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  • 01.11.2005 | Ausschlagung

    Können Eltern die Erbschaft ihres Kindes genehmigungsfrei ausschlagen?

    Dr. Malte Ivo, Notarassessor, Deutsches Notarinstitut, Würzburg

    Schlagen die Eltern für ihr minderjähriges Kind eine Erbschaft aus, bedarf dies grundsätzlich der familiengerichtlichen Genehmigung, § 1643 Abs. 2 S. 1 BGB. Anders als im Vormundschaftsrecht (§ 1822 Nr. 2 BGB) gilt dies aber nicht uneingeschränkt. § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB enthält eine Ausnahme, deren Anwendung oft Probleme bereitet (dazu Ivo, ZEV 02, 309). Fraglich ist insbesondere, ob auch eine werthaltige Erbschaft gemäß § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB genehmigungsfrei ausgeschlagen werden kann. Bejahendenfalls ist zu überlegen, ob die Eltern insoweit eine Pflichtverletzung begehen. Der Beitrag zeigt die genehmigungspflichtigen und -freien Fälle auf.  

     

    Beispiel

    Erblasser E verstirbt und hinterlässt Sohn S und Tochter T. S hat ein minderjähriges Kind K. E hat keine letztwillige Verfügung errichtet. Der Nachlass beträgt 20.000 EUR. Da das Verhältnis zwischen S und E gespannt war, schlägt S die Erbschaft aus. Kann S diese auch für K als nach § 1924 Abs. 3 BGB Nächstberufene (ggf. gemeinsam mit der Kindesmutter) ohne gerichtliche Genehmigung ausschlagen?  

     

    Führt erst die Ausschlagung des Elternteils zum Anfall des Erbes an das minderjährige Kind, ist die Ausschlagung für dieses grundsätzlich genehmigungsfrei, § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB. Denn die Erbschaft wird auch für das nächstberufene Kind ohne Vorteil sein, so dass keine Benachteiligung des Kindes zu befürchten ist, weil der vertretungsberechtigte Elternteil im Normalfall selbst ein Interesse daran hat, die Erbschaft zu erwerben und nicht ohne Prüfung der Sachlage ausschlägt (Motive V, 515; OLG Frankfurt NJW 55, 466; NJW 62, 52; FamRZ 69, 658). Es fehlt an einer Interessenkollision, die eine gerichtliche Überprüfung erforderlich macht (MüKo/Huber, BGB, 4. Aufl., 02, § 1643 Rn. 17).  

     

    Genehmigungsfreiheit grundsätzlich auch bei werthaltigem Nachlass

    Die Genehmigungsfreiheit nach § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB setzt nicht voraus, dass die Erbschaft aus einem bestimmten Grund ausgeschlagen wird, insbesondere wegen Überschuldung. Das Motiv der Ausschlagung ist im Grundsatz unbeachtlich. Auch die Ausschlagung einer wirtschaftlich vorteilhaften Erbschaft unterliegt daher nicht der familiengerichtlichen Genehmigung. Das Familiengericht muss somit die Zusammensetzung des Nachlasses und den etwaigen wirtschaftlichen Vorteil für das Kind nicht prüfen (Motive V, 515). Die Eltern können daher eine wirtschaftlich vorteilhafte Erbschaft für sich und das Kind ausschlagen, weil sie es ablehnen, dass das Vermögen des Erblassers in ihre engere Familie gelangt (Staudinger/Engler, BGB, 04, § 1643 Rn. 37).