· Fachbeitrag · Steuerliche Absetzbarkeit von Zivilprozesskosten
Wie ist im Hinblick auf die Rechtslage für Prozesse vor 2013 zu beraten?
| Sind Prozesskosten nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuerlich abzugsfähig, sollte ein Abzug als außergewöhnliche Belastung (agB) gemäß § 33 EStG geprüft werden. Voraussetzung ist vor allem, dass die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, er sich ihnen also aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und sie den Umständen nach notwendig und angemessen sind (§ 33 Abs. 2 S. 1 EStG). Prozesskosten, die ab dem VAZ 2013 gezahlt werden, sind gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht als agB abzugsfähig (vgl. AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.13). Ausnahme: Der Steuerpflichtige liefe Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Abzugsfähig sind damit z.B. Prozesskosten bei Scheidung und Versorgungsausgleich oder im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht (H 33.1-33.4 EStH 2012). Für alle noch nicht abgeschlossenen Fälle vor 2013 ist die Rechtslage offen. |
Der BFH hat seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass Zivilprozesskosten bereits zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG seien, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig oder leichtfertig erscheint (12.5.11, VI R 42/10, Abruf-Nr. 112367). Streitige Ansprüche könnten wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchgesetzt bzw. abgewehrt werden. Daher sei für die Frage der Zwangsläufigkeit auf die unausweichliche Zahlungsverpflichtung der Kosten abzustellen ‒ nicht auf den Prozessgegenstand. Damit wären praktisch alle Zivilprozesskosten steuerlich als agB berücksichtigungsfähig. Ob diese Rechtsprechung auf alle Gerichtsbarkeiten übertragbar ist, ist ungeklärt (Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 33 Rz. 35).
Die Finanzverwaltung wendet die Entscheidung allerdings über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an (BMF vom 20.12.11, BStBl. I 2011, S. 1286). Insbesondere sieht sie praktische Schwierigkeiten, wie eine zuverlässige Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses sowie der Motive der Verfahrensbeteiligten erfolgen soll. Mittlerweile sind ‒ verursacht durch die geänderte BFH-Auffassung ‒ zahlreiche Verfahren vor den FG anhängig. Die Finanzverwaltung stellt einschlägige Rechtsbehelfe ruhend (Kurz-Info ESt 2/2013 der OFD NRW vom 16.7.13, DStR 13, S. 1839). Dies gilt aus Zweckmäßigkeitsgründen auch für Verfahren vor dem einfachen Finanzgericht. Die derzeit anhängigen Az. sind der Kurz-Info zu entnehmen.
Mandanten kann damit nur geraten werden, ihre vor 2013 gezahlten Prozesskosten (z.B. Gerichtsgebühren, Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts, Reisekosten, Auslagen usw.) steuerlich geltend zu machen und gegen die abweichende Behandlung im Einkommensteuerbescheid Einspruch mit Antrag auf Ruhen des Verfahrens einzulegen.