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  • 01.05.2005 | Der praktische Fall

    Der Widerruf des Widerrufs eines Testaments

    Oft stellt sich die Frage, ob durch den Widerruf eines Testaments ein früheres Testament wiederauflebt. Dies gilt umso mehr, wenn auch der Widerruf widerrufen wird. Hierzu hat das BayObLG wichtige Feststellungen getroffen (BayObLG 22.6.04, 1Z BR 60/04, FamRZ 05, 558, Abruf-Nr. 051054):  

     

    Der Fall des BayObLG 22.6.04, 1Z BR 60/04

    Der verwitwete Erblasser E verfügte Folgendes:  

    • Handschriftliches Testament vom 31.1.02: Darin setzte er seine Haushälterin H als Alleinerbin ein.

     

    • Notarielles Testament vom 14.2.02: Hierin setzte er erneut die H als Alleinerbin und deren Abkömmlinge als Ersatzerben ein. Vorsorglich hob er alle bisherigen letztwilligen Verfügungen auf.

     

    • Notarielles Testament vom 19.2.02 (Widerrufstestament): Darin widerrief er sein notarielles Testament vom 14.2.02 vollinhaltlich.

     

    Beide notariellen Testamente wurden in amtliche Verwahrung genommen. Später erstattete E Anzeige gegen H („Heiratsschwindel“) und nahm am selben Tag die notariellen Testamente aus der amtlichen Verwahrung. E. verstarb. H beantragte einen Alleinerbschein, gestützt auf das handschriftliche Testament vom 31.1.02. Sie war in allen Instanzen erfolglos.  

     

    Kein Wiederaufleben des handschriftlichen Testaments

    Das handschriftliche Testament vom 31.1.02 ist durch das notarielle Testament vom 14.2.02 widerrufen worden, § 2254 BGB. Letzteres wurde durch das notarielle Testament vom 19.2.02 widerrufen, § 2254 BGB. Dies führt aber nicht gemäß § 2257 BGB dazu, dass das handschriftliche Testament vom 31.1.02 wieder in Kraft tritt. Denn dieses und das notarielle Testament vom 14.2.02 sind im Wesentlichen gleich (BayObLG FamRZ 96, 1112).  

     

    Das handschriftliche Testament ist auch nicht durch die Rückgabe der notariellen Testamente aus der amtlichen Verwahrung wieder in Kraft getreten. Die Rücknahme gilt zwar als Widerruf, § 2256 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Vermutung, dass der Widerruf des Widerrufstestaments vom 19.2.02 das notarielle Testament vom 14.2.02 wieder in Kraft gesetzt hat (§ 2257 BGB), wird aber dadurch widerlegt, dass der Erblasser zugleich auch das notarielle Testament vom 14.2.02 zurücknahm. Dessen – erneuter – Widerruf führt nicht zum Wiederaufleben des Testaments vom 31.1.02. Für diese Annahme spricht auch der zeitliche Zusammenhang mit der Strafanzeige gegen H.