· Fachbeitrag · Berufsrecht
Oberärzte dürfen keine Chefärzte weiterbilden
von RA, FA für MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de
| In bestimmten Fällen können (Chef-)Ärzte ihre Tätigkeit als Facharztweiterbildung anerkennen lassen und hernach die Zulassung zur Facharztprüfung beantragen. Allerdings muss auch die anzuerkennende ärztliche Tätigkeit unter der fachlichen Anleitung und der hierarchischen Leitung eines weiterbildungsbefugten Arztes stattgefunden haben. Demgemäß scheiden Oberärzte als weiterbildungsbefugte Ärzte für Chefärzte aus. Daher scheiterte ein Chefarzt, der die Zulassung zur Prüfung für die Anerkennung der Facharztbezeichnung Physikalische und Rehabilitative Medizin anstrebte: Das Gericht wies seine Klage ab (Verwaltungsgericht [VG] Münster, Urteil vom 15.02.2024, Az. 5 K 185/21). |
Chefarzt klagt erfolglos auf Anerkennung seiner Tätigkeit als Facharztweiterbildung
Ein mit zahlreichen Auszeichnungen und zwei Weiterbildungsbefugnissen versehener Facharzt für Chirurgie sowie Orthopädie und Unfallchirurgie ist seit Jahren als Chefarzt in einer Klinik tätig. Der Chefarzt beantragte die Erteilung einer weiteren Facharztbezeichnung, und zwar für „Physikalische und Rehabilitative Medizin“. Er hatte zwar keine ordentliche Weiterbildung durchlaufen, machte aber geltend, dass seine langjährige praktische Erfahrung in diesem Bereich und seine Tätigkeit auf der Station eines entsprechend weiterbildungsbefugten Oberarztes einer solchen Weiterbildung gleichwertig sei.
Das VG Münster wies die Klage des Chefarztes auf Anerkennung dieser Weiterbildung als gleichwertig und auf Zulassung zur Facharztprüfung als unbegründet ab.
Darum lehnte das VG Münster eine Anerkennung der ärztlichen Tätigkeit als fachärztliche Weiterbildung ab
Nach Auffassung des Gerichts waren gleich mehrere Voraussetzungen, die ärztliche Tätigkeit als Facharztweiterbildung anzuerkennnen, nicht erfüllt.
Zwar kann eine ärztliche Tätigkeit in bestimmten Fällen als Weiterbildung anerkannt werden ...
Zwar könne nach § 10 WBO Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe eine von der Weiterbildungsordnung (WBO) abweichende Weiterbildung oder ärztliche Tätigkeit unter Anleitung ausnahmsweise vollständig oder teilweise anerkannt werden, wenn sie einer geordneten Weiterbildung gleichwertig sei.
... aber im vorliegenden Fall gilt die Ausnahmevorschrift nicht!
Die Ausnahmevorschrift des § 10 WBO greife aber nur ein, wenn der Arzt in besonders gelagerten Ausnahmefällen die in der Weiterbildungsordnung vorgesehen reguläre Weiterbildung wegen eines Härtefalles nicht durchlaufen konnte. Diese Ausnahmevorschrift greife bereits dann nicht ein, wenn der Arzt von Anfang an die Möglichkeit zu einer regulären Weiterbildung hatte. Einen solchen Härtefall konnte das Gericht hier nicht erkennen, insbesondere sah es das Gericht nicht als einen Härtefall an, dass die Klinik als sein Arbeitgeber damals einen Chefarztposten besetzen musste.
Chefarzt konnte nicht nachweisen, dass die Tätigkeit seiner Weiterbildung dient
Es fehle auch an einer gezielten und konzeptionell durchstrukturierten Weiterbildung. Der Chefarzt konnte nicht nachweisen, dass er sich mit dem Oberarzt damals darauf geeinigt hätte, dass die Tätigkeit des Chefarztes auf der Station des Oberarztes gerade seiner fachärztlichen Weiterbildung diene.
„Unter Anleitung“ schließt die hierarchische Leitungsbefugnis ein
Im Übrigen sei das Erfordernis einer Weiterbildung „unter Anleitung“ nicht nur im Sinne einer fachlichen Anleitung, sondern auch im Sinne einer hierarchischen Leitungsbefugnis zu verstehen. Es sei daher nur dann erfüllt, wenn der Angeleitete den Anleitungen des Anleitenden nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die zeitliche und inhaltliche Gestaltung der Weiterbildung zu folgen hat. Ein solches Leitungsverhältnis sei hier im Verhältnis eines Oberarztes zu seinem eigenen Chefarzt grundsätzlich nicht gegeben. Letzterer stehe weder fachlich noch zeitlich noch bezüglich der inhaltlichen Gestaltung der Weiterbildung unter der hierarchischen Leitungsbefugnis seines eigenen Oberarztes.
Grundsätzlich gilt: Facharztweiterbildung ist Ländersache
Die Durchführung der Weiterbildungen findet unter der Verantwortung der Landesärztekammern statt. Die Facharztweiterbildung erfolgt jeweils in einem bestimmten Gebiet. Auf dieses Gebiet ist der Arzt in seiner Tätigkeit beschränkt (Fachgebietsgrenze). Diese Ausführungskompetenz kann durch Erwerb anderer Facharztbezeichnungen erweitert werden. Der Erwerb einer Facharztbezeichnung ist in den Weiterbildungsordnungen der Bundesländer geregelt.
FAZIT | Im vorliegenden Fall war der Kläger der Auffassung, er habe die Voraussetzungen für die Facharztbezeichnung „Physikalische und Rehabilitative Medizin“ durch jahrelange praktische Tätigkeiten zusammen mit einem weiterbildungsbefugten Oberarzt erworben. Das VG Münster indes stellte zu Recht fest, dass diese bloß praktische Tätigkeit ‒ mag sie auch langjährig sein ‒ eine gezielte und strukturierte Weiterbildung nicht ersetzen könne, zudem nicht, wenn sie durch einen unterstellten Arzt erfolge. |
Weiterführende Hinweise
- Beim Ausstellen von Weiterbildungszeugnissen besser kein Auge zudrücken! (CB 05/2022, Seite 4 f.)
- Weiterbildungszeugnis: Das müssen Sie als Weiterbildungsbefugte(r) wissen (CB 12/2017, Seite 8 ff.)
- Grauzone Weiterbildung: Die wichtigsten Aspekte für den Chefarzt (CB 10/2014, Seite 9 ff.)