· Fachbeitrag · NW-Handel
Rechtsprechungsreport - Die wichtigsten Urteile des Jahres 2013 zum NW-Handel auf einen Blick
| Während der NW-Handel 2013 den Rückwärtsgang eingelegt hat, konnten sich die Gerichte über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen. Was sie in Streitigkeiten über den Verkauf von Neufahrzeugen produziert haben, erfahren Sie nachfolgend im Kurzüberblick. |
Kaufvertrag: ja oder nein?
Wie in den NW-Verkaufsbedingungen vorgesehen, bestätigen Kfz-Händler die Bestellungen von Kunden häufig schriftlich. Was aber, wenn der Kunde den Zugang des Schreibens bestreitet und der Händler den Empfang nicht beweisen kann? Kann er sich mit dem Nachweis einer mündlichen Annahme retten? Ja, das kann funktionieren, so der BGH. Trotz der Schriftformklausel in den AGB könne eine Bestellung auch mündlich bestätigt werden, was sich mit Zeugen, zum Beispiel einen Autohausmitarbeiter, beweisen lasse (BGH, Beschluss vom 12.3.2013, Az. VIII ZR 179/12; Abruf-Nr. 131245).
Sachmangel: ja oder nein?
Die Antwort auf die Frage „Sachmangel: ja oder nein“ fällt mitunter höchst unterschiedlich aus. Mal haben die Käufer, mal die Händler die Nase vor.
Käuferfreundliche Entscheidungen
In den folgenden Fällen haben die Gerichte einen Sachmangel und damit einen Gewährleistungsfall bejaht:
- Karosserie- und Lackmängel: Wegen Schäden an der Lackierung und der Karosserie des BMW 320d verweigerte der Kunde die Abnahme und verlangte Beseitigung der Schäden. Doch die Nachbesserungsarbeiten waren nicht einwandfrei, wie ein Sachverständiger feststellte. Daraufhin lehnte der Kunde die Übernahme des Fahrzeugs erneut ab und trat vom Kauf zurück. Zurecht meint der BGH: Der Käufer eines NW könne grundsätzlich erwarten, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand schaffe, der dem werkseitigen Auslieferungsstandard entspreche (BGH, Urteil vom 6.2.2013, Az. VIII ZR 374/11; Abruf-Nr. 130456).
- Defekter Außenspiegel: Die beim Abstellen anklappenden Außenspiegel eines neuen Pkw hätten beim Starten des Motors wieder ausklappen müssen, was sie jedoch nicht zuverlässig taten. Für den BGH ist das ein „wesentlicher, die Verkehrssicherheit berührender Mangel“ (BGH, Urteil vom 16.10.2013, Az. VIII ZR 273/12; Abruf-Nr. 133465).
- Kraftstoffmehrverbrauch: Nach den Angaben des Herstellers sollte der Renault Scénic innerorts 10,3, außerorts 6,2 und kombiniert 7,7 l/100 km verbrauchen. Nach den Feststellungen des OLG Hamm wurde der Kombi-Wert um 10,39 Prozent überschritten. Damit war der Rücktritt des Käufers, wenn auch nur knapp, berechtigt. Nicht gefolgt ist das Gericht der These des Autohauses, bei den Fahrwiderstandswerten seien die des Homologationsfahrzeugs zugrunde zu legen, nicht die schlechteren Werte des Fahrzeugs des Käufers (OLG Hamm, Urteil vom 7.2.2013, Az. I-28 U 94/12; Abruf-Nr. 130755).
- Ausfall des Smart-Key-Systems: Obwohl das Problem bei dem Toyota Yaris nur an einem bestimmten Ort auftrat, nämlich auf dem Parkplatz des Arbeitgebers, haben die Richter am OLG München einen Rücktrittsgrund anerkannt. Zur Begründung haben sie auf die Angaben im Prospekt hingewiesen, wo ein schlüsselloses Öffnen und Schließen der Türen ohne Einschränkung versprochen wird (OLG München, Urteil vom 10.4.2013, Az. 20 U 4749/12; Abruf-Nr. 132112).
- Leere Batterie durch Sonderausstattung: Als Stromfresser Nr. 1 ermittelte das OLG Köln die Standheizung. Sie und andere Komponenten waren bei der gemeinsamen Konfiguration des hochpreisigen Fahrzeugs im Autohaus in die Ausstattungsliste aufgenommen worden. Für das Gericht war das eine „konkludente Beschaffenheitsvereinbarung“ mit folgendem Inhalt: „Trotz der umfangreichen Sonderausstattung können Sie mit dem Wagen ohne Einschränkungen fahren“. Da diese Zusage nicht zutraf, hatte die Rücktrittsklage des Käufers Erfolg (OLG Köln, Urteil vom 20.2.2013, Az. 13 U 162/09; Abruf-Nr. 131796).
- Quietschende Bremsen: Sie berechtigen bei einem Alfa 159, der mit km-Stand 10 verkauft wurde, zum Rücktritt (erheblicher Sachmangel). Obwohl im Verkaufszeitpunkt schon sechs Monate zugelassen, war der Wagen für das Gericht eine „neue Sache“, sodass die Gewährleistung nicht schon nach einem Jahr, sondern erst nach zwei Jahren verjährt war (Kammergericht [KG] Berlin, Urteil vom 3.6.2013, Az. 25 U 49/12; Abruf-Nr. 131860).
- Klappernde Geräusche: Sie kamen aus dem Bereich der Vorderradaufhängung des Mittelklasse-Pkw und wurden auch deshalb als Rücktrittsgrund anerkannt, weil sie bei den Fahrzeuginsassen ein „Unsicherheitsgefühl“ hervorriefen (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.2.2013, Az. 3 U 18/12; Abruf-Nr. 130765).
- Aussetzer bei Kraftübertragung: Sein Citroen C 4 (Automatic) komme nicht richtig in Gänge, teilweise dauere es bis zu vier Sekunden nach dem Gasgeben, bis die Kraftübertragung einsetze. Mit dieser Rüge hatte der Käufer vor Gericht Erfolg, obwohl selbst ein Sachverständiger Ursache und Häufigkeit der Aussetzer nicht restlos klären konnte. Die Richter sahen die Verkehrssicherheit beeinträchtigt, und nicht nur einen lästigen Komfortmangel (KG Berlin, Urteil vom 19.4.2013, Az. 4 U 208/11; Abruf-Nr. 132110).
- Wasser im Innenraum: Obwohl der Käufer eines Ford Focus verschwiegen hatte, häufig in Schräglage zu parken, wurde seine erst neun Monate nach Auslieferung vorgebrachte Rüge „Wasser an der Vordertür/Fenster und im Fußraum vorne re.“ als Gewährleistungsfall anerkannt. Abgewiesen wurde seine Klage auf Lieferung eines neuen Focus wegen Verjährung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.11.2013, Az. I-5 U 5/13; Abruf-Nr. 133910).
- Quietschgeräusche im Gasbetrieb: Bei einem werkseitig mit einer Gasanlage ausgerüsteten Chevrolet Aveo traten im Gasbetrieb beim Beschleunigen, Bremsen und in Kurven Quietschgeräusche auf, die für das Autohaus „unvermeidbar“ waren, in den Augen des Gerichts jedoch einen erheblichen Sachmangel und damit einen Rücktrittsgrund darstellten (OLG Koblenz, Beschluss vom 8.3.2013, Az. 3 U 1498/12; Abruf-Nr. 132111).
Händlerfreundliche Entscheidungen
In den folgenden Fällen haben die Gerichte einen Sachmangel und damit einen Gewährleistungsfall verneint:
- Zwölf-Monats-Grenze für „fabrikneu“: Maßgebend ist die Zeitspanne zwischen der Produktion des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags, nicht etwa der Auslieferung des Fahrzeugs an den Käufer (OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.1.2013, Az. 6 U 225/12; Abruf-Nr. 133914).
- Regenwasser in den Vordertüren: Im Bereich der Vordertüren stellte der Sachverständige Wasser bei einem neuen Golf VI fest, wenn dieser längere Zeit im Regen gestanden hatte. Spätestens bei Benutzung des Fahrzeugs werde das Wasser aber durch die Fahrbewegungen mittels der vorhandenen Ablauflöcher abgeführt. Deshalb sahen die Richter keinen Fall von Mangelhaftigkeit, zumal auch keine erhöhte Korrosionsgefahr bestand. Dass andere Gerichte dem Golf VI in diesem Punkt einen Konstruktionsmangel attestierten, sei im konkreten Fall belanglos (OLG Celle, Beschluss vom 7.1.2013, Az. 7 U 154/12; Abruf-Nr. 130753).
- „Klackergeräusch“ beim Schalten: Was an dem Toyota Yaris 3 T Life, Diesel, dran war, beschrieb der Sachverständige als ein „Rucken“ bei Belasten des Gaspedals am Ende des Schaltvorgangs. Für das Gericht handelte es sich zwar um einen unbehebbaren Konstruktionsfehler, der aber nach allen in Betracht kommenden Kriterien unterhalb der rücktrittsrechtlichen Erheblichkeitsgrenze lag (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.3.2013, Az. 1 U 38/12 - 11; Abruf-Nr. 131226).
- Re-Import kein Sachmangel: Der Re-Import als solcher ist kein Sachmangel. Angesichts der Häufigkeit von Re-Importen im NW-Handel handele es sich nicht um eine „unübliche Beschaffenheit“. Das hat das Gericht im Prozess einer Leasinggesellschaft gegen einen Leasingnehmer festgestellt (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.5.2013, Az. 15 U 205/12; Abruf-Nr. 133913).
- EU-Importfahrzeug mit Ausstattungsdefizit: Bei einem Re-Import ist die deutsche Ausstattungsliste keine „öffentliche Äußerung“ im Sinne von § 434 Abs 1 Satz 3 BGB, auf die ein Re-Import-Käufer sich verlassen kann. Daher scheiterte die Käuferin eines aus Dänemark re-importierten Skoda Yeti mit ihrer Klage. Sie hatte das Fehlen eines Vier-Speichen-Multifunktionslenkrads mit Bedienfunktion von Radio und Telefon bemängelt (AG Charlottenburg, Urteil vom 10.7.2013, Az. 215 C 72/13, Abruf-Nr. 132458).
Nacherfüllungsprobleme
Steht ein Sachmangel fest, treten nicht selten Probleme bei der Schadenbeseitigung in Form der Nacherfüllung auf:
- Der „Zu-Teuer-Einwand“ des Händlers: Der Händler kann die von ihm verlangte Nacherfüllung mit dem Argument ablehnen, die Kosten stünden in keinem Verhältnis zum Ziel des Käufers (§ 439 Abs. 3 BGB). Kann der Händler sich damit aber auch gegen eine Klage auf Neulieferung zur Wehr setzen, wenn er vorprozessual jegliche Mangelhaftigkeit bestritten und aus diesem Grund eine Nacherfüllung komplett verweigert hat? Ja, er kann, entschied der BGH. Was war passiert? Beide Außenspiegel blieben beim Starten des Motors eingeklappt. Für Karlsruhe war das ein „wesentlicher“ Mangel. Ob der Händler deshalb ersatzweise einen Neuen liefern muss oder ob sein Kosteneinwand durchgreift, muss das OLG Nürnberg als Vorinstanz noch näher prüfen. Immerhin besteht die Möglichkeit, die Außenspiegel mit verhältnismäßig geringen Kosten durch Austausch eines elektronischen Bauteils wieder funktionsfähig zu machen. Die Kosten einer Neulieferung könnten dann unverhältnismäßig hoch sein (BGH, Urteil vom 16.10.2013, Az. VIII ZR 273/12; Abruf-Nr. 133465).
- Rote Linie „Montagsauto“: Das Recht des Verkäufers auf zweite Andienung durch Neulieferung oder Nachbesserung gilt nicht grenzenlos. Mehr schlecht als recht ziehen die Gerichte eine der Grenzen mit dem schwammigen Begriff der Unzumutbarkeit. Was das konkret bedeutet, wenn an einem Neufahrzeug immer wieder aufs Neue Mängel auftreten und der Kunde bzw. sein Anwalt das böse Wort „Montagsauto“ im Munde führen, hat der BGH am Beispiel eines neuen Wohnmobils zu klären versucht. Eine Patentantwort hat auch er nicht parat. Alles sei eine Frage des konkreten Einzelfalls. Wichtig für die Bewertung ist vor allem, ob es sich bei den Mängeln insgesamt oder mehrheitlich um bloße Bagatellprobleme ohne Einfluss auf die technische Funktionstüchtigkeit handelt oder ob an dem Neuwagen Sicherheitsmängel und echte Funktionsstörungen dran sind (BGH, Urteil vom 23.1.2013, Az. VIII ZR 140/12; Abruf-Nr. 130458).
- Erfüllungsort bei Nacherfüllung: Der Erfüllungsort für Nacherfüllungsansprüche ist - mangels abweichender Vereinbarung - der Betriebsort des Verkäufers, wenn er dort eine entsprechend ausgerüstete Werkstatt unterhält. Wenn dies auf mehrere Standorte des Verkäufers zutrifft, hat der Käufer die Wahl (OLG Naumburg, Beschluss vom 16.1.2013, Az. 1 AR 2/13; Abruf-Nr. 133912).
Einzelheiten der Rückabwicklung nach Rücktritt
- Erfüllungsort: Einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Rückgewähransprüche nach einem Rücktritt vom Kauf ist der Ort, an dem sich das Fahrzeug zur Zeit des Rücktritts „vertragsgemäß“ befindet. An dem dortigen Gericht, nicht etwa am Geschäftssitz des Autohauses, ist auch ein selbstständiges Beweisverfahren durchzuführen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.7.2013, Az. I - 22 W 19/13; Abruf-Nr. 132467).
- Nutzungsvergütung mit oder ohne Umsatzsteuer: Die Nutzungsvergütung wird allgemein auf der Grundlage des Bruttokaufpreises ermittelt. Darf dann noch Umsatzsteuer aufgeschlagen, also ein zweites Mal berücksichtigt werden? In dieser Frage gehen die Meinungen auseinander, wie mehrere Urteile beweisen (siehe ASR 12/2013, Seite 17). Klarheit bringen könnte eine Revision beim BGH mit dem Aktenzeichen VIII ZR 215/13.
- Nutzungsvergütung bei jungem Gebrauchten: Auch in einem solchen Fall ist auf den konkreten (Brutto-)Kaufpreis abzustellen, nicht etwa auf einen eventuell höheren Verkehrswert. Es ging um einen Vorführwagen mit 8.470 km, der mit 25 Prozent unter Listenpreis verkauft wurde (KG Berlin, Urteil vom 23.5.2013, Az. 8 U 58/12; Abruf-Nr. 132869).
Sachverständigen- und Anwaltskosten
Händler ärgern sich oft, wenn Kunden Anwalts- oder Sachverständigenrechnungen präsentieren und Kostenerstattung mit der Begründung verlangen, das Fahrzeug sei schließlich mangelhaft und deshalb habe man sich einen Anwalt und/oder einen Sachverständigen ohne Absprache mit dem Händler nehmen dürfen. Ganz falsch ist das nicht, aber auch nicht immer richtig. Ein „Mangelfolgeschaden“ kann ersetzt verlangt werden, ohne dass der Händler im Verzug ist. Allerdings kommt es darauf an, ob der Käufer „bei verständiger Betrachtung“ die Einschaltung des Dienstleisters für erforderlich halten durfte (BGH, Urteil vom 23.1.2013, Az. VIII ZR 140/12; Abruf-Nr. 130458).
Verjährung
Zwei oder drei Jahre? Kauf-, Werk- oder Mischvertrag? Diese Fragen stellen sich, wenn der Händler als Verkäufer es übernimmt, das Fahrzeug auf Gasbetrieb umzurüsten.
- Für Kaufrecht hat sich der BGH im Fall der Nachrüstung eines GW ausgesprochen (BGH, Urteil vom 29.5.2013, Az. VIII ZR 174/12; Abruf-Nr. 131797).
- Auch das LG Düsseldorf wendet Kaufrecht an und gelangt so bei einem NW zu einer Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Auslieferung. Wichtig ist das Düsseldorfer Urteil auch insoweit, als es eine Ersatzpflicht des Autohauses unter dem Aspekt der Geschäftsherrnhaftung nach § 831 BGB verneint. Die Autogas-Spezialfirma, der möglicherweise ein Fehler unterlaufen ist, habe zwar im Auftrag des Autohauses gehandelt. Sie sei aber nicht als deren „Verrichtungsgehilfe“ tätig geworden, was Grundvoraussetzung für eine Haftung nach § 831 BGB (mit dreijähriger Verjährung!) sei (LG Düsseldorf, Urteil vom 6.8.2013, Az. 1 O 494/11; Abruf-Nr. 133911).
Durch Nachbesserungsarbeiten wird die Verjährung normalerweise nur gehemmt. In Ausnahmefällen kann es jedoch zu einem Neustart der gesamten Frist kommen. Was das für die Verjährung der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche in einem Fall bedeutet, den der Händler als Garantiefall kommuniziert hat („Auftrags Garantie“, „Garantiearbeiten“), hat das OLG Düsseldorf herausgearbeitet und pro Händler entschieden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.11.2013, Az. I-5 U 5/13; Abruf-Nr. 133910).