· Fachbeitrag · Betriebsprüfung
Das Taxameter im Visier: Praxishinweise für eine geräuschlose Betriebsprüfung im Taxiunternehmen
von RA, FA Steuerrecht Dirk Beyer, Köln
| Taxiunternehmen gehören bekanntlich der Bargeldbranche an und geraten damit verstärkt in den Fokus der Betriebsprüfung. Nicht ordnungsgemäße Aufzeichnungen kommen im Taxigewerbe häufig vor und sind aus Sicht der Finanzbehörden das Einfallstor für Hinzuschätzungen. Diese Hinzuschätzungen müssen sich an den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Taxiunternehmens orientieren, was leider nicht immer der Fall ist. Der Beitrag gibt einen Überblick über Praxisfragen, sodass Taxiunternehmer und ihre Steuerberater ihre Rechte und Pflichten in einer Prüfung kennen. |
1. Steuerliche Außenprüfung
Zunächst wird die steuerliche Außenprüfung (§ 193 ff. AO) durch die Finanzämter beleuchtet. Anschließend folgen Hinweise zur Prüfung durch die Sozialversicherungsträger.
1.1 Prüfungsanlässe
Bei der Betriebsprüfung sind Regelprüfungen und Anlassprüfungen zu unterscheiden. Regelprüfungen werden gemäß der Betriebsprüfungsordnung in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Eine Anlassprüfung dagegen erfolgt anlassbezogen. Dabei rufen unterschiedliche Gründe den Finanzbeamten auf den Plan:
- Nicht nachvollziehbare Umsatzschwankungen,
- Gewerbeaufgabe bzw. -veräußerung,
- Verträge mit Angehörigen,
- knappe Privatentnahmen zum Lebensunterhalt,
- private Grundstückserwerbe,
- Investitionen bei niedrigen Privatentnahmen,
- Teilwertabschreibungen,
- Unklarheiten aufgrund einer Umsatzsteuer-Nachschau oder
- Kontrollmitteilungen.
Mit Kontrollmitteilungen durch die Hauptzollämter bzw. die Deutsche Rentenversicherung Bund, die die Sozialversicherungspflicht prüfen, ist im Übrigen stets zu rechnen. Aufgrund des harten Konkurrenzumfelds in der Taxibranche sind auch anonyme Anzeigen durch Konkurrenten oder im Unfrieden ausgeschiedene Fahrer nicht selten.
PRAXISHINWEIS | Hellhörig werden Finanzbeamte nicht selten, wenn sie feststellen, dass der Steuerberater öfter wechselt. In der Regel bestehen Steuermandate langjährig. Wenn jedoch ein Unternehmen in kurzen Abständen mit immer neuen Steuerberatern zusammenarbeitet, geht die Behörde davon aus, dass der Berater die Zusammenarbeit ablehnt, weil die Ansprüche des Kunden nicht rechtskonform sind. |
1.2 Vorbereitungszeit
Die Außenprüfung beginnt mit einer Prüfungsanordnung (§ 196 AO), die dem Taxiunternehmen rechtzeitig vor dem Prüfungstermin bekannt gegeben werden muss. Die Betriebsprüfungsordnung (BpO) sieht als Verwaltungsvorschrift eine Frist von grundsätzlich zwei Wochen vor (§ 5 Abs. 4 S. 2 BpO). In der Praxis kann diese Frist aber häufig vom Steuerberater ausgehandelt werden. Bei Großbetrieben sind es vier Wochen.
Für Lohnsteuer-Außenprüfungen und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen gilt die vorgenannte Fristenregelung nicht. Jedoch muss das Finanzamt auch in diesen Fällen eine angemessene Vorbereitungszeit von grundsätzlich ein bis zwei Wochen gewähren.
Auf Antrag kann der Prüfungsbeginn verschoben werden (§ 197 Abs. 2 AO). Als wichtige Gründe hierfür können z. B. vorgetragen werden:
- Der Taxiunternehmer oder sein Steuerberater sind erkrankt,
- wichtige sonstige Auskunftspersonen sind vorübergehend nicht erreichbar (z. B. erkrankt oder im Urlaub) oder
- ein neuer Berater hat erst vor kurzer Zeit das Mandat übernommen.
1.3 Prüfungszeitraum
Der Prüfungszeitraum umfasst in der Praxis meist die letzten drei Besteuerungszeiträume (§ 4 Abs. 3 BpO), für die die Erklärungen abgegeben worden sind. Der BFH geht davon aus, dass der Prüfungszeitraum mit geringem Begründungsaufwand erweitert werden darf (BFH 16.9.14, X R 30/13, BFH/NV 15, 150). Hierdurch ergibt sich u. U. ein Drohpotenzial, eine „Kröte“ für die Prüfungszeiträume zu schlucken.
Die steuerliche Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung kann im Einzelfall bis zu fünf (bei Leichtfertigkeit) oder gar zehn Jahre (bei Vorsatz) betragen (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Die Feststellungslast für Vorsatz und Leichtfertigkeit trifft als verschärfenden Umstand allerdings das Finanzamt. Ergibt sich der Verdacht einer Steuerhinterziehung gem. §§ 370, 378 Abs. 1 AO vor oder während der Außenprüfung, ist mit einer Erweiterung des Prüfungszeitraums zu rechnen.
1.4 Geeigneter Prüfungsort
Wenn ein geeigneter Raum in dem Taxibetrieb vorhanden ist, muss der Prüfer die Prüfung grundsätzlich dort durchführen (§ 200 Abs. 2 AO). In der Praxis handhaben zahlreiche Prüfer diese Frage allerdings nicht so streng. Soll nicht im Betrieb geprüft werden, so muss der Taxiunternehmer nach-weisen, dass kein geeigneter Raum zur Verfügung steht. Auf Antrag kann die Prüfung in die Kanzlei des Steuerberaters verlegt werden. Dies soll nach § 6 BpO aber nur die Ausnahme sein.
PRAXISHINWEIS | In der Praxis wird häufig der Antrag gestellt, die Prüfung in der Kanzlei durchzuführen, wobei als Begründung z. B. angeführt werden kann, dass der Berater den Betrieb als langjähriger Berater kennt und die jederzeitige Verfügbarkeit der Unterlagen in der Kanzlei sichergestellt ist. |
1.5 Prüfung des Umsatzes
Im Rahmen eines inneren Betriebsvergleichs kann eine Gegenüberstellung der erklärten innerbetrieblichen Kennzahlen erfolgen, um eventuelle Schwankungen im Rohgewinn feststellen zu können. Die erklärten innerbetrieblichen Kennzahlen sind mit den Durchschnittswerten branchengleicher Unternehmen zu vergleichen. Größere Schwankungen der innerbetrieblichen Kennzahlen sowie größere Abweichungen im Rahmen des äußeren Betriebsvergleichs führen zu Nachfragen des Prüfers und sollten dann erklärt werden können.
1.5.1 Richtsatzverprobung
Die Vergleichszahlen für den äußeren Betriebsvergleich ergeben sich z. B. aus den amtlichen Richtsätzen für das Taxigewerbe, den Kostenstrukturanalysen des Statistischen Bundesamtes, des Instituts für Handelsforschung (ifh) in Köln und sonstigen Standesorganisationen und der städtischen Gewerbeaufsichtsämter.
1.5.2 Überprüfung des Umsatzes aufgrund der Jahreskilometerleistung
Der Prüfer wendet zur Überprüfung der Vollständigkeit der Betriebseinnahmen die folgende Formel an:
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Betriebliche Jahreskilometerleistung × Tarif (lokal unterschiedlich gem. städtischer Satzung) = Wert des durchschnittlichen Umsatzes |
Da oft keine (vollständigen) Fahrtenbücher bestehen, kann die Fahrleistung der einzelnen Taxen mittels folgender Unterlagen am Anfang und Ende eines jeden Kalenderjahrs ermittelt werden:
- Leasingverträge: Der jeweilige Vertragsverlauf kann durch Vertragsunterlagen verfolgt werden; Prüfer interessieren auch die Rücknahmeprotokolle, da diese außer dem km-Stand auch Aufschluss z. B. über Angaben zur weiteren Verwendung des Kfz geben.
- Leihwagenverträge, Auslesung der Taxameter, Kaufverträge,
- TÜV- und ASU-Bescheinigungen: Der Untersuchungsbericht über die Haupt-untersuchung und auch die Prüfbescheinigung über die Abgasuntersuchung müssen den km-Stand enthalten.
- Reparaturrechnungen und Werkstattbesuchsdaten: Vertragswerkstätten der Automobilhersteller speichern den km-Stand des Fahrzeugs bei Reparaturen oder bei Inspektionen; bei Bedarf kann der Prüfer ein Auskunftsersuchen gem. § 93 AO an die Werkstatt als Dritten stellen, wenn der Taxiunternehmer die Werkstattrechnungen mit den ausgewiesenen km-Ständen nicht vorlegt.
Hinsichtlich der Zahl der eingesetzten Taxen wenden sich Prüfer oft an das Straßenverkehrsamt (Verkehrsgewerbestelle). Dort kann der Prüfer zahlreiche interessante Informationen abfragen, wie z. B. die Zahl der konkret eingesetzten Fahrzeuge, die Dauer der Konzession, Kilometerstände aus Kontrollen und TÜV-Berichte. Das Straßenverkehrsamt ist Genehmigungsbehörde und hat nach dem Personenbeförderungsgesetz umfangreiche Prüfungsbefugnisse. Hierdurch ergibt sich oft ein regelrechter Fundus an verwertbaren Daten. Zudem können im Einzelfall nachteilige Konsequenzen genehmigungsrechtlicher Art folgen, wenn erhebliche Steuerrückstände bestehen oder gar eine Steuerhinterziehung vorliegen sollte.
Im städtischen Bereich wird in Prüfungen oft folgende Laufleistung pro Fahrzeug und Jahr angenommen:
- Einzelunternehmer (Alleinfahrer) ca. 60.000 km
- Einzelunternehmer mit Aushilfsfahrer ca. 80.000 km
- Einzelunternehmer mit fest angestelltem Fahrer ca. 100.000 - 120.000 km
In ländlichen Gebieten können die Fahrleistungen je Kfz höher liegen. Zudem wird der Prüfer berücksichtigen, ob es sich um einen Ein- oder Zweischicht-betrieb handelt. Für die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist die Methode, die geschätzte Jahresfahrleistung mit einer empirisch begründ-baren Größe „Umsatz (netto) pro gefahrenen km“ zu multiplizieren, sach-gerecht (FG Hamburg 11.11.14, 6 K 206/11).
Eine weitere Möglichkeit, die Kilometerleistung festzustellen, besteht darin, den Kraftstoffverbrauch insgesamt zu ermitteln und dem Durchschnitts-verbrauch pro 100 km gegenüberzustellen.
Zugunsten des Taxiunternehmers sind von den ermittelten jährlich ins-gesamt gefahrenen Kilometern die unentgeltlich zurückgelegten Kilometer abzuziehen. Dies gilt ebenso für die Fahrten, die nicht mit dem normalen Beförderungsentgelt abgerechnet werden (deren Umsatz ggf. gesondert zu schätzen ist):
- Hin- und Rückfahrt zum Stellplatz zu Schichtanfang und -ende,
- Fahrten zu Werkstätten, Tankstellen, Waschanlagen,
- weitere betrieblich bedingte Fahrten z. B. Abholen der Fahrer, Erledigung von betrieblichen Angelegenheiten,
- Privatfahrten des Unternehmers,
- Fehlfahrten, Krankentransporte, Sonderfahrten, Fahrten außerhalb des Geltungsbereichs des Tarifs.
PRAXISHINWEIS | Wenn sich überhöhte Schätzungen ergeben, muss der Taxiunternehmer berechtigte Zweifel an der Schätzung durch das Finanzamt darlegen oder eine eigene „Gegenschätzung“ vornehmen. Gelingt es anhand geeigneter Aufzeichnungen (Inspektionsheft, Reparaturrechnungen etc.) nachzuweisen, dass die vom Betriebsprüfer ermittelten Zahlen nicht den Tatsachen entsprechen, müssen die Hinzuschätzungen (zumindest teilweise) zurück-genommen werden. Im Ergebnis kann es hier schon ausreichen, erhebliche und begründete Zweifel zu streuen. |
1.6 Schätzungen des Umsatzes
Sind die Aufzeichnungen nicht nachvollziehbar vollständig, so droht im Einzelfall eine Hinzuschätzung zum Umsatz und damit auch zum Gewinn (§ 162 AO).
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Der Taxiunternehmer legt keine Schichtzettel oder andere Ursprungsaufzeichnungen über die Bareinnahmen vor und bewahrt die Schichtzettel nicht auf. Dann ist das FA dem Grunde nach zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt (FG Düsseldorf 3.6.08, 14 V 1214/08 A (E); BFH 18.3.15, III B 43/14, BFH/NV 15, 978).
Das FG Düsseldorf (1.4.08, 14 V 4646/07 A) hielt im Einzelfall eine Schätzung für zulässig aufgrund der Laufleistung der Fahrzeuge, der Anzahl der Konzessionen, der Tourenlänge, des Tarifs und der Auslastung, der Annahme einer Besetztquote von 40 % aufgrund der Auswertung des Taxameters, einer Grundgebühr von 1,05 EUR, einer durchschnittlichen Tourlänge von 5 km und der Ermittlung der Lohnsteuerschuld durch Annahme eines Lohnanteils von 40 % des Bruttoumsatzes.
Beachten Sie | Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung für Unternehmen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ergibt sich aus § 22 UStG i. V. m. § 63 UStDV bis § 68 UStDV (Teutemacher, BBP 16, 4). Daher müssen auch Taxiunternehmer, die Einnahmeüberschussrechner sind, ihre Betriebseinnahmen und -ausgaben im Einzelnen aufzeichnen und die Belege gem. § 147 Abs. 1 AO aufbewahren (BFH 18.3.15, III B 43/14, BFH/NV 15, 978). Im Gegensatz zum Einzelhandel erkennt die Finanzverwaltung von dieser Einzelaufzeichnungspflicht keine Vereinfachung aus Zumutbarkeitsgründen an.
Allein die Möglichkeit, Schichtzettel führen zu können, bedeutet eine gewisse Erleichterung (BFH 25.10.12, X B 133/11, BFH/NV 13, 341). Die Schichtzettel genügen in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen. Der Taxiunternehmer sollte die besondere Bedeutung der Schichtzettel für den Nachweis der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben zum Umsatz kennen (BFH 18.3.15, III B 43/14, BFH/NV 15, 978; FG München 28.7.14, 7 K 1127/13). Werden keine Schichtzettel aufbewahrt, so müssen diese jedenfalls täglich unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen werden (BFH 25.10.12, X B 133/11, BFH/NV 13, 341). |
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Ein Taxiunternehmer vernichtet nach den Feststellungen der Steuerfahndung die Schichtzettel, auf denen der Fahrer bei jeder Schicht seine tatsächlichen Einnahmen notiert, nach nur teilweiser Verbuchung der Erlöse. Dann ist das FA dem Grunde nach berechtigt, Hinzuschätzungen vorzunehmen. Das FG sah im Einzelfall eine Hinzuschätzung für zulässig auf der Grundlage der durchschnittlichen Kilometerleistung und der Fahrzeiten, wobei es eine Begrenzung der Hinzuschätzung auf 40 % der erklärten Umsätze vornahm (FG Düsseldorf 28.3.08, 11 V 110/08 A). |
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Das FA legte einen Erlös von 0,80 EUR pro gefahrenen Kilometer zugrunde. Das FG Hamburg (31.8.11, 6 V 2/11) akzeptierte zwar die seitens des FA zugrunde gelegte Jahresfahrleistung, nicht jedoch die Höhe des Erlöses pro km. Das FG sah diesen im Einzelfall als zweifelhaft an, da der seitens des FA verwandte km-Satz mit den Erklärungen des Taxiunternehmers nicht vereinbar war. |
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Das FA geht bei seiner Schätzung von bestimmten Durchschnittswerten aus, die es als Erfahrungswerte aus anderen Prüfungen bezieht. In diesem Fall muss das FA dem FG ermöglichen, die Angemessenheit dieser Durchschnittswerte festzustellen (BFH 17.6.04, IV R 45/03, BFH/NV 04, 1618). Dies bedeutet, dass das FA spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren „die Karten offenlegen muss.“. Auf „geheime“ Daten darf keine Schätzung gestützt werden. |
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Das FA und der Taxiunternehmer sind uneins, ob es sich bei den Aushilfsfahrern um Arbeitnehmer oder Selbstständige handelt. Diese Diskussion hat jedoch keine Auswirkung auf Höhe und Zurechnung des Umsatzes gegenüber dem Taxiunternehmer, wenn die Beförderungsleistungen gegenüber den Taxikunden im Namen und für Rechnung des Taxiunternehmens erfolgten (FG Düsseldorf 8.9.99, 5 K 2457/91 U). |
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Der Taxiunternehmer benennt nicht die Lohnempfänger. Dann kann das FA im Einzelfall berechtigt sein, den Gewinn um den Lohnaufwand wegen Nichtbenennung der Lohnempfänger gem. § 160 AO zu erhöhen (Ermessensentscheidung). |
1.7 Scheinselbstständige
Hinsichtlich der Lohnsteuerpflicht können sich z. B. Risiken bei eventuellen Scheinselbstständigen ergeben. Hier kann der Prüfer u. U. auch eine Kontrollmitteilung für die Prüfung durch die Rentenversicherungsträger (Sozial-versicherungspflicht) schreiben. Insofern besteht dann das Risiko weiterer Prüfungen aufgrund der fehlenden Abführung der Sozialversicherungsbeiträge.
PRAXISHINWEIS | Der Taxiunternehmer bzw. sein Berater können beantragen, dass die Finanzverwaltung zeitgleich und in Abstimmung mit der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung prüft (§ 42f EStG). Auch kann ein Antrag auf ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren bei der Sozialversicherung gestellt werden, um Rechtssicherheit hinsichtlich der Eigenschaft als Selbstständiger oder Arbeitnehmer zu erhalten. |
1.8 Informationsanspruch
Der Taxiunternehmer hat einen Anspruch darauf, während der Prüfung laufend über die festgestellten Sachverhalte informiert zu werden (§ 199 Abs. 2 AO). Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat im Raum steht. In diesem Fall wird der Prüfer die Prüfung unter einem Vorwand unterbrechen und die Steuerfahndung einschalten. Der vorgenannte Informationsanspruch bedeutet nach h. M. nur ein Unterrichtungsrecht und kein Recht auf Einsicht in die Betriebsprüfungsakten und Handakten des Prüfers. Erst im Rahmen eines späteren finanzgerichtlichen Verfahrens hätte der Unternehmer als Kläger einen Anspruch auf Akteneinsicht auch in diese Akten (§§ 78, 71 Abs. 2 FGO). Allerdings kann erwogen werden, einen Antrag auf Akteneinsicht bei Bedarf trotzdem zu stellen. Denn es steht im Ermessen des Finanzamts, Akteneinsicht zu gewähren. Dies kann beispielsweise nach einem Beraterwechsel geboten sein.
1.9 Chance in der Schlussbesprechung
Die Gesprächsführung hat maßgeblichen Einfluss auf ein möglichst vorteilhaftes Ergebnis für den Taxiunternehmer. Daher bereiten sich erfolgreiche Berater mit einer Strategie auf das Gespräch vor. Hierbei werden vorab die verhandel- und nicht verhandelbaren Positionen und ein Mindestziel festgelegt. Eine Rollenverteilung zwischen Berater und Unternehmer im Besprechungstermin kann u. U. hilfreich sein. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, zunächst nur mit dem Prüfer (ohne Sachgebietsleiter) zu sprechen, um zunächst eine größere Beweglichkeit zu erreichen. Verbleiben zum Abschluss des Gesprächs Unklarheiten bzw. streitige Punkte im Sachverhalt, kann eine tatsächliche Verständigung für abschließende Rechtssicherheit sorgen. Hierbei sollten alle betroffenen Behörden „ins Boot“ geholt werden.
2. Prüfung durch die Sozialversicherungsträger
Der Zweck der Betriebsprüfung durch Sozialversicherungsträger besteht in der Klärung, ob die Beiträge zur Sozialversicherung rechtzeitig und vollständig erhoben wurden. Aufgrund der Besonderheiten des Personaleinsatzes werden gerade Betriebe des Taxigewerbes oftmals sehr kritisch geprüft. Im Einzelfall können aufgrund von Säumniszuschlägen von 12 % pro Jahr und langer Festsetzungsfristen von bis zu 30 Jahren erhebliche Nachzahlungen drohen.
2.1 Zuständigkeit
Die Prüfung (§ 28p SGB IV) erfolgt durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (mit verschiedenen Standorten in Deutschland) und durch die regionalen Versicherungsträger der Bundesländer (Regionalträger). Die konkrete Zuständigkeit richtet sich nach den Betriebsnummern, um Mehrfachprüfungen zu verhindern. Bei Betrieben mit den Endziffern 0 bis 4 ist die Deutsche Rentenversicherung Bund und bei Betrieben mit den Endziffern 5 bis 9 der jeweilige Regionalträger zuständig. Bei Taxibetrieben als Arbeitgeber, deren Entgeltabrechnungen durch eine Abrechnungsstelle erfolgen, ist die Betriebsnummer der Abrechnungsstelle entscheidend. Abrechnungsstellen können z. B. Steuerberater oder Buchhaltungsbüros sein.
2.2 Wann mit der Prüfung zu rechnen ist
Das Gesetz sieht vor, dass jeder Arbeitgeber mindestens alle vier Jahre geprüft werden soll. Dieser 4-Jahres-Turnus bedeutet jedoch kein Verbot für die Prüfbehörde, auch schon früher zu prüfen. Dies geschieht in der Praxis z. B. durch sogenannte Ad-hoc-Prüfungen nach Zufallserwägungen, Branchenprüfungen, bei Einstellung des Betriebs oder, wenn sonstige Unregelmäßigkeiten auftreten.
Die Prüfung geschieht grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung (Prüfungsmitteilung) und muss spätestens 14 Tage vor der Prüfung angekündigt werden, wobei mit Zustimmung des Arbeitgebers eine Verkürzung möglich ist (§ 7 BVV). Im Gegensatz zu Außenprüfungen der Finanzämter wird jedoch keine anfechtbare Prüfungsanordnung erlassen, wie dies z. B. vor einer Lohnsteuer-Außenprüfung vorgesehen ist. Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann eine Prüfung auch ohne vorherige Prüfungsmitteilung durchgeführt werden.
2.3 Befugnisse der Prüfer
Die Prüfer haben das Recht auf Einsicht in Entgeltunterlagen und in die gesamten Daten der Finanzbuchhaltung (§§ 1 Abs. 2 BVV). Zu den Entgeltunterlagen gehören alle Angaben und Unterlagen, die für die sozialversicherungsrechtliche Prüfung notwendig sind.
Es sollten daher alle arbeitsvertraglichen Vereinbarungen (einschließlich derer mit geringfügig Beschäftigten) schriftlich vereinbart werden. Entgeltunterlagen müssen bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung folgenden Kalenderjahrs geordnet aufbewahrt werden (§ 28f SGB V). Wenn sich aus anderen Vorschriften längere Fristen ergeben, so gelten diese. Daher sind auch die Regelungen zur Aufbewahrung nach der AO und dem HGB zu beachten.
2.4 Schlussbesprechung und Änderungsbescheide
Nach der Schlussbesprechung erhält der Arbeitgeber geänderte Beitragsbescheide oder eine Mitteilung, dass sich keine Änderungen ergeben haben. Statthafter Rechtsbehelf gegen die Änderungsbescheide ist der Widerspruch. Für das Klageverfahren ist das Sozialgericht am Sitz des Betriebs zuständig.
3. Strafverfahren
Grundsätzlich sind Besteuerungsverfahren und Strafverfahren rechtlich voneinander zu trennen (§ 393 Abs. 1 S. 1 AO). Jedoch haben Steuerfahnder kraft Gesetzes eine Doppelfunktion. Sie sind „normale“ Finanzbeamte, können aber ebenso Beamte der Strafverfolgung (Polizei) sein. Sie haben also zwei Funktionen (sog. Janusköpfigkeit der Steuerfahndung) und es wird nicht immer deutlich, ob sie dem Steuerpflichtigen nun als „Polizist“ wegen eines Steuerstrafverfahrens (dann gelten die Befugnisse der StPO) oder als Finanzbeamter (dann gilt die AO) gegenübertreten.
Tritt der Steuerfahnder dem Steuerpflichtigen als Polizist gegenüber, dann hat der Beschuldigte ein strafrechtliches Schweigerecht, d. h. er kann außer auf Fragen zu seiner Person (Name, Anschrift) sämtliche Auskünfte verweigern.
In steuerlicher Hinsicht besteht jedoch grundsätzlich kein Auskunftsverweigerungsrecht. Im Gegenteil, er ist sogar gesetzlich zur Mitwirkung verpflichtet (§ 90 ff. AO), es besteht allerdings ein Zwangsmittelverbot (§ 393 Abs. 1 S. 2 AO). Bereits anhand dieser besonderen Rechtsstellung der Steuerfahndung wird die praktische Schwierigkeit des Umgangs mit ihr deutlich. Hier sollten bereits zu Beginn Fehler vermieden werden, denn spätestens im Strafverfahren geht es nicht mehr „nur ums Geld“. Vielmehr ist eine Koordinierung des Besteuerungs- und des Strafverfahrens geboten.
PRAXISHINWEIS | Bei Hinzuschätzungen wird der Verteidiger deutlich machen, dass diese nicht schlicht eins zu eins im Strafverfahren übernommen werden können, da dort erhöhte Beweisanforderungen gelten. Der Strafrichter muss von der Richtigkeit der Schätzung überzeugt sein und dies in seinem Urteil darlegen. Bestehen Zweifel an der Schätzung, kann diese strafrechtlich nicht übernommen werden. |
Sobald der steuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Prüfer den Verdacht hat, dass sich betreffend der Sozialversicherungspflicht Hinweise für eine Straftat wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB ergeben, wird er die zuständige Ermittlungsbehörde einschalten. Diese ist das örtlich zuständige Hauptzollamt und die Staatsanwaltschaft.
Die Straf- und Bußgeldsachenstelle ist bei Strafverfahren, bei denen es nicht mehr nur allein um ein Steuerstrafverfahren geht, nicht zuständig. Das Hauptzollamt wird auf der Basis der Berechnungen des Prüfers einen strafrechtlichen Bericht hinsichtlich des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB anfertigen. Dieser wird dann an die Staatsanwaltschaft übersandt. Gleichzeitig wird das Hauptzollamt das Betriebsstätten-Finanzamt vorsorglich über seine eigenen Erkenntnisse informieren.
Die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob es sich um einen Sachverhalt handelt, der beim zuständigen Amts- oder Landgericht strafrechtlich anzuklagen ist. In „kleineren“ Fällen folgt oft ein Strafbefehl. Wenn das Hauptziel der Einstellung des Strafverfahrens nicht erreichbar ist, kann es der Verteidigung in der Praxis u. U. gelingen, das Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldauflage gem. § 153a StPO zu beenden. Hierzu müssen dann die fälligen Beiträge und Steuern zur Schadenswiedergutmachung geleistet werden.
Im steuer- und abgabenrechtlichen Verfahren ist jedoch oft keine Stundung (Ratenzahlung) erreichbar. Trotzdem kann sich der Versuch einer Absprache lohnen. Zudem sollte der Verteidiger darauf hinwirken, dass hinsichtlich der Sozialabgaben erhebliche Säumniszuschläge von 12 % pro Jahr (teilweise) erlassen werden. Hier entscheidet jedoch der Einzelfall.
Jede strafrechtliche Verurteilung, ein Strafbefehl aber auch eine Einstellung des Strafverfahrens gem. § 153a StPO kann u. U. zu weiteren negativen Konsequenzen führen. So können bei Strafen Eintragungen im sog. „Führungszeugnis“ oder auch in Korruptionsregistern (unterschiedlich je nach Bundesland) drohen, sodass ggf. öffentliche Aufträge (z. B. für die Dienstleistung als Anruf-Sammeltaxi oder im Schulkinder-Transport) ausbleiben werden. Ein Eintrag im Korruptionsregister kann u. U. bereits bei einer Einstellung gem. § 153a StPO erfolgen.
FAZIT | Für den Erfolg in der Betriebsprüfung ist eine gut vorbereitete Strategie entscheidend. Diese sollte ggf. im Verlaufe der Prüfung nachjustiert werden. Die Erfahrung zeigt, dass in der Prüfung die Kommunikation mit dem Prüfer das A und O ist. Bei Taxiunternehmen sollte in den Blick genommen werden, dass Sachverhalte nicht nur durch das Finanzamt, sondern oft auch durch die Rentenversicherungsträger bzw. die Hauptzollämter geprüft werden. Für eine Einigung ist daher eine gleichzeitige Absprache mit allen beteiligten Behörden zu erwägen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn im Ausnahmefall strafrechtliche Vorwürfe im Raum stehen. |
Zum Autor | RA FAStR Dirk Beyer ist Mitarbeiter der Sozietät LHP in Köln und war früher Sachgebietsleiter in einer Steuerfahndungsstelle.