14.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130877
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 16.12.2004 – 3 Sa 30/04
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LAG Baden-Württemberg, 16.12.2004
3 Sa 30/04
In dem Rechtsstreit
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer -
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer,
den ehrenamtlichen Richter Diener und
den ehrenamtlichen Richter Stocker
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2004
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 17. Mai 2004 - 6 Ca 247/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert im zweiten Rechtszug: 53.620,99 EUR
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der Befugnis des Klägers, die ihm nachgeordneten Oberärzte zu Rufbereitschaften einzuteilen, und damit im Zusammenhang stehend über den Umfang der Verpflichtung des Klägers, selbst Rufbereitschaften abzuleisten.
Der Kläger ist seit dem 01. Mai 1984 als Chefarzt der Internistischen Abteilung am Krankenhaus M. beschäftigt. Die Beklagte ist die Trägerin dieses Krankenhauses.
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Dienstvertrag vom "17.4.84" (Anl. K1 - Bl. 10 -23 der Akte des Arbeitsgerichts). Außerdem haben die Parteien einen Zusatzvertrag vom selben Tag (Anl. K2 - Bl. 24 - 28 der Akte des Arbeitsgerichts) geschlossen, der sich auf die Modalitäten der nach § 16 des Arbeitsvertrags zugelassenen Nebentätigkeiten des Klägers bezieht.
Der Dienstvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:
Dienstvertrag
Zwischen dem Landkreis H.,
vertreten durch Herrn Landrat W. (Krankenhaus)
und
Herrn Dr. med. N.N.
...
§ 1 - Dienstverhältnis
(1)
Herr Dr. med. N.N., geb. am
Arzt für Innere Medizin
wird mit Wirkung vom 01. Mai 1984
als leitender Abteilungsarzt der inneren Abteilung
des Kreiskrankenhauses M. angestellt.
(2)
Das Arbeitsverhältnis ist bürgerlich-rechtlicher Natur.
Neben den Regelungen dieses Vertrages: finden auf das Dienstverhältnis die §§ 6-10, 13, 14, 18 Abs. 2+3, 52, 60, 66: und 70 des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) vom 23.02.61 sowie die vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung
§ 2 - Stellung des leitenden Arztes
(1)
Herr Dr. med. N.N. führt die Dienstbezeichnung "Leitender Arzt der Abteilung innere Medizin".
(2)
Der leitende Arzt ist verpflichtet, in M. zu wohnen.
(3)
Dienstvorgesetzter des leitenden Arztes ist der Landrat.
(4)
Der leitende Arzt ist in seiner ärztlichen Verantwortung bei der Diagnostik und Therapie unabhängig nur dem Gesetz verpflichtet.
(5)
Der leitende Arzt ist zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Krankenhausträger, den Krankenhausärzten, den Belegärzten, der leitenden Pflegekraft und der Verwaltungsleitung verpflichtet.
(6)
Können Meinungsverschiedenheiten im Rahmen dieses Vertrages unter den Krankenhausärzten oder zwischen ihnen und den übrigen leitenden Mitarbeitern des Krankenhauses nicht beigelegt werden, entscheidet der Dienstvorgesetzte nach Anhörung der Beteiligten.
(7)
Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung oder auftretende Mißstände in seiner Abteilung hat der leitende Arzt unverzüglich dem Landrat mitzuteilen.
(8)
Der Krankenhausträger hört den leitenden Arzt vor wichtigen Entscheidungen in dessen Aufgabenbereich.
§ 3 - Dienstaufgaben Rechte und Pflichten des leitenden Arztes
...
(5)
Der leitende Arzt ist zu ausreichender, zweckmäßiger und wirtschaftlicher Behandlungsweise verpflichtet. Er trägt auch beim nachgeordneten ärztlichen Dienst die Verantwortung für eine sparsame Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel.
...
§ 6 - Personal
(1)
Der leitende Arzt hat in ärztlichen Angelegenheiten das Weisungsrecht gegenüber dem Personal seiner Abteilung. Die Befugnisse der anderen leitenden Mitarbeiter des Krankenhauses bleiben unberührt.
(2)
Bei der Diensteinteilung und bei der Zuteilung von Aufgaben und Tätigkeiten an nachgeordnetes Personal hat der leitende Arzt den Ausbildungsstand dieser Personen und das Vertragsverhältnis des Krankenhausträgers mit ihnen zu beachten. Er hat auch dafür zu sorgen, daß die vertragliche oder tarifliche Arbeitszeit des Heil- und Heilhilfspersonals seiner Abteilung eingehalten wird.
(3)
Personen, die der Krankenhausträger nicht angestellt oder zur Ausbildung zugelassen hat, dürfen im Krankenhaus nicht beschäftigt oder verwendet werden. Ausnahmen kann der Dienstvorgesetzte genehmigen.
Das Zuziehen von Konsiliarärzten bleibt hiervon unber ührt.
(4)
Arbeitszeugnisse für nachgeordnete Ärzte, med.-techn. Personal, Pflegekräfte und physiotherapeutisches Personal werden vom Krankenhausträger im Anschluß an eine fachliche Beurteilung durch den leitenden Arzt ausgestellt.
(5)
Zeugnisse für nachgeordnete Ärzte zum Zwecke der Facharztanerkennung oder ähnliche Bescheinigungen stellt der leitende Arzt aus. Sie sind vor Aushändigung mit einer Mehrfertigung für die Personalakten dem Krankenhausträger zur Kenntnis vorzulegen.
§ 7 - Mitwirkung bei der Betriebsführung
(1)
Der leitende Arzt ist verpflichtet, auf Verlangen des Krankenhausträgers, an der Betriebsführung des Krankenhauses mitzuwirken.
(2)
Der leitende Arzt ist für den geordneten Dienstbetrieb und für die allgemeine Hygiene in seiner Abteilung verantwortlich.
(3)
An der Festlegung von Grundsätzen für die Betriebsführung des Krankenhauses und für den Betriebsablauf im medizinischen und pflegerischen Bereich hat der leitende Arzt auf Verlangen des Krankenhausträgers mitzuwirken.
(4)
Die Bestimmungen des Personalvertretungsgesetzes des Landes Baden-Württemberg bleiben unberührt.
§ 8 - Vergütung
(1)
Der leitende Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich:
a)
Grundgehalt, Ortszuschlag und Kinderzuschlag entsprechend der Besoldungsgruppe A 16 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg in der jeweiligen Fassung. Der Beginn des Besoldungsdienstalters wird auf den Monat der Vollendung des 21. Lebensjahres festgesetzt.
b)
Anteile aus den Liquidationserlösen des Krankenhauses für die ärztlichen Leistungen bei der stationären oder halbstationären Behandlung der Patienten, die die Wahlleistung "ärztliche Leistung" beantragt haben, jedoch nur für die in § 13 Abs. 1 Buchst. b) genannte Zeit. An den Liquidationserlösen aus dem stationären und halbstationären Bereich des Kreiskrankenhauses M. erhält der leitende Arzt den nach Abzug des Nutzungsentgelts von 25 v.H. und der Anteile für nachgeordnete Ärzte verbleibenden Anteil.
Diese Anteile werden in monatlichen Teilbeträgen auf der Grundlage von 90 v.H. der im vorausgegangenen Kalenderjahr eingegangenen Liquidationserlöse gezahlt. Etwaige Überzahlungen sind innerhalb von 4 Wochen nach Aufforderung zurückzuzahlen.
c)
Das Liquidationsrecht für die ärztlichen Leistungen bei stationären Gutachter- und Beobachtungsfällen, soweit eine gesonderte Berechnung nach dem Pflegekostentarif des Krankenhauses zulässig ist.
(2)
Mit der Vergütung nach Abs. 1 ist abgegolten
a)
Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art
b) Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft für monatlich 15 Tage.
(3)
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft ab dem 16. Tag im Kalendermonat wird mit den tariflichen Sätzen, die für die nachgeordneten Ärzte gelten, entsprechend der Vergütungsgruppe BAT I vergütet.
(4)
Der Krankenhausträger behält sich vor, die Anteile nach Abs. 1 Buchst. b) im Rahmen der Krankenhaus-Gesetzgebung zu ändern, wobei als Nutzungsentgelt mindestens 25 v.H. der Liquidationserlöse verbleiben müssen.
...
§ 18 - Organisationsrecht.
(1) Unbeschadet der Bestimmungen in § 7 kann der Krankenhausträger im Rahmen seines Organisationsrechtes Satzungen, Dienstanweisungen, Hausordnungen und dergleichen erlassen.
(2)
Werden dadurch die vertraglichen Rechte des leitenden Arztes geschmälert oder seine vertraglichen Verpflichtungen erweitert, ist eine vorherige Einigung erforderlich.
§ 19 - Änderungen
(1)
Änderungen und Ergänzungen des Vertrages müssen schriftlich niedergelegt werden. Mündliche Nebenabreden sind nichtig.
(2)
Durch eine vom Vertragstext abweichende Übung werden Rechte und Pflichten nicht begründet.
§ 20 - Erfüllungsort Erfüllungsort ist M..
Das Arbeitsverhältnis ist nach § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen.
Seit Beginn seiner Chefarzttätigkeit am 01. Mai 1984 bis einschließlich 30. Oktober 2003 war in der Abteilung des Klägers lediglich ein Oberarzt beschäftigt. Dieser leistete in diesem Zeitraum regelmäßig 15 Rufbereitschaftsdienste monatlich. Die verbleibenden Rufbereitschaftsdienste deckte der Kläger selbst ab. Seit dem 01. November 2003 ist in der Abteilung des Klägers eine weitere Oberärztin tätig. Seither besteht zwischen den Parteien Streit über den Umfang der vom Kläger selbst zu leistenden Rufbereitschaften, da dieser nur noch so viele Rufbereitschaften übernahm, wie sie nicht von den beiden Oberärzten abgedeckt werden konnten. Mit "Aktenvermerk" vom 08.10.03 unterbreitete die Beklagte dem Kläger das aus Anl. K2 (Bl. 29 der Akte des Arbeitsgerichts) ersichtliche Angebot. Danach sollte, nachdem seit 01. November 2003 die Rufbereitschaft durch drei Personen geleistet wurde, der Kläger nur noch ein Drittel des Rufbereitschaftsdienstes abdecken; die Differenz zu 15 Rufbereitschaftsdiensten sollte der Kläger aber wertmäßig durch einen Abzug von der Poolzahlung in Höhe von 1.095,20 Euro monatlich ausgleichen. Der Kläger lehnte dieses Angebot mit Schreiben vom 14.10.03 (Anl. K3 - Bl. 30 der Akte des Arbeitsgerichts) ab. Die Beklagte ordnete hierauf mit Schreiben vom 22.12.2003 (Anl. K5 - Bl. 35 der Akte des Arbeitsgerichts) an, dass sich der Kläger bei der Einteilung der Rufbereitschaftsdienste weiterhin mit 15 Diensten im Monat zubeteiligen habe.
Mit seiner am 13. April 2004 eingegangenen Klage will der Kläger seine Auffassung gerichtlich bestätigt erhalten, er sei nicht verpflichtet, wie bisher 15 Rufbereitschaftsdienste pro Monat zu leisten. Nachdem seit dem 01. November 2003 zwei qualifizierte Oberärzte zur Verfügung stünden, könnten diese bis zur tariflichen Obergrenze von regelmäßig maximal zwölf Rufbereitschaftsdiensten pro Kalendermonat eingeteilt werden. Seine eigene Teilnahme an der Rufbereitschaft sei deshalb nur noch für die verbleibenden 6 bis 7 Dienste monatlich erforderlich.
Der Kläger hat folgende Anträge gestellt:
Es wird festgestellt, dass der Kläger die beiden Oberärzte seiner Abteilung zu maximal zwölf Rufbereitschaften pro Monat einteilen darf und selbst nur noch die dann verbleibenden Rufbereitschaften ableisten muss.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, der Kläger sei vertraglich verpflichtet, monatlich 15 Rufbereitschaftsdienste zu leisten, wie es fast zwanzig Jahre zuvor auch der Fall gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben, weil der Kläger nach dem Arbeitsvertrag berechtigt sei, die Rufbereitschaften in den tarifvertraglichen Grenzen den beiden Oberärzten aufzubürden und selbst nur noch die restlichen Rufbereitschaften (monatlich sechs bis sieben) auszuführen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger bittet um die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen des Vortrags der Parteien in seinen Einzelheiten wird auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wie auch das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Der Kläger kann je nach den Umständen die beiden Oberärzte seiner Abteilung jeweils zu bis zu zwölf Rufbereitschaften im Monat entsprechend den einschlägigen tariflichen Bestimmungen einteilen, ist aber selbst nicht verpflichtet, dem Grundsatz nach ein Drittel der monatlich anfallenden Rufbereitschaften zu übernehmen. Der Feststellungsantrag wird dabei so verstanden, dass der Kläger festgestellt haben möchte, dass er nur zur Übernahme so vieler Rufbereitschaften verpflichtet sei, wie sie nicht durch die maximal von den Oberärzten zu leistenden Dienste erbracht werden könnten, also monatlich nur dann von sechs bis sieben Rufbereitschaften, wenn beide Oberärzte je zwölf Rufbereitschaften im Monat erbringen können und dürfen.
1.
Mit dieser Maßgabe und in diesem Verständnis ist die Klage zulässig, weil sich die Beklagte weiterhin dessen berühmt, dass der Kläger selbst mindestens 15 Rufbereitschaften im Monat zu leisten habe. Soweit zwischen den Parteien Vergleichsvorschläge ausgetauscht worden sind, ergibt sich aus ihnen noch nicht, dass sich die Beklagte endgültig und auf Dauer von der Rechtsauffassung distanziert hätte, wie sie in dem Schreiben vom 22.12.2003 (Anl. K5 - Bl. 35 der Akte des Arbeitsgerichts) zum Ausdruck kommt. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Feststellung, weil er auf die Klärung seiner Vertragspflichten in diesem Punkt angewiesen ist. Er muss weiterhin die Einteilung vornehmen. Es ist ihm nicht zuzumuten, ständig unter dem Risiko zu handeln, dass seine Auffassung über den Vertragsinhalt nicht zutrifft. Die Alternative wäre, dass er sich entgegen seiner Überzeugung der Rechtsauffassung des Arbeitgebers unterwirft. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass ihn die Beklagte zum Ersatz des erhöhten finanziellen Aufwands nach Maßgabe des vertraglich in Bezug genommenen § 14 BAT heranzieht.
Der Antrag ist auch ausreichend bestimmt. Dabei wird dem Antragsteil, dass der Kläger berechtigt ist, die beiden fraglichen Oberärzte monatlich zu jeweils zwölf Rufbereitschaften heranzuziehen, inhaltlich entnommen, dass es sich nur um eine Bestimmung des Rahmens handelt und dass der Kläger inhaltlich nicht in Abrede stellen will, dass sich für die Oberärzte Umstände ergeben können, die tariflich zwölf Rufbereitschaften im Monat nicht zulassen (vgl. etwa SR 2c Nr. 8 Abs. 6 BAT, Urlaub, Krankheit usw.). Allerdings begibt sich der Kläger insoweit auch der Möglichkeit, die in den einschlägigen tariflichen Bestimmungen enthaltenen Ausnahmeregelungen auszunutzen. Soweit beide Oberärzte nicht zusammen 24 Rufbereitschaften im Monat erbringen können oder dürfen, lässt der Antrag die Auslegung zu, dass der Kläger die jeweils restliche Anzahl der Rufbereitschaften zu übernehmen hat, wie dies der bisherigen Pflichtenlage entsprochen habe, als nur ein Oberarzt in der Abteilung zur Verfügung stand.
2.
Die Klage ist auch begründet.
a)
Der Kläger verlangt nicht die Feststellung, dass er nur zur Leistung von sechs bis sieben Rufbereitschaften verpflichtet ist. Vielmehr ergibt sich aus seinem Antrag, dass er einräumt, die je verbleibenden Rufbereitschaften übernehmen zu müssen. Soweit er mithin mit der Feststellungsklage den Inhalt des Arbeitsvertrags dahingehend bestimmt wissen möchte, dass er nicht verpflichtet ist, auf jeden Fall eine bestimmte (Mindest-)Anzahl an Rufbereitschaften übernehmen zu müssen, solange er die Oberärzte zu diesen Rufbereitschaften einteilen kann, ist die Klage begründet. In diesem Sinne wird seine Klage ausgelegt. Seine Pflicht, gegebenenfalls durch persönlichen Einsatz die Rufbereitschaft während des gesamten Monats zu gewährleisten, ist damit nicht in Frage gestellt. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Was die Frage des billigen Ermessens bei der Einteilung der Rufbereitschaft angeht, ist zu unterscheiden, ob der Kläger als Vertreter des Arbeitgebers handelt oder ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien betroffen ist. Als Vertreter des Arbeitgebers hat er bei der Anordnung der Dienste den ihm unterstellten Oberärzten gegenüber nach § 315 BGB die Einteilung nach Billigkeit vorzunehmen. Dies steht aber nicht im Streit, weil auch die Beklagte nicht substanziell vorgetragen hat, die beiden Oberärzte fühlten sich unbillig behandelt, wenn sie bis zur rechtlich zulässigen Grenze zur Rufbereitschaft eingeteilt werden. Sie argumentiert nur von einem abstrakten Prinzip her. Das Merkmal der Billigkeit lässt ja nicht nur eine Lösung, nämlich die von der Beklagten richtig gehaltene, zu. Vielmehr sind die beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen. Die mit der leitenden Tätigkeit eines Chefarztes verbundene erhöhte Arbeitsbelastung und Verantwortung lässt es aber nicht von vornherein als unbillig erscheinen, sich selbst in geringerem Maße mit Rufbereitschaften zu belasten, zumal die beteiligten Oberärzte ihre Tätigkeit nicht unentgeltlich zu erbringen hätten. Wird, wie es die Beklagte tut, auf die Stellung des Arbeitgebers abgestellt, gibt es keine Grundlage für die Annahme, der Arbeitgeber selbst müsste sich bei der Verteilung der Arbeit selbst einbeziehen. Allerdings wäre die Grenze der Billigkeit eine Schranke, die der Kläger zu beachten hätte. Vorliegend ist aber das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien im Streit. Hier steht die Pflichtenlage des Klägers als Arbeitnehmer der Beklagten zu Diskussion. Und hier kommt es bezüglich der Durchführung der Vertragspflichten des Klägers im Verhältnis zur Beklagten nicht auf sein billiges Ermessen an, sondern darauf, wozu er vertraglich verpflichtet ist und ob er gegebenenfalls seine Pflichten konkretisierende Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen hat.
b)
Auch im vorliegenden Fall sind bei der Auslegung des Vertrags wie auch der Bestimmung der Vertragspflichten die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 23. Mai 1984 (5 AZR 476/81 - nicht amtlich veröffentlicht), auf das die Parteien bereits vor dem Verhandlungstermin hingewiesen wurden, zu einer Streitigkeit herausgearbeitet hat, die im Sachverhalt, soweit hier von Interesse, mit dem vorliegenden Rechtsstreit große Ähnlichkeiten aufweist. Der vorliegende Fall unterscheidet sich aber von dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalt darin, dass hier in § 3 Abs. 13 und § 8 Abs. 2 Buchstabe b des Arbeitsvertrags ausdrückliche Bestimmungen über die Regelung der Rufbereitschaft vorliegen. Diese sind zwar nicht erschöpfend, lassen aber erkennen, dass die Teilnahme an der Rufbereitschaft, soweit sie in der Vergangenheit zu gleichen Teilen vom Kläger und dem Oberarzt aufgeteilt wurde, nicht aufgrund einer ungeschriebenen Verpflichtung, sich gleichmäßig an den Rufbereitschaften zu beteiligen, erfolgt ist, sondern im Hinblick auf die vertragliche Vereinbarung, dass die Teilnahme an der Rufbereitschaft zu erfolgen hat, wenn sie erforderlich ist.
Das Merkmal "erforderlich" hat das Arbeitsgericht sinngemäß so ausgelegt, dass die Übernahme der Rufbereitschaft durch den Kläger nur dann Vertragspflicht sei, wenn die Übertragung auf einen Dritten nicht möglich, wenn sie "zwangsläufig" sei. Dies ist zutreffend. Erforderlich bedeutet in diesem Zusammenhang einerseits, dass eine Handlung oder ein Verhalten überhaupt notwendig oder geboten ist, andererseits, dass dem nur auf eine bestimmte Weise Rechnung getragen werden kann. Dass die Einteilung zur Rufbereitschaft als solche erforderlich ist, ist von der Sache her unstreitig. Sollte sich dieses Merkmal im Arbeitsvertrag auf die Tatsache der Rufbereitschaft an sich bezogen haben, wäre es sinnlos, weil von vornherein klar war, dass eine Rufbereitschaft einzurichten und unausweichlich ist. Dieses Merkmal kann sich sonach nur darauf bezogen haben, dass gerade der Kläger und nicht ein Dritter die Rufbereitschaft zu leisten hat. Ist dies aber der Fall, ist es dem Kläger vertragsrechtlich erlaubt, die ihm zur Verfügung gestellten Ressourcen so auszuschöpfen, wie es nach den einzuhaltenden rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf alle Beteiligten möglich ist. Da es aber an einer ausdrücklichen vertraglichen Verpflichtung fehlt, eine bestimmte Anzahl von Rufbereitschaften im Monat zu erbringen, kommt es für das Merkmal der Erforderlichkeit darauf an, welche Möglichkeiten zur Einteilung der in Betracht kommenden Ärzte zur Rufbereitschaft bestehen.
c)
Auch der weitere Wortlaut der Vertragsbestimmung stützt dieses Ergebnis: In erster Linie hat nämlich der Kläger nach § 3 Abs. 13 des Arbeitsvertrags die Rufbereitschaft sicherzustellen. Die Reihenfolge, in der die Pflichten des Klägers aufgeführt sind, intendiert die Auslegung, dass es in erster Linie darauf ankommt, dass der Kläger in welcher Weise auch immer die Rufbereitschaft zu gewährleisten hat. Wenn sich daran die Wendung anschließt, dass er erforderlichenfalls auch an solchen Diensten selbst teilnehmen muss, zeigt dies, dass es sich insoweit um einen Auffangtatbestand handelt, der dem Kläger die Entscheidung ermöglicht, sich nur dann selbst zur Rufbereitschaft einzuteilen, wenn eine andere Möglichkeit nicht besteht. Anders kann das Wort "auch" und das Wort "selbst" in diesem Zusammenhang nicht verstanden werden. Die Verwendung dieser Worte setzt voraus, dass der persönliche Einsatz des Klägers in diesem Punkt nicht die Regel zu sein hat. Damit ist die Verpflichtung des Klägers in diesem Punkt hinreichend konkret beschrieben.
d)
Aufgrund dieser Umstände können im Unterschied zu dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hier auch nicht andere Vertragsbestimmungen zur Begründung der von der Beklagten für richtig erachteten Vertragspflicht herangezogen werden. Die Pflicht zur sparsamen Verwendung der Mittel nach § 3 Abs. 5 des Arbeitsvertrags kann nicht die Vereinbarung in Abs. 13 beeinflussen. Daraus ergibt sich keine nähere Bestimmung der Regelung hinsichtlich der Rufbereitschaft. Diese Bestimmung mag entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts umfassend alle Bereiche ärztlichen Handelns betreffen. Aufgrund der speziellen Regelung in Abs. 13 kann aber hieraus nicht hergeleitet werden, das Gebot der sparsamen Verwendung der Mittel könne das Wort "erforderlichenfalls" prägen. Denn dann hätte es nahe gelegen, auch den finanziellen Aspekt in diesem Zusammenhang anzusprechen und eine Regelung zu finden, die auch auf eine kostengünstige Verfahrensweise abstellt. Eine solche kann nämlich nicht ohne weitere Anhaltspunkte, die es nicht gibt, unter den Begriff "erforderlich" subsumiert werden, der eine gewisse Zwangslage beinhaltet. Die Frage der Sparsamkeit betrifft aber ein ökonomisches Ziel und nicht die physikalische Notwendigkeit.
e)
Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch darauf abgehoben, dass aus den Vergütungsregelungen in § 8 des Arbeitsvertrags nur die finanziellen Folgen der Leistung von Rufbereitschaft geregelt sind, dass sie aber keinen Verpflichtungstatbestand enthalten. Die dort verwendeten Begriffe "Entgelt" oder "Vergütung" beziehen sich, bezogen auf den Arbeitnehmer, nicht auf die Leistung, sondern auf die Gegenleistung. In dieser Bestimmung wird nur geregelt, für welche Leistungen der Arbeitnehmer die Gegenleistung in welcher Höhe fordern kann. Ein Pflichtentatbestand wird dort für den Arbeitnehmer nicht begründet.
f)
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sich die Vertragslage auch nicht durch die Tatsache verändert, dass sich der Kläger viele Jahre die Zahl der Rufbereitschaften mit dem einzigen Oberarzt der Abteilung gleichmäßig aufgeteilt hat. Hat die Beklagte also schon all die Jahre geduldet, dass der tarifliche Ausnahmefall zum tatsächlichen Normalfall wurde, wenn der Oberarzt monatlich bis zu 15 Rufbereitschaften zu leisten hat, kann hieraus auch nicht geschlossen werden, dass durch einen solchen Zustand die Vertragspflichten konkludent präzisiert oder verändert worden wären. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt sind ja vorliegend ausdrückliche Regelungen im Arbeitsvertrag, die die Leistung von Rufbereitschaft betreffen, getroffen worden. Deshalb kann der jahrelang geübten Verfahrensweise nichts anderes entnommen werden, als dass der Vertrag vollzogen werden sollte, der vorsah, dass der Kläger, soweit erforderlich, selbst die Rufbereitschaften zu übernehmen hatte. Wenn aber kein anderer Oberarzt zur Verfügung stand, musste er eben selbst die Rufbereitschaft übernehmen. Demgegenüber könnte vielmehr auch dieser Vertragspraxis entgegengehalten werden, dass schon damals der Kläger - ohne dass dies von der Beklagten gerügt worden wäre - nicht seiner vollen Pflicht nachkam. Denn für den Regelfall hätte ja dem allein vorhandenen Oberarzt nur die Rufbereitschaft für maximal 12 Tage im Monat übertragen werden dürfen. Schon damals war also dem Kläger nachgelassen worden, die ihn nach dem Vertrag treffende Pflicht nicht voll erfüllen zu müssen. Wenn es also zu einer konkludenten Vertragsänderung gekommen wäre, dann in diesem und nicht im Sinne der Beklagten.
g)
Das Recht des Klägers, die Oberärzte bis zu zwölf Mal im Monat zur Rufbereitschaft heranzuziehen, kann ihm von der Beklagten nicht generell durch Ausübung des Direktionsrechts abgesprochen werden. Diese Einteilung unterliegt einer bestimmten Regelung im Rahmen seiner Vertragspflichten. Für eine nähere Leistungsbestimmung im Sinne des § 106 GewO durch die Beklagte ist diesbezüglich kein Raum. Auch das Wort "erforderlich" lässt allenfalls einen Beurteilungsspielraum offen bei der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten vertragsgerecht ist, bietet aber keinen Raum für ein konkretisierendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Diese beschränkt sich in diesem Punkt auf die Einhaltung der Vertragspflichten und die etwaige Beanstandung eines pflichtwidrigen Verhaltens im Einzelfall, kann aber dem Vertragsinhalt keine neue oder besondere Bedeutung im Sinne einer verbindlichen Interpretation zuschreiben. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Feststellungsklage begründet. Eine Weisung, die den Vertrag zu Ungunsten des Klägers veränderte, wäre nach § 18 Abs. 2 des Arbeitsvertrags ebenfalls von der Zustimmung des Klägers abhängig.
3.
Nach allem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
[...]
Streitwertbeschluss:
Streitwert im zweiten Rechtszug: 53.620,99 EUR
Die Festsetzung des Gebührenwerts nach § 25 Abs. 2 GKG a.F. (die Berufung ist noch vor dem 01. Juli 2004 eingelegt worden) erfolgt nach Maßgabe des § 3 ZPO in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GKG a.F. Bei der Bestimmung des Gebührenwerts im ersten Rechtszug nach § 25 Abs. 2 GKG hat das Arbeitsgericht allerdings zu Unrecht auf die finanzielle Belastung abgestellt, die der Beklagten durch die Verfahrensweise des Klägers entsteht. Maßgeblich ist, anders als beim Streitwert, der nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzen ist und die Beschwer für den Unterlegenen bestimmt, das Angreiferinteresse, hier als der Wert, den der Kläger in einer sinnvolleren Gestaltungsmöglichkeit seiner Freizeit aufgrund einer Einschränkung der Belastung sieht, die aus der Leistung von Rufbereitschaft folgt. Insoweit auf die Kosten der Beklagten abzustellen, ist ermessensfehlerhaft, weil diesen Kosten nicht, wie etwa bei einer Zahlungsklage, ein entsprechender Vorteil des Klägers korrespondiert. Es wird aber von einer anderweitigen Festsetzung nach 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F. abgesehen, weil sich der Gegenstandswert in Bezug auf das Interesse des Klägers für die weitere Dauer des Vertragsverhältnisses, autonom über seine außerhalb des Krankenhauses zu verbringende Zeit verfügen zu können, in dieser Dimension bewegen kann. Hinzu kommt das Interesse, von Ersatzforderungen der Beklagten freigehalten zu werden. Hierfür sind wiederum die Berechnungen der Beklagten maßgeblich. Für das im zweiten Rechtszug maßgebliche Interesse der Berufungsklägerin kann deshalb auf diese Berechnung zurückgegriffen werden. Die Grenze des § 14 Abs. 2 GKG a.F. steht der Festsetzung in dieser Höhe dann nicht entgegen.
Verkündet am 16. Dezember 2004