· Fachbeitrag · Gewerbesteuer
Gewerbliche Infizierung von Anwaltskanzleien
von StB Sonja Steben, Herberg, Dr. Schlüter & Partner GbR, Dortmund
| Rechtsanwaltssozietäten erzielen - oft in der Rechtsform der GbR oder PartG - Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 EStG und sind nicht gewerbesteuerpflichtig. Eine Umqualifizierung der gesamten Sozietätseinkünfte in Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG) droht durch originär gewerbliche Zusatztätigkeiten, durch die Anstellung von Berufsträgern oder Beteiligungen. Eine Infizierung kann aber vermieden werden. |
1. Gewerbliche Tätigkeit geringfügig: Abfärbetheorie unbeachtlich
Eine originär gewerbliche Tätigkeit üben Rechtsanwälte z.B. als Treuhänder, Finanzierungsvermittler oder durch das gemeinschaftliche Betreiben einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Kanzleigebäudes aus. Das Tätigwerden als Berufsbetreuer und Verfahrenspfleger ist dagegen als sonstige selbstständige Arbeit anzusehen, § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Hier findet die Abfärberegelung keine Anwendung (BFH 15.6.10 ,VIII R 10/09, Abruf-Nr. 102816). Unbeachtlich ist sie auch, wenn die gewerblichen Einnahmen einen äußerst geringen Anteil am Gesamtumsatz der ansonsten freiberuflichen Rechtsanwaltsgesellschaft ausmachen (1,25 Prozent des Gesamtumsatzes, H 15.8 (5) EStH).
PRAXISHINWEIS | Einzelpraxen sind von der sogenannten Abfärbetheorie nicht betroffen. Wird der Einzelunternehmer nebeneinander gewerblich und freiberuflich tätig und besteht zwischen den Bereichen kein wirtschaftlicher Zusammenhang, unterliegt nur der gewerbliche Teil der Gewerbesteuer (H 15.6 EStH). |
Die Anstellung von Rechtsanwälten kann zur Gewerblichkeit führen, wenn die Überwachung durch die Kanzleiinhaber nicht mehr gewährleistet ist und diese der Gesamttätigkeit ihren Stempel aufdrücken (H 15.6 EStH; OFD Koblenz 23.9.11, Kurzinfo ESt Nr. ST 3_2011K111). Das Risiko besteht vor allem bei mehreren angestellten Berufsträgern, die in weiteren Betriebsstätten leitend und eigenverantwortlich tätig sind oder sich auf andere Fachrichtungen spezialisiert haben. Augenmaß ist auch geboten bei Kooperationen der Anwaltsgesellschaft mit Beteiligung an gewerblichen Unternehmen oder bei Überlassung von wesentlichen Betriebsgrundlagen an eine GmbH, an der die Kanzleiinhaber beteiligt sind (Risiko „Betriebsaufspaltung“). Zudem dürfen keine berufsfremden Personen an der Kanzlei beteiligt sein (H 15.6 EStH).
2. Rechtsfolge: Gesamtgewinn ist gewerbesteuerpflichtig
Greift § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, unterliegen auch die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit der Gewerbesteuer. Der Gesamtgewinn der Gesellschaft wird infiziert. Die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG mildert die zusätzliche Steuerlast zumindest ab. Vermeidbar wird die Umqualifizierung durch die Ausgliederung des gewerblichen Bereichs in eine zweite, gegebenenfalls personenidentische Schwestergesellschaft (BFH NJW 98, 3447). Eine PartGmbB unterliegt nicht kraft Rechtsform der Gewerbesteuer (OFD NRW 12.12.13, Kurzinfo ESt 30/2013).