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  • · Fachbeitrag · Gesetzgebung

    Der Vorsteuerabzug für Anwälte ist durch das JStG 2024 reformiert worden

    von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

    | Anwälte führen typischerweise der Umsatzsteuer unterliegende Umsätze aus und sind deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen berechtigt. Dies hat sich durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2024 für die Zukunft geändert (Abruf-Nr. 245271 ): Ab dem 1.1.28 ist entscheidend, ob der Unternehmer, der an die Kanzlei leistet, für seine eigene Umsatzbesteuerung die Soll- oder die Ist- Besteuerung verwendet. |

    Bisherige Rechtslage gilt bis 31.12.27

    Der Vorsteuerabzug ist bisher zulässig

    • 1. zu 100 %, wenn an die Kanzlei eine Lieferung oder sonstige Leistung erbracht wird und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.
    • 2. zu 100 %, wenn der Kanzlei eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und diese vollständig bezahlt wird.
    • 3. anteilig in dem Umfang, wie der Kanzlei eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und diese anteilig bezahlt wird („Anzahlungen“).

     

    Während es in den Varianten 2 und 3 nicht darauf ankommt, ob die Lieferung oder sonstige Leistung bereits an die Kanzlei erbracht worden ist, ist elementarer Bestandteil aller drei Varianten, dass der Kanzlei eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Ob der die Lieferung oder sonstige Leistung an die Kanzlei ausführende Unternehmer selbst die umsatzsteuerliche Soll- oder Ist-Besteuerung anwendet, hat für den Vorsteuerabzug auf Ebene der Kanzlei keine Bedeutung.

    Rechtslage ändert sich für Rechnungen ab 1.1.28

    Das ändert sich für Eingangsrechnungen, die nach dem 31.12.27 ausgestellt werden (§ 27 Abs. 41 UStG). Denn von da an kommt es für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs auch darauf an, ob der an die Kanzlei leistende Unternehmer für die eigene Umsatzbesteuerung die Soll- oder die Ist-Besteuerung anwendet:

     

    • Gilt für den leistenden Unternehmer die Soll-Besteuerung, also die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 UStG), bleibt für den Vorsteuerabzug der Kanzlei alles wie bisher.
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    • Gilt für den leistenden Unternehmer hingegen die Ist-Besteuerung, also die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG), kann die Kanzlei die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer beim Finanzamt erst zu dem Zeitpunkt geltend machen, in dem sie die Rechnung bezahlt hat. Bisher genügte auch die erbrachte Lieferung/sonstige Leistung in Kombination mit Vorlage der Rechnung.

     

    • Beispiel

    Handwerker H besteuert nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG). Er baut am 25.1.28 eine neue Haustür in die Kanzlei ein. Eine ordnungsgemäße Rechnung liegt vor. Die Kanzlei A bezahlt die Rechnung erst am 3.4.28.

     

    Lösung: Nach bisheriger Gesetzeslage hätte A den Vorsteuerabzug bereits in der Voranmeldung für Januar 2028 geltend machen können. Denn im Januar wurde die Lieferung erbracht und es liegt eine ordnungsgemäße Rechnung vor. Weil der Handwerker die Ist-Besteuerung anwendet und die Zahlung erst im April erfolgt, kann A die Vorsteuer erst in der Voranmeldung für April 2028 berücksichtigen.

     

    So wird die Neuregelung in der Praxis umgesetzt

    Ab 2028 müssen Anwälte also wissen, ob Lieferanten und andere an die Kanzlei leistende Unternehmer die Soll- oder Ist-Besteuerung anwenden. Das wird aber kein praktisches Problem darstellen. Denn:

     

    • Gilt für den leistenden Unternehmer die Ist-Besteuerung und ergeben sich deshalb für den Anwalt ab 2028 Änderungen beim Vorsteuerabzug, muss der leistende Unternehmer darauf in seiner Rechnung hinweisen (§ 14 Abs. 4 Nr. 6a UStG). Das tut er, indem er seine Rechnung um folgenden Passus ergänzt: „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“.

     

    • Gilt für den leistenden Unternehmer hingegen die Soll-Besteuerung und ergeben sich deshalb keine Änderungen bei dem Vorsteuerabzug, enthält die Rechnung ab dem 1.1.28 keinen Hinweis auf die Besteuerungsform.

     

    Beachten Sie | Wendet der Anwalt selbst die Ist-Besteuerung an, gilt die Verpflichtung natürlich auch für die Ausgangsrechnungen der Kanzlei. Diese müssen ab 2028 um den Passus „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ ergänzt werden, damit der Unternehmenskunde den Vorsteuerabzug zutreffend beurteilen kann.

    Kleinunternehmerregelung ist verbessert worden

    Manche angestellten Anwälte gehen im Nebenerwerb einer unternehmerischen Tätigkeit nach. Sie geben z. B. Seminare oder verfassen Fachbeiträge. Möchten diese Anwälte mit der Umsatzsteuer nichts zu tun haben, können sie mitunter die sog. Kleinunternehmerregelung nutzen. Diese befindet sich in § 19 Abs. 1 UStG und bewirkt, dass die eigentlich geschuldete Umsatzsteuer nicht vom Finanzamt erhoben wird. Parallel ist ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

     

    Voraussetzung hierfür ist: Der Bruttoumsatz des Nebenerwerbs darf im letzten Kalenderjahr 22.000 EUR nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen.

     

    PRAXISTIPP | Der unternehmerisch tätige Anwalt muss die Sonderregelung nicht anwenden. Er kann vielmehr auch zur Regelbesteuerung optieren. In diesem Fall erhebt das Finanzamt die Umsatzsteuer und es besteht parallel die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug. Diese Option bindet den Anwalt fünf Jahre lang.

     

    Mit dem JStG 2024 wurden die Umsatzschwellen für die Kleinunternehmerregelung angehoben. Seit dem 1.1.25 gilt, dass der Bruttoumsatz im letzten Kalenderjahr (aktuell also 2024) die Schwelle von 25.000 EUR nicht überschreiten darf. Für den Umsatz des laufenden Jahres (aktuell also 2025) gilt hingegen eine absolute Schwelle von 100.000 EUR. Der Umsatz, der im laufenden Jahr die Schwelle von 100.000 EUR überschreitet, unterliegt bereits der Regelbesteuerung. Einen Fallbeileffekt hat das Überschreiten der Grenze für die vorherigen Umsätze des Jahres jedoch nicht. Für diese gilt weiterhin die Kleinunternehmerregelung.

     

    Zudem gilt nun, dass die Umsätze eines Kleinunternehmers umsatzsteuerfrei sind. Ein Vorsteuerabzug ist dennoch gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

     

    Beachten Sie | Kleinunternehmer sind nicht von der neuen E-Rechnung betroffen (§ 34a UStDV). Sie können also auch wie bisher abrechnen, z. B. mittels Papierrechnung oder als PDF. Beziehen Kleinunternehmer jedoch eine Eingangsleistung, müssen sie eine E-Rechnung empfangen können.

     

    PRAXISTIPP | Der Anwalt kann wie bisher auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für mindestens fünf Jahre verzichten. Die Option kann seit 2025 allerdings nur bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf das Jahr folgenden Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären werden. Der Verzicht für den Veranlagungszeitraum 2025 muss also bis zum 28.2.27 erfolgen.

     

    Neu ist zudem, dass ein einmal erklärter Verzicht unwiderruflich ist. Hat ein Anwalt also auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet, ist er daran fünf Jahre lang gebunden. Der Verzicht kann dabei auch konkludent erfolgen, z. B. durch die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung oder Jahreserklärung mit Berechnung der Steuer nach der Regelbesteuerung. Sie als Anwalt mit Nebenerwerb sollten also nicht vorschnell optieren, sondern die Option vorab eingehend prüfen. Die Option lässt sich nicht wieder zurücknehmen ‒ auch nicht im Einspruchsverfahren.

     

    Ab 2025 besteht außerdem die Möglichkeit, die Kleinunternehmerregelung auch in anderen Mitgliedstaaten der EU zu nutzen. Voraussetzung ist, dass

    • der gesamte Umsatz innerhalb der EU nicht mehr als 100.000 EUR beträgt,
    • die jeweiligen nationalen Regelungen zur Kleinunternehmerregelung erfüllt werden und
    • der Kleinunternehmer vom BZSt eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer erhalten hat. Diese Nummer wird über das Online-Portal des BZSt beantragt.
    Quelle: ID 50266123