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  • · Nachricht · Streitwertecke Teil 1 (12/2020)

    Beim Gegenstandswert fängt die Vergütung an ...

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    | Hat der Gesetzgeber mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltes um linear 10 Prozent an der Grenze des noch Hinnehmbaren nach fast acht Jahren erhöht, hat er sie für einen wichtigen Teil der anwaltlichen Arbeit, den Inkassodienstleistungen ab dem 01.10.2021 um 20 bis 75 Prozent gesenkt. Vor diesem Hintergrund muss die Optimierung der Gebühren wieder verstärkt in den Fokus rücken. Die Berechnung jeder Vergütung beginnt beim Gegenstands- oder Streitwert. Der folgende Beitrag Teil 1 zeigt vier wichtige Entscheidungen hierzu auf und gibt praktische Hinweise zum Umgang damit. |

    1. Der Wert bei einer Auskunftserteilung

    Bei der Verpflichtung Auskunft zu erteilen ist für den Gegenstandswert zu unterscheiden, ob der Auskunftsberechtigte oder der Auskunftspflichtige der Mandant ist.

     

    Für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands bei der Verpflichtung zur Auskunftserteilung ist nach BGH (8.7.20, Az. XII ZB 334/19, Abruf-Nr. 217180, RVG prof. 12/2020) auf das Interesse des (vermeintlich) Auskunftspflichtigen abzustellen, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dafür sind erheblich:

    • ein besonderes Geheimhaltungsinteresse,
    • der Aufwand an Zeit.

     

    Hierbei ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH auf die Stundensätze abzustellen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet (vgl. nur BGH FamRz 19, 1440):

     

    • die anfallenden Sachkosten, unter Einschluss der notwendigen Hinzuziehung einer Hilfsperson zur Auskunftserteilung
    • die Kosten der Abwehr einer unberechtigten Zwangsvollstreckung im Hinblick auf die Auskunftsverpflichtung, soweit der Titel keinen vollstreckbaren Inhalt hat

     

    Unerheblich ist dagegen nach dem BGH das Interesse, den Hauptanspruch zu verhindern. Dieses Interesse wirkt sich erst auf der Zahlungsebene aus.

     

    Beachten Sie | Der BGH sieht hier allerdings eine Ausnahme, wenn mit der Auskunft zugleich eine isolierte Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO verbunden ist. Im Fall des BGH ging es um die Frage, ob ein Trennungszeitpunkt mit der Auskunft bindend festgestellt wird.

    2. Feststellungsklage nach Widerruf einer Willenserklärung beim Darlehensbetrag

    Eine besondere Bedeutung im anwaltlichen Alltag haben inzwischen auch Verfahren auf Widerruf einer Vertragserklärung, insbesondere bei Darlehensverträgen. Agiert hier der Darlehensnehmer mit der negativen Feststellungsklage statt dem Kreditinstitut mit der Leistungsklage stellt sich die Frage, ob der Gegenstandswert unterschiedlich zu bemessen ist.

     

    Unabhängig davon, ob zu dem negativen Feststellungsantrag, dass der beklagten Bank auf Grund des Widerrufs künftig keine vertraglichen Ansprüche mehr aus dem abgeschlossenen Finanzierungsdarlehen zustehen, Anträge auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen usw. kumulativ oder unter einer innerprozessualen Bedingung als Hilfsanträge gestellt werden, bemisst sich der Gesamtstreitwert einer solchen Klage nach der Höhe des Nettodarlehensbetrags zuzüglich eines etwaigen aus Eigenmitteln aufgebrachten Betrags (Anzahlung).

     

    Das sieht jedenfalls das OLG Saarbrücken (30.4.20, Az. 4 W 9/20, Abruf-Nr. 219365, RVG prof. 2/2021) beim Widerruf eines Autofinanzierungsdarlehens so und hat den Streitwert mehr als verdoppelt. Es sieht sich dabei im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH 29.5.15, Az. XI ZR 335/13; BGH 7.4.15, Az. XI ZR 121/14; BGH 29.9.09, Az. XI ZR 498/07). Entscheidend sei allein, ob das Klagebegehren darauf gerichtet sei, - wirtschaftlich betrachtet -, so gestellt zu werden, als hätte er das Geschäft nicht getätigt.

     

    Beachten Sie | Weiteren (konkreten) Anträgen, die etwa darauf gerichtet sind, die beklagte Bank zu einer Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen nebst Zinsen zu verurteilen, sie zur Herausgabe von Sicherheiten zu verurteilen oder die Feststellung eines Annahmeverzugs der beklagten Bank mit der Annahme einer klägerseits Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung auszusprechen, kommt demgegenüber nach dem OLG kein gesonderter Mehrwert zu.

    3. Einstweilige Verfügung wegen Äußerungen in einem sozialen Netzwerk

    Die sozialen Netzwerke lassen seit einiger Zeit nicht mehr alle Beiträge unkommentiert. Vielmehr kommt es auch zu Löschungen und zu Teilsperren von Einzelfunktionen, wenn nicht sogar zur vollständigen Sperrung eines Accounts.

     

    Es besteht Streit zwischen den Oberlandesgerichten, ob hier ein fixer Betrag zu berücksichtigen ist, etwa maximal 3.000 EUR (OLG Frankfurt 7.9.18, Az. 16 W 36/18), oder ob die Umstände des Einzelfalls zu betrachten sind. Das OLG Dresden (19.1.19, Az. 4 W 1074/18, Abruf-Nr. 219366, RVG prof. 12/2020) hat hier einen anderen Akzent gesetzt. Für die Bemessung des Streitwerts von Streitigkeiten um die Löschung von Äußerungen auf einem sozialen Netzwerk und die Sperrung des Accounts seien neben der wirtschaftlichen Bedeutung für den Antragsteller auch die Marktmacht und Reichweite des Anbieters zu berücksichtigen. Im konkreten Fall wurde der Gegenstandswert deshalb auf 7.500 EUR und damit auch für den Rechtsanwalt betriebswirtschaftlich sehr viel günstiger festgesetzt.

     

    Beachten Sie | Das OLG Dresden hat den höheren Streitwert aber nicht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls gewählt, sondern sieht ihn als Regelfall für eine Einzeläußerung in einfach gelagerten Verfügungsverfahren.

     

    Ausgangspunkt des Streites und der Überlegungen ist § 48 Abs. 2 GKG. Nach § 48 Abs. 2 GKG ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen.

     

    Für die Streitwertfestsetzung bei Unterlassungsansprüchen gegenüber einer ehrverletzenden Äußerung sind einzubeziehen (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 1830 ff.):

    • der Grad der Verbreitung,
    • die Schwere des Vorwurfs,
    • die Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruches des Verletzten in der Öffentlichkeit,
    • die wirtschaftliche Bedeutung sowie
    • die sonstige Bedeutung der Sache.

     

    Ausgangspunkt für die Bemessung sind die Werte der §§ 52 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (jeweils 5.000,00 EUR), die nach Maßgabe des Einzelfalls zu erhöhen oder zu vermindern sind.

     

    Im einstweiligen Verfügungsverfahren liegt der Streitwert unter dem der Hauptsache, weil das für ein Verfahren maßgebende Interesse des Antragstellers an der Sicherstellung im Regelfall nicht das Befriedigungsinteresse erreicht (Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort: „Einstweilige Verfügung“).

    4. Gegenstandswert der Nebenintervention

    Die Bedeutung der Streitverkündung nimmt in der gerichtlichen Praxis zu. Dem Grundsatz des sichersten Weges folgend wird regelmäßig betrachtet, ob es bei einem negativen Prozessausgang Rückgriffsansprüche gegen Dritte gibt. Über die Streitverkündung werden diese dann frühzeitig am Verfahren beteiligt.

     

    Das wirft die Frage auf, wie in diesen Fällen der Streitwert für die Nebenintervention zu bestimmen ist. Wie der Jurist zu sagen pflegt: Es kommt darauf an! Der Streitwert einer durchgeführten Nebenintervention stimmt, wenn der Streithelfer im Prozess die gleichen Anträge stellt wie die von ihm unterstützte Partei, mit dem Streitwert der Hauptsache jedenfalls dann überein, wenn man dem OLG Frankfurt (30.8.19, Az. 8 W 39/19, Abruf-Nr. 219367, RVG prof. 12/2020) folgt. Auch der BGH hat das schon in dieser Weise entschieden (BGH NJW 1960, 42; BGH NJW-RR 16, 831)

     

    Unerheblich bleibt damit das Eigeninteresse des Streithelfers an dem Prozess. Ob das wirtschaftliche Interesse des Streithelfers dem der Hauptpartei gleichkommt oder ob es geringer oder gar höher ist, betrifft nämlich ‒ ebenso wie etwaige Rückgriffsansprüche zwischen der unterstützten Hauptpartei und dem Streithelfer ‒ allein das Innenverhältnis zwischen diesen; sie sind für den Rechtsstreit weder relevant noch in diesem aufzuklären (vgl. etwa BGH NJW 60, 42; BGH NJW-RR 16, 831, 832). Während des Prozesses ist der Streithelfer, jedenfalls wenn er keinen eingeschränkten Antrag stellt, am Prozess nämlich in dem gleichen Umfang beteiligt wie die Partei, der er beigetreten ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf NJOZ 15, 1963, 1964). Seine Angriffs- und Verteidigungsmittel betreffen den Erfolg dieser Partei und zwar in voller Höhe des von ihr oder gegen sie geltend gemachten Klageanspruchs.

    Quelle: ID 47064953