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  • · Fachbeitrag · Patientenaufklärung

    Umgang mit fremdsprachigen Patienten: Rechtssicher aufklären - trotz Sprachbarriere

    von Rechtsanwältin Rosemarie Sailer, LL.M. Medizinrecht, Wienke & Becker - Köln, www.kanzlei-wbk.de 

    | Im Klinikalltag werden Chefärzte häufig mit der Situation konfrontiert, dass ein ausländischer Patient eine Behandlung zwar wünscht, mangels ausreichender Sprachkenntnisse aber kaum eine Verständigung mit ihm möglich ist. Während bei Notfällen Eile geboten und eine Aufklärung daher oft nicht möglich ist, sieht es bei elektiven Fällen anders aus: Zwar hilft hier manchmal eine versierte Krankenschwester bei der Übersetzung. Doch wie stellt der Chefarzt eigentlich sicher, dass fremdsprachige Patienten auf seiner Station ordnungsgemäß aufgeklärt werden? |

    Wie erfolgt eine ordnungsgemäße Aufklärung?

    Erscheint ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Patient ohne Übersetzungshelfer im Krankenhaus und ist kein sprachkundiger Arzt oder Pfleger in Reichweite, stellt sich die Frage: Ist der Arzt rechtlich verpflichtet, von sich aus einen Dolmetscher einzuschalten? Und muss dies die Klinik zahlen? Ist der Arzt gar verpflichtet, die Behandlung abzubrechen, wenn die Verständigungsprobleme nicht gelöst werden können?

     

    Arzt vertraglich zur Aufklärung verpflichtet

    In rechtlicher Hinsicht gilt: Der Arzt ist aus dem Behandlungsvertrag verpflichtet, den Patienten vor der Behandlung umfassend und ordnungsgemäß aufzuklären. Sinn und Zweck der Aufklärung ist es dabei, dem Patienten die wesentlichen Umstände, Risiken und Folgen des erforderlichen ärztlichen Eingriffs zu verdeutlichen und ihm somit die Tragweite seiner Entscheidung für die Behandlung vor Augen zu führen.

     

    Einwilligung des Patienten setzt ordnungsgemäße Aufklärung voraus

    Da der Patient nur dann wirksam in die Behandlung einwilligen kann, wenn er zuvor ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist, hat die Aufklärung so zu erfolgen, dass der Patient sie auch verstehen kann. Der Arzt hat das Aufklärungsgespräch also so zu führen und inhaltlich zu gestalten, wie es der individuelle Intellekt des Patienten erfordert. Dabei sind Besonderheiten des jeweiligen Patienten zu berücksichtigen.

     

    Keine ordnungsgemäße Aufklärung ohne Sprachkenntnisse

    Dieser in der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz wurde durch das Patientenrechtegesetz in § 630e Absatz 2 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) übernommen. Fehlen dem Patienten also die Sprachkenntnisse und ist eine Kommunikation mit dem Arzt daher nicht möglich, kann naturgemäß auch keine ordnungsgemäße Aufklärung erfolgen. Die Konsequenz hieraus wäre, dass eine vom Patienten dennoch erteilte Einwilligung in die ärztliche Behandlung rechtlich unwirksam wäre.

     

    Kann der Übersetzer wirklich aufklären?

    Bringt der Patient selbst einen Angehörigen oder Bekannten als Übersetzer zur Behandlung mit, muss sich der Arzt vergewissern, dass dieser die deutsche Sprache ausreichend beherrscht und die Aufklärung selbst versteht - bei der begleitenden zehnjährigen Enkelin wird dies nicht der Fall sein. Gibt es jedoch Anzeichen dafür, dass der Patient trotz Übersetzung die Aufklärung nicht versteht bzw. dass Angehörige bewusst Informationen vorenthalten - etwa um den Patienten zu schonen -, sollte der Arzt eine Behandlung verweigern, sofern dies vertretbar erscheint. Dasselbe gilt, wenn der Arzt den Eindruck hat, der Übersetzer kläre den Patienten nur oberflächlich auf.

     

    Gericht: Übersetzung durch Putzhilfe kann ausreichend sein

    Erscheint ein Patient ohne Angehörige, ist es aus rechtlicher Sicht für die Aufklärung ausreichend, wenn eine in der Klinik beschäftigte Person mit geeigneten Sprachkenntnissen übersetzt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe erachtete es in seinem Urteil vom 2. August 1995 (Az. 13 U 44/94, Abruf-Nr. 132812) bei einer Krankenhausbehandlung sogar als ausreichend, dass eine dort beschäftigte Putzhilfe als Dolmetscherin hinzugezogen wurde.

     

    Arzt muss adäquate Aufklärung sicherstellen

    Die Reinigungsfrau war in dem entschiedenen Fall nämlich in der Lage, dem medizinisch nicht vorgebildeten Patienten die medizinische Situation zu erklären. Der Arzt hat sich aber auch in vergleichbaren Fällen stets zu vergewissern, dass eine adäquate Aufklärung gewährleistet ist. Hierbei gilt: 
Je schwerwiegender und risikoreicher die geplante Behandlung ist, desto höher sind die Anforderungen an die Übersetzung.

    In welchen Fällen ist ein Dolmetscher einzuschalten?

    Hat der Arzt den Eindruck, dass der Patient die Aufklärung trotz Übersetzung nicht versteht oder verunsichert ist, bleiben ihm nur zwei Möglichkeiten:

     

    • Er verweigert die Behandlung, wenn sie aufschiebbar erscheint.
    • Er sorgt selbst für einen geeigneten Dolmetscher.

     

    Gleiches gilt, wenn ein Patient ohne Begleitung erscheint und sich nicht verständigen kann. Die Verpflichtung des Arztes, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, folgt dem Grundsatz, dass der Arzt eine verständliche Aufklärung im persönlichen Gespräch mit dem Patienten schuldet (Kammergericht Berlin, Urteil vom 8. Mai 2008, Az. 20 U 202/06, Abruf-Nr. 082374). In diese Richtung geht auch ein älteres Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (28. Juni 1995, Az. 4 U 3943/ 94), wonach es nicht genügt, einem nicht deutsch sprechenden Patienten einen fremdsprachlichen Aufklärungsbogen zu übergeben.

     

    Patient ist zur Mitwirkung verpflichtet

    Im Rahmen des Behandlungsvertrags hat der Arzt die Pflicht, ordnungsgemäß aufzuklären und nach aktuellem medizinischen Stand zu behandeln. Doch auch den Patienten treffen Mitwirkungspflichten - sie sind in § 630c Abs. 1 BGB normiert: Danach sollen Arzt und Patient zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken. Dies bezieht sich zum Beispiel auf die Pflicht des Patienten,

    • im Rahmen der Anamnese wahrheitsgemäße Angaben zu machen,
    • pünktlich zum Behandlungstermin zu erscheinen sowie
    • sich an die allgemeinen Anweisungen des Arztes zu halten.

     

    Darunter ist aber auch die Pflicht zu verstehen, dem Arzt überhaupt erst die Aufklärung und Behandlung zu ermöglichen. Ein Patient, der eine Klinik oder Arztpraxis in dem Wissen aufsucht, dass er sich dort nicht wird verständigen können, kann nicht ernstlich erwarten, dass der Arzt ihn behandelt beziehungsweise einen Dolmetscher bereithält. Vielmehr dürfte es dem Interessen- und Verantwortungsbereich des Patienten zuzuordnen sein, dafür zu sorgen, dass eine Behandlung überhaupt stattfinden kann. Andernfalls steht es ihm frei, sich an einen geeigneten anderen Arzt zu wenden, der über die erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse verfügt.

    Wer trägt die Kosten des Dolmetschers?

    Allein aus der Verpflichtung des Arztes, im Bedarfsfall einen Dolmetscher hinzuzuziehen, lässt sich jedoch nicht herleiten, dass er bzw. der Klinikträger dessen Kosten übernehmen muss. Grund: Die Leistungen des Dolmetschers fallen nicht in den Verantwortungsbereich des Arztes, wie das Bundessozialgericht (BSG) mit einem Urteil vom 10. Mai 1995 (Az. 1 RK 20/94, Abruf-Nr. 132814) entschieden hat.

     

    Nach Ansicht des BSG ist die Tätigkeit des Dolmetschers nicht Teil der ärztlichen Behandlung, weil der Arzt sie aufgrund seines Fachwissens weder leiten noch kontrollieren und somit auch nicht verantworten könne. Auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs zum Patientenrechtegesetz geht hervor, dass Dolmetscherkosten vom Patienten zu tragen sind:

     

    • Gesetzesbegründung für das Patientenrechtegesetz

    „Bei Patienten, die nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Behandelnden der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, hat die Aufklärung in einer Sprache zu erfolgen, die der Patient versteht. Erforderlichenfalls ist eine sprachkundige Person oder ein Dolmetscher auf Kosten des Patienten hinzuzuziehen.“

     

    Fazit

    Der Chefarzt sollte sich bei Patienten, die nicht ausreichend deutsch sprechen, immer vergewissern, ob diese beziehungsweise die begleitenden Personen die Aufklärung verstehen. Wenn möglich, kann auch auf Krankenhauspersonal zurückgegriffen werden, soweit die jeweiligen Sprachkenntnisse vorhanden sind - medizinische Kenntnisse sind nicht erforderlich. Sofern ein Patient ohne Begleitung erscheint und auch kein geeigneter Übersetzer erreichbar ist, sollte der Arzt die Behandlung nicht durchführen oder - sofern dies die Verständigung 8überhaupt zulässt - mit dem Patienten vereinbaren, dass auf dessen eigene Kosten ein Dolmetscher hinzugezogen wird.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 9 | ID 42261823