01.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133311
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 15.03.2013 – 18 Sa 1802/12
Eine Bestimmung im Arbeitsvertrag eines Chefarztes, wonach geleistete Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften mit der vereinbarten Vergütung pauschal abgegolten sind, kann gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein, wenn der Umfang der zu leistenden Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften vertraglich nicht hinreichend genau festgelegt ist. Eine gesonderte Vergütung für die geleisteten Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste nach § 612 BGB steht dem Chefarzt gleichwohl nicht zu, sofern er eine Gesamtvergütung bezieht, die die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 06.11.2012 - 1 Ca 670/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob vom Kläger in den Jahre 2009 bis 2011 geleistete Rufbereitschaftsdienste gesondert zu vergüten sind.
Die Beklagte betreibt in M1 das St. W1-Krankenhaus. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.10.2004 als leitender Abteilungsarzt der Hauptabteilung Nephrologie beschäftigt.
Im Frühjahr 2004 verhandelten die Parteien über den Abschluss eines Dienstvertrags. Dabei brachte der Kläger mit Schreiben vom 22.03.2004 (Ablichtung Bl. 135 f. der Akten) seine Vorstellungen zum Ausdruck. Schließlich schlossen die Parteien am 12.05.2004 einen Dienstvertrag (Ablichtung Bl. 13-31 d.A.). Dieser enthält hinsichtlich der zu zahlenden Vergütung unter § 3 die nachfolgende Regelung:
Entgelte für die Tätigkeiten im dienstlichen Aufgabenbereich
(1) Vergütung
1. Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine monatliche, nachträglich zahlbare Vergütung, die sich aus einer dem Lebensalter entsprechenden Grundvergütung und dem Ortszuschlag zusammensetzt und in Anlehnung an die Vergütungsgruppe 1 der AVR in der jeweils geltenden Fassung berechnet wird.
2. Der Arzt erhält eine Weihnachtszuwendung in Anlehnung an die Bestimmungen in Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR in der jeweils geltenden Fassung.
3. Der Arzt erhält in jedem Kalenderjahr ein Urlaubsgeld in Anlehnung an die Bestimmungen in Abschnitt II der Anlage 14 zu den AVR in der jeweils geltenden Fassung.
4. Sollte der Dienstgeber mit den Beschäftigten bzw. der Mitarbeitervertretung Maßnahmen, die zur Sanierung des Krankenhauses beitragen, vereinbaren, so gelten diese auch für den Arzt.
5. Der Arzt erhält eine Zulage zur monatlichen Vergütung und zur Weihnachtszuwendung in Höhe von 2.140,- €. Diese Zulage unterliegt keinen tariflichen Anpassungen bzw. Gehaltserhöhungen.
Klarstellend wird festgehalten, dass der Arzt somit insgesamt (AVR-Vergütung nach Nr. 1, 2 und Nr. 3 sowie Zulage nach Nr. 5) ein Bruttoeinkommen von 100.000,- € (in Worten einhunderttausend Euro) erhält.
6. Mit der Zulage nach Nr. 5 sind Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaftsdienste und Unterrichtserteilung abgegolten.
Nimmt der Arzt nach entsprechender Freistellung durch den Dienstgeber generell nicht am Rufbereitschaftsdienst und/oder an der Unterrichtserteilung anteilig teil, erstattet er dem Krankenhaus die dadurch entstehenden Kosten.
In § 4 des Anstellungsvertrages wurde dem Kläger ein Liquidationsrecht für gesondert berechenbare wahlärztliche Leistungen und für Gutachterhonorare eingeräumt.
Auf der Grundlage dieser vertraglichen Vereinbarungen erzielte der Kläger ein Festgehalt in Höhe von 102.657,54 € im Jahr 2009, von 105.826,25 € im Jahr 2010 und von 106.127,11 € im Jahr 2011. Aus Privatliquidationen erzielte der Kläger weitere 20.500,23 € im Jahr 2009, 19.617,20 € im Jahr 2010 und 16.516,62 € im Jahr 2011. Wegen der Zusammensetzung seiner aktuellen monatlichen Vergütung wird auf die Vergütungsabrechnung für den Monat Januar 2012 (Ablichtung Bl. 32 d.A.) Bezug genommen.
Hinsichtlich der Teilnahme des Klägers an Rufbereitschaftsdiensten trifft § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Dienstvertrags die nachfolgende Regelung:
Der Arzt ist innerhalb seines ärztlichen Aufgabenbereiches für den geordneten und wirtschaftlich geführten Dienstbetrieb in seiner Abteilung verantwortlich und hat ihn abzustimmen mit den anderen Diensten des Krankenhauses. Er hat die Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaftsdienste entsprechend den Regelungen der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) sicherzustellen.
Der Arzt ist verpflichtet, an diesen Diensten der Abteilung mit den anderen Fachärzten der Abteilung turnusgemäß im Wechsel teilzunehmen (durchschnittlich mindestens 10 Rufbereitschaftsdienste im Monat).
In den Jahren 2009 bis 2011 leistete Kläger regelmäßig etwa 15 Rufbereitschaftsdienste monatlich, davon etwa 30 % an Wochenenden und Feiertagen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.03.2012 ließ der Kläger u.a. Vergütungsnachzahlungen für die von ihm in den Jahren 2009 bis 2011 geleisteten Rufbereitschaftsdienste geltend machen (Ablichtung Bl. 36 ff. d.A.).
Mit seiner am 27.07.2012 erhobenen Klage hat er diese Ansprüche weiter verfolgt. Er hat die Ansicht vertreten, die Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Dienstvertrags, nach der er verpflichtet sei, "durchschnittlich mindestens 10 Rufbereitschaftsdienste im Monat" zu leisten, sei wegen Intransparenz gemäß § 307 BGB unwirksam. Damit sei auch die Vergütungsregelung in § 3 Abs. 1 Nr. 6 des Dienstvertrags jedenfalls insofern unwirksam, als durch die Funktionszulage in Nr. 5 auch Rufbereitschaftsdienste abgegolten seien. Zudem habe die Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Dienstvertrags ohnehin nur den Zweck gehabt, sicher zu stellen, dass er ein Gehalt in Höhe von mindestens 100.000,- € erhalte; die Zulage sei keine Gegenleistung für Bereitschaftsdienste gewesen. Da der Dienstvertrag keine wirksame Regelung zur Leistung von Rufbereitschaftsdiensten sowie deren Vergütung enthalte, sei für die geleisteten Rufbereitschaftsdienste ein zusätzliches Entgelt zu zahlen. Der Kläger müsse sich nicht entgegenhalten lassen, er könne für die zusätzlich geleisteten Rufbereitschaftsdienste keine gesonderte Vergütung erwarten. Vielmehr bestehe auch bei Oberärzten und Chefärzten hinsichtlich geleisteter Rufbereitschaftsdienste eine Vergütungserwartung. Diese werde durch die Regelungen in § 9 Abs. 1 AVR sowie § 8 Abs. 3 TVöD dokumentiert. In Anlehnung an die Regelungen der AVR sowie des TV öD hat der Kläger bezogen auf seine Rufbereitschaftsdienste aus dem Jahre 2009 einen zusätzlichen Vergütungsanspruch in Höhe von mindestens 24.499,29 € ermittelt, für die Dienste aus dem Jahre 2010 einen zusätzlichen Vergütungsanspruch in Höhe von 24.810,27 € und für 2011 einen zusätzlichen Vergütungsanspruch in Höhe von 24.963,90 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnungen wird auf Seite 9 der Klageschrift (Bl. 9 d.A.) Bezug genommen. Der Kläger hat zudem die Erwägung angestellt, dass für die Rufbereitschaftsdienste eine Bereitschaftsdienstvergütung zu zahlen sei. Hieraus ergebe sich ein noch höherer Vergütungsanspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 9 f. des Schriftsatzes vom 05.10.2012 (Bl. 162 f. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 74.273,46 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 08.03.2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger könne eine zusätzliche Vergütung für die geleisteten Rufbereitschaftsdienste nicht verlangen. Die vertraglichen Vereinbarungen seien wirksam. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrag handele es sich schon nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB. Zudem liege auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Selbst wenn man aber eine Unwirksamkeit der vertraglichen Klauseln annehmen würde, ergebe sich hieraus kein Vergütungsanspruch des Klägers. Da dieser eine Vergütung beziehe, die deutlich jenseits der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liege, könne er hinsichtlich zusätzlich erbrachter Leistungen keine Vergütungserwartung haben. Soweit der Kläger überhaupt einen zusätzlichen Vergütungsanspruch habe, sei dieser jedenfalls von ihm nicht zutreffend berechnet worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die dienstvertraglichen Regelungen zur Ableistung und Vergütung von Rufbereitschaftsdiensten nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam seien. Auch im Falle der Unwirksamkeit dieser Regelungen könne der Kläger keine zusätzliche Vergütung für die abgeleistete Rufbereitschaft verlangen. Es gebe keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten sei. Der Kläger könne als Chefarzt nicht erwarten, dass die Beklagte eine zusätzliche Vergütung für die geleistete Rufbereitschaft zahlt, da er über einen Verdienst deutlich jenseits der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung verfüge und zusätzliche Einnahmen aus Privatliquidationen beziehe.
Das erstinstanzliche Urteil ist dem Kläger am 26.11.2012 zugestellt worden. Er hat gegen das Urteil mit einem Schriftsatz, der am 27.12.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung zugleich begründet.
Der Kläger meint, dass er ungeachtet der Höhe seines Einkommens eine zusätzliche Vergütung für die geleistete Rufbereitschaft erwarten könne. Zwar komme bei Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung regelmäßig eine gesonderte Vergütung von Überstunden nicht in Betracht. Eine Ausnahme bestehe jedoch dann, wenn nach den einschlägigen Tarifverträgen eine Vergütungserwartung bestehe. Aus den Regelwerken des TVöD und der AVR Caritas ergebe sich für Ärzte eine solche Vergütungserwartung bezüglich der Ableistung von Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdiensten. Zwar gölten diese Regelungswerke nicht unmittelbar für Chefärzte. Es sei allerdings auch nicht üblich, dass Chefärzte in einem derartigen Umfang wie der Kläger (Ruf-) Bereitschaften leisteten. Der Kläger erbringe insoweit - ohne vertragliche Verpflichtung - die Arbeit eines Oberarztes. Die bei der Beklagten beschäftigten Oberärzte, die in aller Regel Gehälter oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung bezögen, erhielten eine gesonderte Vergütung für Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienste. Würde man dem Kläger eine gesonderte (Ruf-) Bereitschaftsvergütung versagen, so wäre das Entgelt der leitenden Oberärzte für die gleiche Tätigkeit höher als das Entgelt des eigentlich übergeordneten Chefarztes. Dessen Liquidationsrecht dürfe nicht berücksichtigt werden, da es kein Geld für die vorgenannten Tätigkeiten darstelle, sondern mit weiterer zusätzlicher Arbeit des Chefarztes verdient werde. Der Kläger vertritt zudem die Auffassung, die von ihm geleisteten Rufbereitschaften seien als Bereitschaftsdienste anzusehen und zu vergüten, da er gemäß § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages verpflichtet sei, im Interesse der Erfüllung seiner Aufgaben so nah an der Klinik zu wohnen, dass er sie in 20 Minuten erreichen könne. Vor diesem Hintergrund errechnet der Kläger Zahlungsansprüche für geleistete Bereitschaftsdienste in Höhe von 84.176,61 € brutto für das Jahr 2009, in Höhe von 85.816,65 € brutto für das Jahr 2010 sowie in Höhe von 96.658,56 € brutto für das Jahr 2011. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Forderungen wird auf die Berufungsbegründung (dort Seite 3 bis 5, Bl. 194 bis 196 d.A.) verwiesen, die der Beklagten am 23.01.2013 zugestellt worden ist. Der Kläger erweitert die Klage und macht den insoweit berechneten Anspruch für das Jahr 2009 in voller Höhe geltend; im Hinblick auf das Jahr 2010 fordert er weiterhin den bereits erstinstanzlich geltend gemachten Teilbetrag in Höhe von 24.810,27 € brutto und für das Jahr 2011 in Höhe von 24.963,90 € brutto jeweils für das gesamte Jahr ein (auf Basis der geringeren Vergütung für Rufbereitschaftsdienste).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 06.11.2012 zum Aktenzeichen 1 Ca 670/12 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 133.950,78 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf einen Betrag von 74.273,46 € brutto ab dem 08.03.2012 und auf den darüber hinausgehenden Betrag ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte meint, es liege eine Klageänderung vor; sie hält diese für nicht sachdienlich und widerspricht ihr. Im Übrigen verteidigt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens das arbeitsgerichtliche Urteil als zutreffend. Falls es sich bei den vom Kläger geleisteten Diensten um Bereitschaftsdienste handelte, so sind diese Dienste nach Auffassung der Beklagten als Arbeitszeit zu qualifizieren und damit über die vom Kläger bezogene Vergütung abgegolten. Die Beklagte vertritt zudem die Ansicht, der Kläger habe seine Ansprüche sowohl im Hinblick auf die eingeforderte Rufbereitschaftsvergütung als auch im Hinblick auf die Vergütung für Bereitschaftsdienste fehlerhaft berechnet; insoweit wird auf die Ausführungen in der Berufungsbeantwortung (dort Seite 8 bis 17, Bl. 236 bis 245 d.A.) verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet worden.
Soweit der Kläger die Klage im Hinblick auf Ansprüche wegen geleisteter Rufbereitschaftsdienste im Jahr 2009 erweitert hat, begegnet dies keinen Bedenken. Es liegt keine Klageänderung vor. Das ergibt sich aus § 364 Nr. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist es nicht als Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Als Klagegrund ist der Sachverhalt anzusehen, auf den die klagende Partei ihren Anspruch stützt (Greger, in: Zöller, § 264 ZPO Rn. 3, § 263 ZPO Rn. 7). Der Kläger hat zwar seine Klage quantitativ mit der Berufungsbegründung erweitert, er trägt jedoch keinen neuen Sachverhalt vor. Die Erweiterung der Klage wird vom Kläger lediglich auf eine andere rechtliche Bewertung des Sachverhalts gestützt. Die geleistete Rufbereitschaft will er als Bereitschaftsdienst (und nicht, wie erstinstanzlich, als Rufbereitschaftsdienst) vergütet wissen. Selbst wenn aber eine Klageänderung vorläge, wäre sie gemäß § 263 ZPO zulässig, denn sie ist sachdienlich. Mit der erweiterten Klage kann der Streit umfassend (auch im Hinblick auf eine etwa dem Kläger zustehende Vergütung für Bereitschaftsdienste) erledigt und dadurch ein neuer Prozess vermieden werden. Eine Verzögerung des Verfahrens ist nicht zu besorgen; neue Parteierklärungen oder Beweiserhebungen werden nicht nötig, zumal der Kläger bereits erstinstanzlich die Erwägung angestellt hat, für die geleistete Rufbereitschaft sei eine Bereitschaftsdienstvergütung zu zahlen.
II.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte die von ihm geleistete Rufbereitschaft (gleichviel, ob als Rufbereitschaft- oder Bereitschaftsdienst) gesondert vergütet.
1. Ein Zahlungsanspruch für den Kläger folgt nicht aus den tariflichen Bestimmungen des TVöD oder des TV-Ärzte/VKA.
Diese tariflichen Regelungen finden auf Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft keine Anwendung. Die Tarifbestimmungen gelten jedenfalls nicht für Chefärzte (§ 1 Abs. 2 Buchst. a TVöD, § 1 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA).
2. Aus den Bestimmungen der AVR Caritas kann der Kläger ebenfalls keinen Zahlungsanspruch ableiten.
Nach § 3 Buchst. f AVR Caritas gilt das Regelungswerk nicht für Chefärzte. Die Parteien haben die AVR Caritas im Hinblick auf deren Regelungen zur Vergütung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdiensten (für Ärzte: 7 Abs. 3 der Anlage 30 zu den AVR) auch nicht arbeitsvertraglich in Bezug genommen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrages vom 12.05.2004 finden die AVR nur auszugsweise Anwendung. Das ist rechtlich unbedenklich. Die einzelvertragliche Inbezugnahme nur ausgewählter Bestimmungen der AVR ist im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässig. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen, ein Regelungswerk insgesamt im Hinblick auf bestimmte zusammenhängende Normkomplexe anzuwenden (BAG, Urteil vom 23.02.1995 - 6 AZR 573/94 hinsichtlich der Inbezugnahme tariflicher Vorschriften).
3. Der Dienstvertrag, den die Parteien unter dem 12.12.2004 abschlossen, enthält keine Regelung, die das Klagebegehren stützen könnte.
Unter § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Vertrages ist zwar die den Kläger treffende Verpflichtung zur Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten vorgesehen. Nach § 3 Nr. 6 des Arbeitsvertrages ist insoweit allerdings keine gesonderte Vergütung zu zahlen.
4. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 612 Abs. 1 BGB (der einzig in Betracht kommenden gesetzlichen Anspruchsgrundlage).
a) Es kann offen bleiben, ob die vertraglichen Regelungen unter § 3 Abs. 1, die eine gesonderte Vergütung für Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste ausdrücklich ausschließen, wirksam sind. Dabei kann zugunsten des Klägers angenommen werden, dass es sich bei den dienstvertraglichen Bestimmungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Zusammenspiel der vertraglichen Regelungen über die Pflicht zur Ableistung der Rufbereitschaft unter § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Dienstvertrages und der pauschalen Vergütung für diese Dienste unter § 3 Abs. 1 Nr. 6 des Dienstvertrages ihn gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt und die Vertragsbestimmungen daher unwirksam sind (so im Ergebnis LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.05.2010 - 13 Sa 1129/09 im Hinblick auf eine Vertragsklausel, die eine pauschale Abgeltung der Rufbereitschaft im Arbeitsvertrag eines Chefarztes vorsieht; kritisch dazu Münzel, NZA 2011, 886, 892), steht dem Kläger kein Zahlungsanspruch zu.
b) Wäre die vertragliche Vereinbarung über die Abgeltung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften unwirksam, dann ist im Vertrag die Vergütung dieser Leistungen weder positiv noch negativ geregelt. In diesem Fall kommt grundsätzlich ein Entgeltanspruch aus § 612 Abs. 1 BGB in Betracht (BAG, Urteil vom 16.05.2012 - 5 AZR 347/11).
Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Erforderlich ist eine objektive Vergütungserwartung, die zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens unproblematisch gegeben sein wird. Da es jedoch einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gerade bei Diensten höherer Art nicht gibt, ist die Vergütungserwartung stets anhand eines objektiven Maßstabes festzustellen (BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10, Urteil vom 21.09.2011 - 5 AZR 629/10, Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 406/10). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätze derjenige, der eine Vergütung begehrt (BAG, Urteil vom 21.09.2011 - 5 AZR 629/10).
Im Hinblick auf die Frage der Vergütungserwartung sind die Verkehrssitte, Art, Umfang und Dauer der Dienstleistung sowie die Stellung der Beteiligten zueinander zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10, Urteil vom 21.09.2011 - 5 AZR 629/10, Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 406/10). Die Vergütungserwartung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen (BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10, Urteil vom 21.09.2011 - 5 AZR 629/10, Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 406/10). Sie wird aber fehlen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind oder wenn Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt ein deutlich herausgehobenes Entgelt gezahlt wird, das die Beitragsmessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10).
Berücksichtigt man die Umstände des Streitfalls, fehlt es an der erforderlichen Vergütungserwartung.
aa) Der Kläger schuldet als Chefarzt Dienste höherer Art. Er hat die Abteilung Nephrologie fachlich zu leiten und ist in seiner ärztlichen Tätigkeit unabhängig (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 des Arbeitsvertrages vom 12.05.2004). Der Chefarzt einer Fachabteilung ist, wenn ihm diese Leitungsbefugnisse zukommen, mit einem leitenden Angestellten vergleichbar (so auch BAG, Urteil vom 17.03.1982 - 5 AZR 1047/79). Bei leitenden Angestellten wird jedoch die Vergütung unabhängig von der üblichen Arbeitszeit vereinbart. Mehrarbeit, die sich daraus ergibt, dass der Chefarzt die ihm verantwortlich übertragenen Aufgaben erledigt, ist grundsätzlich mit der vereinbarten Vergütung abgegolten; dies gilt jedenfalls dann, wenn neben dem Gehalt auch noch ein Liquidationsrecht vereinbart ist (BAG, Urteil vom 17.03.1982 - 5 AZR 1047/79). Im Streitfall steht dem Kläger ein solches Liquidationsrecht nach § 4 des Dienstvertrages vom 12.05.2004 zu. Das Liquidationsrecht schafft schon Anreize dafür, dass der Chefarzt über die betriebliche Arbeitszeit hinaus tätig wird und dafür ein höheres Einkommen erzielt (BAG, Urteil vom 17.03.1982 - 5 AZR 1047/79). Eine bestimmte Arbeitszeit, auf die sich die Vergütung des Klägers beziehen soll, haben die Parteien demgegenüber nicht vereinbart.
bb) Art, Umfang und Dauer der Dienstleistung, die die Kläger in Gestalt der Rufbereitschaft erbrachte, sprechen ebenfalls nicht für das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung. Der Kläger hat keine zusätzliche Arbeit außerhalb seines eigentlichen Aufgabenkreises übernommen. Die Ableistung der Rufbereitschaft gehört zu seiner ärztlichen Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Dienstvertrages vom 12.05.2004. Auch Umfang und Dauer der Tätigkeit rechtfertigen nicht die Annahme, die Ableistung der Rufbereitschaft sei nur gegen eine gesonderte Vergütung zu erwarten. Zwar hat der Kläger Rufbereitschaften in nicht unerheblichem Umfang geleistet, er hat seine Arbeitsleistung jedoch schwerpunktmäßig nicht in Gestalt der Rufbereitschaft, sondern in Gestalt regulärer chefärztlicher Tätigkeit erbracht.
cc) Gegen das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung spricht die Höhe der Vergütung, die der Kläger erzielte. Der Kläger erhält eine herausgehobene Vergütung, die die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich überschreitet. Dies gilt schon dann, wenn man die Einnahmen aus privatärztlicher Liquidation unberücksichtigt lässt. Der Kläger erzielt eine vertraglich festgelegte Vergütung in Höhe von 100.000 € jährlich (§ 3 Abs. 5 S. 3 des Dienstvertrages); die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt 69.600 € jährlich im Jahr 2013, sie betrug 64.800 € im Jahr 2009 und 66.000 € in den Jahren 2010 und 2011. Wer mit seinem Entgelt, das er aus abhängiger Beschäftigung erzielt, die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, gehört zu den Besserverdienern, die aus Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht nach der Erfüllung eines bestimmten Stundensolls beurteilt werden (BAG, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10).
dd) Der Kläger kann dem nicht entgegenhalten, nach den Regelungen der AVR, des TV öD und des TV-Ärzte/VKA bestehe eine Vergütungserwartung für ärztlicherseits geleistete Rufbereitschaft und geleisteten Bereitschaftsdienst. Denn diese Regelungswerke gelten, wie bereits aufgezeigt, gerade nicht für Chefärzte.
ee) Der Kläger kann auch nicht zu seinen Gunsten geltend machen, dass Oberärzte und andere Ärzte eine gesonderte Vergütung für Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste beziehen. Ein Chefarzt ist nicht mit Oberärzten oder anderen Ärzten vergleichbar (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.07.2010 - 10 Sa 92/10). Dem Kläger obliegt als Chefarzt die Leitung einer Abteilung, den Oberärzten nicht. Es kommt hinzu, dass der Kläger, anders als die Oberärzte, zusätzlich zur Grundvergütung Einnahmen aus dem ihm eingeräumten Liquidationsrecht und damit ein deutlich höheres Gesamtentgelt erzielt (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.02.2009 - 9 Sa 1834/06, das dem klagenden Chefarzt aus diesem Grund eine gesonderte Vergütung von Rufbereitschaftsdiensten auch mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz versagt). Soweit der Kläger vorbringt, dass er ohne eine gesonderte Vergütung der von ihm geleisteten Rufbereitschaften eine geringere Vergütung bezöge als ein leitender Oberarzt, überzeugt diese Argumentation nicht. Der Kläger meint, beim Vergleich der Einkommen dürfe das ihm eingeräumte Liquidationsrecht nicht mit herangezogen werden. Das Liquidationsrecht ist jedoch regelmäßig Teil der Gesamtvergütung eines Chefarztes, da die bloße tarifliche Vergütung ohne zusätzliche Einnahmemöglichkeiten aus einem Liquidationsrecht keine angemessene Honorierung darstellt (BAG, Urteil vom 15.09.2011 - 8 AZR 846/09, Urteil vom 09.01.1980 - 5 AZR 71/78). Dass im Streitfall das Liquidationsrecht als Teil des dem Kläger zustehenden Gesamtentgelts anzusehen ist, ergibt sich aus der Auslegung des Dienstvertrages vom 12.05.2004. Dort ist unter § 7 geregelt, dass der Kläger im Falle einer durch Krankheit oder Unfall verursachten Arbeitsunfähigkeit das Liquidationsrecht bis zur Dauer von 6 Wochen behält. Durch diese Ausnahme von dem Grundsatz "ohne Arbeit keine Gegenleistung" haben die Parteien gerade den Gegenleistungscharakter des Liquidationsrechts betont.
5. Der Kläger kann den eingeforderten Zahlungsanspruch auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.
Der Kläger ist, wie soeben dargelegt wurde, mit den Oberärzten und anderen Ärzten, die für die Ableistung von Rufbereitschaften eine Vergütung erhalten, nicht vergleichbar. Dass die Beklagte ihn benachteiligt, indem sie anderen Chefärzten eine besondere Vergütung für die Leistung von Rufbereitschaft gewährt, lässt sich nicht feststellen. Der Kläger hat zwar vorgetragen, andere Chefärzte bei der Beklagten leisteten Rufbereitschaften nur in wesentlich geringerem Umfang als er, und andere Chefärzte in den Krankenhäusern, die der gleichen Krankenhausträgergesellschaft wie die Beklagte angehörten, leisteten überhaupt keine Rufbereitschaftsdienste; er hat jedoch keinen Oberarzt benannt, der für die Ableistung von Rufbereitschaft eine gesonderte Vergütung erhält.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten der erfolglos eingelegten Berufung zu tragen.
Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zugelassen worden. Zum einen hat die Frage, ob Chefärzte eine gesonderte Vergütung für abgeleistete Rufbereitschaft nach § 612 Abs. 1 BGB verlangen können, grundsätzliche Bedeutung, da in Chefarztverträgen insoweit regelmäßig Abgeltungsklauseln vereinbart werden. Zum anderen hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf einem leitenden Abteilungsarzt die gesonderte Vergütung für geleistete Rufbereitschaft vor dem Hintergrund einer unwirksamen Abgeltungsklausel zugesprochen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.05.2010 - 13 Sa 1129/09) und damit im Ergebnis das Bestehen einer Vergütungserwartung bejaht. Nach den Feststellungen, die das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Tatbestand traf (Stundensatz von 30,20 €, [...] Rn. 30), ist davon auszugehen, dass das Einkommen des Klägers in jenem Verfahren jedenfalls unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Liquidationsrechtes die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschritt.