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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Keine Extra-Vergütung für Dienste selbst bei unwirksamer Klausel im Chefarzt-Vertrag

    von Rechtsanwalt Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Mit Urteil vom 15. März 2013 (Az. 18 Sa 1802/12, Abruf-Nr. 133311 ) hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschieden: Ein Chefarzt erhält Ruf- und Bereitschaftsdienste nicht gesondert vergütet, wenn sein Gehalt die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung von rund 70.000 Euro deutlich überschreitet und er - wie bei Chefärzten üblich - Dienste „höherer Art“ schuldet, da diese üblicherweise nicht pro Stunde berechnet werden. Selbst wenn eine Abgeltungsklausel im Chefarzt-Vertrag nichtig ist 
- dies ließ das LAG vorliegend offen -, wird keine Extra-Vergütung fällig. |

    Nephrologe klagte auf Vergütung seiner Dienste

    Der klagende Nephrologe ist seit 2004 Chefarzt in der Klinik des beklagten Krankenhausträgers. Im Chefarztvertrag wurde dem Nephrologen das Liquidationsrecht eingeräumt, im Rahmen dessen er jährlich etwa 20.000 Euro vereinnahmte. Die Grundvergütung erfolgte auf AVR-Basis mit einem außertariflichen Zuschlag von monatlich 2.140 Euro, sodass sich seine Grundvergütung auf insgesamt 100.000 Euro belief. Mit der außertariflichen Zulage sind - so heißt es im Chefarztvertrag - „Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaftsdienste und Unterrichtserteilung abgegolten.“ Zur Sicherstellung insbesondere der Dienste war er vertraglich verpflichtet.

     

    In den Jahren 2009 bis 2011 leistete der Chefarzt regelmäßig etwa 15 Dienste pro Monat, davon ca. 30 Prozent an Wochenenden bzw. Feiertagen. Im März 2012 forderte er eine Vergütung für die erbrachten Dienste vom Krankenhausträger. Dieser verweigerte die Zahlung. Die daraufhin erhobene Klage blieb ebenso erfolglos wie die Berufung, mit der er zuletzt etwa 134.000 Euro für erbrachte Dienste in 2009 bis 2011 geltend machte.

    LAG: Extra-Vergütung weder vereinbart noch üblich

    Der Anspruch könne nicht aus den AVR hergeleitet werden, da diese ebenso wie sonstige Tarifregelungen für Chefärzte nicht gelten, so das LAG.

     

    Auch im Chefarztvertrag sei keine gesonderte (Einzel-)Vergütung für die Dienste vereinbart worden. Selbst wenn die pauschale Abgeltungsklausel unwirksam wäre, wie der Chefarzt meint, könnte er daraus keine gesonderte Vergütung der geleisteten Dienste beanspruchen. Zwar würde es bei Unwirksamkeit der Klausel an einer Regelung im Chefarztvertrag zu den Diensten fehlen. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung aber nur dann als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Erforderlich ist eine objektive Vergütungserwartung, die in weiten Teilen des Arbeitslebens unproblematisch gegeben sein wird. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach jede Mehrarbeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten sei, gebe es aber gerade bei Diensten „höherer Art“ nicht.

     

    Eine Vergütungserwartung könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10, Abruf-Nr. 120650) jedenfalls dann nicht gegeben sein, wenn

     

    • Dienste höherer Art geschuldet sind oder
    • insgesamt ein Entgelt gezahlt wird, das die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich überschreitet.

     

    Der Nephrologe schulde als Chefarzt nach Überzeugung des LAG Dienste höherer Art. Er habe die Abteilung Nephrologie fachlich zu leiten und sei in seiner ärztlichen Tätigkeit unabhängig. Der Chefarzt einer Fachabteilung sei, wenn ihm Leitungsbefugnisse zukommen, mit einem leitenden Angestellten vergleichbar. Bei diesen werde die Vergütung aber unabhängig von der üblichen Arbeitszeit vereinbart. Mehrarbeit, die in Erfüllung der einem Chefarzt verantwortlich übertragenen Aufgaben anfalle, sei grundsätzlich mit der vereinbarten Vergütung abgegolten; dies gelte jedenfalls dann, wenn neben dem Gehalt auch noch ein Liquidationsrecht vereinbart ist.

     

    Der Chefarzt erhalte zudem eine herausgehobene Vergütung, die die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von zuletzt 69.600 Euro deutlich überschreite, selbst wenn man die Einnahmen aus privatärztlicher Liquidation unberücksichtigt lasse. Damit gehöre er zu den Besserverdienern, die aus Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht nach einem Stundensoll beurteilt werden.

    Argumente des Nephrologen überzeugten Gericht nicht

    Das Argument des Chefarztes, wonach er ohne Extra-Vergütung der Dienste weniger als ein Oberarzt verdiene, überzeugte das Gericht nicht. Auch wollte das LAG beim Einkommensvergleich das Liquidationsrecht nicht außen vor lassen, wie vom Chefarzt verlangt: Es sei regelmäßig Teil der Gesamtvergütung eines Chefarztes, da die tarifliche Vergütung ohne zusätzliches Liquidationsrecht keine angemessene Honorierung darstelle. Der Chefarzt sei nicht mit nachgeordneten Ärzten vergleichbar, da ihm die Abteilungsleitung obliege und ihm ein Liquidationsrecht zustehe. Er könne sich daher nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, um auf diesem Weg eine Vergütung seiner Ruf- und Bereitschaftsdienste zu erreichen.

     

    FAZIT |  Die Entscheidung steht in Einklang mit der zwischenzeitlich bekannt gewordenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2012, auf die sich das LAG bezieht. Demnach wird sich bei den in Chefarzt-Verträgen regelmäßig anzutreffenden pauschalen Abgeltungsklauseln vor Gericht nur in Ausnahmefällen eine gesonderte Vergütung von Diensten durchsetzen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn die Vergütung - wie im Fall des Nephrologen - erheblich unter dem chefärztlichen Durchschnitt liegt.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 3 | ID 42356202