17.06.2014 · IWW-Abrufnummer 142772
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 13.02.2014 – 8 AZR 144/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In Sachen
Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionskläger,
pp.
Beklagter, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, den Richter am Bundesarbeitsgericht Breinlinger, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Winter sowie die ehrenamtlichen Richter Oschmann und Soost für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20. September 2012 - 7 Sa 77/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagte für offene Vergütungsansprüche des Klägers aus dem Jahre 2011 haftet.
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Der Kläger war ab 1. Oktober 2010 in der Gaststätte "Z" in K als Koch beschäftigt. Inhaber und Betreiber der Gaststätte war damals J. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. November 2010, weil das Gasthaus "mit Ablauf des 30.11.2010 unter neuer gewerblicher Verantwortung weitergeführt" werde.
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Die Gaststätte "Z" wurde ab dem 1. Dezember 2010 von der "K u. P GbR" weitergeführt, die aus dem Beklagten und P bestand und nicht im Handelsregister eingetragen war. Für diese setzte der Kläger seine Arbeit als Koch fort gegen ein auf rd. 2/3 seines bisherigen Verdienstes reduziertes Gehalt. Die K u. P GbR erteilte für Dezember 2010 eine Lohnabrechnung für den Kläger.
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Die beiden Gesellschafter der GbR, also der Beklagte und Herr P, fassten auf einer Gesellschafterversammlung vom 5. Januar 2011 folgenden Beschluss:
"1. Mit heutiger Sitzung wird offiziell beschlossen, dass die gegründete GbR laut Vereinbarung vom 01.12.2010, zum 31.12.2010 einvernehmlich aufgelöst wird.
2. Alle Rechten und Pflichten aus der GbR gelten als erledigt.
3. Es gilt als vereinbart, dass Herr K aus der GbR seinen eingebrachten Anteil mit einem Pauschalbetrag von 1.500 Euro (eintausendfünfhundert) erhält. Dieser Betrag ist von Herrn P nach Unterzeichnung dieses Beschlusses Zug um Zug zu zahlen.
4. Für eventuelle Umschreibungen bestehender Verträge auf Herrn P, hat dieser alleinig Sorge zu tragen und einen entsprechenden Nachweis unaufgefordert vorzulegen.
5. Keine weiteren Nebenabreden wurden getroffen."
5
P führte ab 1. Januar 2011 die Gaststätte in eigener Regie alleine weiter. Dem Kläger, der für ihn seine Tätigkeit als Koch fortsetzte, stellte dieser die Lohnabrechnungen ab Januar 2011 aus. P kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter dem 15. Mai 2011, worauf dieser vor dem Arbeitsgericht Bonn Kündigungsschutzklage erhob (- 5 Ca 1274/11 EU -). Am 10. Juni 2011 verglichen sich der Kläger und P auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige, ordentliche, betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf des 9. Juni 2011; P verpflichtete sich zur Zahlung rückständiger Vergütung iHv. insgesamt 3.417,94 Euro.
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Eine Zahlung durch P auf die nach dem rechtskräftigen Vergleich geschuldeten Beträge erfolgte nicht; infolge der Zahlungsunfähigkeit von P blieb auch die vom Kläger betriebene Zwangsvollstreckung erfolglos. Von der Bundesagentur für Arbeit erhielt der Kläger 1.730,35 Euro netto Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. SGB III.
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Zur Begründung der vorliegenden Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte als ehemaliger Gesellschafter der K u. P GbR im Wege der sogenannten Nachhaftung für die bei P uneinbringlich gebliebenen Vergütungsansprüche vom 1. April 2011 bis zum 9. Juni 2011. Ein Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers habe nie stattgefunden, der Beklagte sei lediglich aus der fortbestehenden Gesellschaft ausgeschieden.
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Soweit für die Revision von Interesse hat der Kläger zuletzt beantragt,
den Beklagten als Gesamtschuldner neben P zu verurteilen, an ihn 3.417,94 Euro brutto abzüglich erhaltenen Insolvenzausfallgeldes iHv. 1.730,35 Euro netto zu zahlen.
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Der Beklagte hat sich zur Begründung seines Antrages auf Klageabweisung darauf berufen, dass er nur im Dezember 2010 als Gesellschafter der K u. P GbR Arbeitgeber des Klägers gewesen sei. Diese sei zum 31. Dezember 2010 aufgelöst worden, sodass er für später entstandene Vergütungsansprüche nicht haftbar gemacht werden könne. Insbesondere scheide eine gesellschaftsrechtliche Nachhaftung aus.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Vergütungsanspruches stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg; das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Als Gesellschafter der ehemaligen, zum 31. Dezember 2010 aufgelösten "K u. P GbR" haftet der Beklagte für 2011 entstandene Lohnansprüche des Klägers nicht nach.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte hafte nicht für die nach Auflösung der GbR entstandenen Zahlungsansprüche. Ein Fall der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung nach § 736 Abs. 2 BGB iVm. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB sei nicht gegeben. Die Regelung des § 736 BGB gelte für den Fall, dass der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus den dort aufgeführten Gründen aus der Gesellschaft ausscheide, während die Gesellschaft selbst als solche aber fortbestehe. Für eine derartige Fallkonstellation verweise § 736 Abs. 2 BGB auf die für die Personenhandelsgesellschaften geltenden Regelungen über die Begrenzung der Nachhaftung, insbesondere auf § 160 HGB. Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB hafte ein aus der Gesellschaft ausscheidender Gesellschafter für deren bis dahin begründete Verbindlichkeiten.
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Zwar komme es bei Dauerschuldverhältnissen für die Begründung einer Verbindlichkeit auf den Zeitpunkt der Begründung des Dauerschuldverhältnisses an, nicht darauf, wann die einzelne Forderung entstanden und fällig geworden sei. Bei Arbeitsverhältnissen komme es also auf den Abschluss des Arbeitsvertrages an. Vorliegend liege jedoch weder ein Fall eines Gesellschafterwechsels vor, noch ein in § 736 Abs. 1 BGB vorausgesetzter Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters bei gleichzeitigem Fortbestand der Gesellschaft. Die "K u. P GbR" sei nämlich selbst als solche ersatzlos aufgelöst worden. Dies ergebe sich aus dem Gesellschafterbeschluss vom 5. Januar 2011. Daher habe die GbR, die bis zum 31. Dezember 2010 Arbeitgeberin des Klägers war, mit diesem Datum zu existieren aufgehört. Der Beklagte hafte nicht nach § 160 HGB nach.
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Zudem habe die Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers gewechselt, wie es für einen Betriebsübergang kennzeichnend sei. Nach Auflösung der Gesellschaft habe der verbleibende ehemalige zweite Gesellschafter den Gaststättenbetrieb in Eigenregie als Einzelunternehmer fortgeführt. Damit liege ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB vor und nach § 613a Abs. 2 BGB hafte die "K u. P GbR" als bisherige Arbeitgeberin nur für solche Arbeitgeberverpflichtungen, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden seien. Dagegen hafte sie nicht für Vergütungsansprüche des Klägers, die erst 2011 entstanden seien und mithin auch nicht der Beklagte, der als ehemaliger Gesellschafter der GbR für Arbeitnehmer der früheren Gesellschaft nicht weiter hafte als die Gesellschaft selbst. § 736 Abs. 2 BGB erfasse den Fall der Auflösung einer Gesellschaft nicht.
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B. Die im Hinblick auf die Rüge des Klägers zu § 613a BGB noch zulässige Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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I. Der Kläger kann den Beklagten nicht für die Vergütung nach seinem Arbeitsvertrag iVm. § 611 Abs. 1 BGB, § 128 Satz 1 HGB analog in Anspruch nehmen. Der Kläger macht Vergütungsforderungen geltend, die den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 9. Juni 2011 betreffen und die spätestens mit dem Zeitpunkt des Vergleichsschlusses am 10. Juni 2011 entstanden sind und fällig wurden. Am 1. April 2011 war die GbR, mit der der Kläger im Dezember 2010 ein Arbeitsverhältnis hatte, bereits seit geraumer Zeit aufgelöst. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass im Dezember 2010 allein die "K u. P GbR" Arbeitgeberin des Klägers war und nicht etwa der Beklagte selbst oder sein damaliger Mitgesellschafter P. Ab 1. Januar 2011 war nur noch P alleiniger Arbeitgeber. An diese Feststellungen ist der Senat mangels einer erhobenen Verfahrensrüge gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO).
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II. Eine Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung kommt nicht in Betracht. Auch daraus ergibt sich kein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten.
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1. Eine begrenzte Nachhaftung des Beklagten nach § 736 Abs. 2 BGB iVm. § 160 HGB ist nicht gegeben, da den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, dem unstreitigen Akteninhalt und auch dem Vorbringen des Klägers Tatsachen nicht zu entnehmen sind, nach denen der Gesellschaftsvertrag der "K u. P GbR" überhaupt eine Fortsetzungsklausel iSd. § 736 Abs. 1 BGB enthielt. Es wurde weder vorgetragen, dass einer der gesetzlichen Beispielsfälle des § 736 Abs. 1 BGB oder eine andere Konstellation des "Ausscheidens" aus der Gesellschaft vertraglich zwischen den Gesellschaftern, also zwischen dem Beklagten und P geregelt worden ist. Daher ist auch nicht zu entscheiden, ob es in einem solchen Fall überhaupt eine "Ein-Mann-GbR" geben kann.
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2. Auch eine entsprechende Anwendung des § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB kommt nicht in Betracht. Der Sonderfall, dass bei einer zweigliedrigen Gesellschaft einer der beiden Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen - sämtliche Aktiva und Passiva - im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernimmt, liegt nicht vor (vgl. BGH 27. September 1999 - II ZR 356/98 - BGHZ 142, 324; OLG Brandenburg 14. Januar 2009 - 3 U 75/08 -; KG Berlin 22. November 1998 - 13 U 5553/98 -). Die Feststellung des Berufungsgerichts, vorliegend hätten sich die Gesellschafter nicht über einen Fortbestand der Gesellschaft, sondern mit Beschluss vom 5. Januar 2011 über die ersatzlose Auflösung der Gesellschaft geeinigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bereits in Ziff. 1 des Gesellschafterbeschlusses vom 5. Januar 2011 wird das Einvernehmen der Gesellschafter festgehalten, dass die Gesellschaft "zum 31.12.2010 ... aufgelöst" wird. Die sich aus der GbR ergebenden Rechte und Pflichten sollen nach Ziff. 2 "als erledigt" gelten, die Gesellschaft soll also gerade nicht fortgeführt werden. Nach Ziff. 4 sollten die Geschäfte der aufgelösten Gesellschaft von P abgewickelt werden, wobei er bestehende Geschäftsverbindungen auf seine Person umschreiben durfte, aber auch musste. Der Beklagte erhielt "seinen eingebrachten Anteil" in Form eines Pauschalbetrages von 1.500,00 Euro. Die Ziffern 3 und 4 des Auflösungsbeschlusses enthalten somit eine Regelung, wie die einen Monat am Markt werbend aufgetretene Gesellschaft ab Januar 2011 zu liquidieren ist. Dem Willen der Gesellschafter ist gerade nicht zu entnehmen, dass P die Gesellschaftsanteile des Beklagten "übernehmen" und die Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge weiterführen sollte. Es gibt im Übrigen keine Feststellungen und auch keinen Vortrag des Klägers, dass die aufgelöste GbR überhaupt nennenswerte Vermögensgegenstände oder Aktiva gehabt hatte. Eine Nachhaftung des Beklagten auch für nur "begründete" Ansprüche nach § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB analog kommt daher nicht in Betracht.
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3. Die Lohnansprüche des Klägers für Dezember 2010, für die der Beklagte nach § 611 Abs. 1 BGB, § 128 HGB haftete, sind befriedigt und nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Für danach entstandene Lohnansprüche des Klägers haftete der Beklagte selbst im Falle eines Betriebsübergangs von der GbR auf P nicht nach § 613a Abs. 2 BGB, da solche Verpflichtungen nicht vor dem Zeitpunkt des Übergangs, also vor dem 1. Januar 2011 entstanden sind.
21
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Hauck
Breinlinger
Winter
Oschmann
Soost
Weiterführender Hinweis:
Es war nach der Sachlage nicht zu entscheiden, ob es bei einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch Ausscheiden eines Gesellschafters überhaupt eine "Ein-Mann-GbR" geben kann.