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  • · Fachbeitrag · Arzthaftungsrecht

    Krankenhauskeim MRSA als Haftungsrisiko?

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de 

    | Zu den häufigsten Infektionserregern im Krankenhaus zählen die Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA). Das Staphylococcus aureus-Bakterium kommt üblicherweise bei rund 30 Prozent aller Menschen auf der Haut oder in den oberen Atemwegen vor. Im Krankenhaus allerdings können multiresistente Staphylococcus aureus-Varianten besondere Probleme hervorrufen - etwa Wundinfektionen, schwere Lungenentzündungen oder Sepsis. Immungeschwächte Patienten sind besonders gefährdet. Aber führt dieses erhöhte Infektionsrisiko auch zu einem erhöhten Haftungsrisiko für den Chefarzt? |

    Urteil des OLG München: Magen-Darm-Erkrankung

    In dem vom Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 6. Juni 2013 entschiedenen Fall (Az. 1 U 319/13, Abruf-Nr. 143536) ging es um einen 45-jährigen Patienten, der wegen einer Magen-Darm-Erkrankung mit dem Notarzt in die Klinik eingeliefert wurde. Er wurde in einem 3-Bett-Zimmer neben einem Patienten untergebracht, dessen Beinwunde schlecht verheilte. Der deswegen gemachte Abstrich ergab den Befund „MRSA-Besiedelung“. Daraufhin wurde der Magen-Darm-Patient, der später Klage erhob, in ein Einzelzimmer verlegt; auch bei ihm wurden Abstriche genommen. Diese ergaben den Befund „Rachen/Nase positiv, Leiste und Achseln negativ“.

     

    Patient gab Klinik die Schuld

    Der Patient stützte die Klage darauf, dass der Befall mit dem MRSA-Keim während seines Krankenhausaufenthaltes eine ärztliche Pflichtverletzung darstelle. In der Klinik seien die Hygienevorschriften vernachlässigt worden. Zudem müsse nicht er beweisen, dass er sich die Keime im Krankenhaus geholt habe, sondern die Klinikärzte müssten darlegen, dass dies nicht der Fall war. Eine solche Beweislastumkehr gilt bei „voll beherrschbarem Risiko“.

     

    OLG München wies die Klage des Patienten ab

    Das OLG München wies die Klage des Patienten im Ergebnis ab. Es stelle sich schon die Frage, ob eine kurzzeitige lokale MRSA-Keimbesiedelung überhaupt geeignet sei, gesundheitliche Spätschäden zu verursachen.

     

    Unabhängig davon sahen die Richter keinen Behandlungsfehler. Es stehe nicht fest, dass der Patient erst in der Klinik den MRSA-Keim erworben habe. Auch lägen keine Versäumnisse der Klinik vor: Nach dem geltenden Standard müsse nicht jeder Patient bei der Aufnahme auf MRSA getestet werden. Ebenso wenig sei es erforderlich, einen Patienten mit offener Beinwunde getrennt von anderen Patienten unterzubringen. Das Vorgehen der Ärzte, den anderen Patienten unmittelbar nach Kenntnis des Laborergebnisses zu isolieren und von Mitpatienten Abstriche zu nehmen, sei fachgerecht gewesen.

     

    Keine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten

    Das Gericht stellte klar, dass die Infektion eines Patienten mit einem multiresistenten Erreger während eines Krankenhausaufenthaltes weder per se eine Haftung begründe noch ein Indiz für eine mangelhafte Behandlung darstelle. Die Wege, auf denen sich Keime verbreiten könnten, seien weder vollständig kontrollierbar noch zuverlässig durch angemessene Vorsorgemaßnahmen auszuschließen. Infektionen, die sich aus solchen nicht beherrschbaren Gründen ereigneten, seien dem Lebensrisiko der Patienten zuzuordnen - und würden nicht entschädigt, so das Gericht.

    Urteil des OLG Naumburg: Tod durch Multiorganversagen

    Keinen Erfolg hatte auch eine Haftungsklage vor dem OLG Naumburg (Urteil vom 12. Juni 2012, Az. 1 U 119/11, Abruf-Nr. 143537). Hier verstarb ein Patient (67) an Multiorganversagen wegen einer Sepsis nach einer MRSA-Infektion.Das OLG Naumburg verneinte einen Behandlungsfehler. Es stellte ebenso heraus, dass allein die Infektionen mit einem MRSA-Keim nicht auf ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen schließen lasse. Nur wenn Ärzte nachweisbar Qualitätsstandards unterschritten hätten und dies ursächlich für eine Schädigung des Patienten geworden sei, bestehe ein Haftungsanspruch.

     

    Gericht sah keinen Dokumentationsmangel

    Auch einen Dokumentationsmangel sah das Gericht nicht: Es bestehe kein allgemeines Erfordernis, Hygienemaßnahmen in der Patientenakte für jeden Patienten zu dokumentieren. Dies sei nur ausnahmsweise geboten - etwa bei einer besonderen Immunschwäche des Patienten oder zum Schutze Dritter vor Ansteckung. Letzterem sei entsprochen worden, indem nach dem Erkennen der MRSA-Infektion der entsprechende „Doku-Bogen für die Isolierung von Patienten“ der Klinik ausgefüllt worden sei.

     

    Besondere Aufklärungspflicht nur in Ausnahmefällen

    Die Patientenseite hatte zudem einen Aufklärungsfehler gerügt. Vor Durchführung des Eingriffs hätte man gesondert darüber aufklären müssen, dass aufgrund von Vorschädigungen „mehrfache Wundpforten“ für das Einbringen von Keimen vorhanden gewesen seien. Auch diesen Vorwurf wies das Gericht jedoch zurück: Dass man sich in jedem Krankenhaus möglicherweise mit Keimen infizieren könne, sei allgemein bekannt. Nur wenn der geplante Eingriff ein zusätzliches Infektionsrisiko etwa durch eine Diabetes oder die Operation selbst mit sich bringen, müsse der Patient vor dem Eingriff hierauf explizit hingewiesen werden. Antibiotikaresistenzen seien ein generelles Problem in Krankenhäusern, das nicht pauschal aufklärungspflichtig sei.

     

    PRAXISHINWEIS | Wird bei einem Patienten in der Klinik eine MRSA-Infektion festgestellt, ist dies noch kein Haftungsgrund. Eine ärztliche Pflichtverletzung oder die Nichteinhaltung von Hygienestandards sowie der Beweis der Kausalität müssen vom Patienten konkret nachgewiesen werden. Eingeleitete Maßnahmen zur Isolierung müssen explizit festgehalten werden. Hier empfiehlt sich ein gesonderter Doku-Bogen, abgestimmt mit der Klinikleitung bzw. dem Hygienebeauftragten. Erachtet der Chefarzt die Hygienestandards im Krankenhaus als nicht hinreichend, sollte er die Klinikleitung hierauf ausdrücklich hinweisen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 10 | ID 43128858