserhafen „JadeWeserPort“ im nahen Wilhelmshaven ausbauen will, streckenweise wohl mitten durch das Oldenburger Stadtgebiet. In dem Verfahren vor dem BVerwG hatte die DB einen Vergleich angeboten, der Lärmschutzmaßnahmen für die betroffenen Wohngebiete in Oldenburg vorsah. Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten geraten, das Angebot anzunehmen. Einige der Kläger willigten ein, u. a. die Stadt Oldenburg. Nicht jedoch ebenfalls vertretene private Kläger. Diese hatten die ausdrückliche Weisung erteilt, keinen Vergleich abzuschließen. Das führte zum Strafverfahren, da der Rechtsanwalt dennoch einen Vergleich abgeschlossen hat.
Der BGH ist mit dem LG von einem Parteiverrat (§ 356 Abs. 1 StGB) ausgegangen (21.11.18, 4 StR 15/18, Abruf-Nr. 206352). Er hat aber die Voraussetzungen für die Annahme eines schweren Parteiverrats i. S. d. § 356 Abs. 2 StGB verneint. Denn dafür komme es darauf an, ob der Rechtsanwalt bei Begehung des Parteiverrats im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei gehandelt hat. Schon nach dem Wortlaut des § 356 Abs. 2 StGB qualifiziert nicht jedes Handeln des Anwalts zum Nachteil seiner Partei den Verrat zum Verbrechen. Es muss vielmehr das Einverständnis der Gegenpartei in sein schädigendes Handeln hinzutreten. Hierfür müssen Anwalt und Gegenpartei ein gemeinsames Schädigungsbewusstsein haben. Als Teilelement des gemeinsamen Bewusstseins um die Schädigung der Partei muss das Einverständnis der Gegenpartei bereits zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Anwalt pflichtwidrig dient. Erforderlich ist, dass die Tathandlung als solche vom Einverständnis der Gegenpartei getragen wird. Und das hat der BGH aufgrund der Umstände des Einzelfalls verneint.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BGH aus früheren Jahren (vgl. BGH NStZ 81, 479, 480; BGHSt 45, 148, 156). Für den betroffenen Rechtsanwalt ist die Einordnung und damit die Höhe der Strafe im Hinblick auf berufsrechtliche und sonstige Folgen von erheblicher Bedeutung.