31.01.2008 | Der praktische Fall
Haftungsrisiken für Vermächtnisvollstrecker?
Für den Erblasser ist es bei einer Vermächtnisanordnung eine vordringliche Aufgabe, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass eine Zuwendung, etwa in Form eines Geldvermächtnisses, den Zuwendungsempfänger nach dem Erbfall auch ohne wirtschaftliche Einbußen erreicht. Eine vom Erblasser angeordnete Vermächtnisvollstreckung oder Verwaltung von Kapital ohne eindeutige Vorgaben in der letztwilligen Verfügung kann zu Vermögensverlusten und vermeidbarem Streit führen. Im folgenden Fall aus der Praxis stellt das OLG Düsseldorf wegen des Umgangs mit vererbtem Vermögen strikt auf den ermittelbaren Erblasserwillen ab. Dazu im Einzelnen:
Der Fall des OLG Düsseldorf (OLGR 07, 143) |
Die Klägerinnen verlangen vom beklagten Vermächtnisvollstrecker (§§ 2216, 2223 BGB) Schadenersatz, weil er hier als Verwaltungsvollstrecker seine Pflichten verletzt habe, indem er die ihnen von ihrer Großmutter zugewandten Geldvermächtnisse in hochspekulativen Wertpapieren angelegt und dem Wertverlust tatenlos zugesehen habe. Gemäß Vorstellung der Erblasserin sollten die Klägerinnen nicht vor ihrem 25. Lebensjahr über das Vermögen verfügen dürfen. Der Beklagte habe zudem als Berater und „Korrektiv“ wirken sollen. Es habe keine Vorgaben für die Geldanlage gegeben. Die Dispositionsbefugnis der Klägerinnen sei nicht eingeschränkt gewesen. Sie hätten bei der Geldanlage eigene Vorstellungen entwickeln können. Der Beklagte habe die Vermächtnisse nach dem Wunsch der Klägerinnen „wachstumsorientiert“ angelegt. Das LG verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 84.289 EUR. Dieser legt gegen das Urteil Berufung ein. Mit Aussicht auf Erfolg?
Lösung: Die Berufung hat Erfolg. Der Beklagte haftet nicht gemäß § 2219 BGB auf Schadenersatz wegen Wertverlusts des Depots. Denn im Ergebnis hat er nicht gegen seine Pflichten verstoßen. Dies ergibt sich nicht in erster Linie aus der auch auf den Vermächtnisvollstrecker anzuwendenden Vorschrift des § 2216 BGB, sondern aus der letztwilligen Verfügung der Erblasserin so, wie diese sie verstanden wissen wollte. Das Gericht stützte sich auch weitgehend auf die Angaben eines Zeugen, einem Vertrauten der Erblasserin. Danach hat der Beklagte seine Pflichten weder durch Erwerb des Aktienfonds verletzt noch dadurch, dass er trotz Wertverlusts nicht eingegriffen hat. Verfügungswünsche hätten allein von den Klägerinnen an den Beklagten herangetragen werden müssen. Diesem hätte frei gestanden, ja oder nein zu sagen. Nach Meinung des Gerichts sollten nach dem Willen der Erblasserin alle Möglichkeiten einer Geldanlage genutzt werden können, seien sie riskant oder nicht. Es sollte nur der „unsinnige Verbrauch“ des Geldes vor Vollendung des 25. Lebensjahres der Klägerinnen verhindert werden. Die Erblasserin habe keine konkrete Vorgabe machen wollen, wie die Vermächtnisbeträge anzulegen gewesen seien. Das wollte sie den Klägerinnen überlassen, die sich mit dem Beklagten abstimmen sollten.
Praxishinweis: Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung überraschend, da dem Vermächtnisvollstrecker als Drittem die Überwachung der Vermögensverhältnisse obliegt. Der Erblasserin ging es hier aber primär darum, dass eine Verfügung über den Vermächtnisgegenstand nicht vor Vollendung des 25. Lebensjahres möglich wurde. Im Übrigen konnte das Gericht auch aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme folgern, dass die Vermächtnisnehmer nicht in ihrer Dispositionsbefugnis eingeschränkt sein sollten. Eine sprachlich unmissverständliche Vermächtnisanordnung sowie eine eindeutig kompetenzumschreibende Vermächtnisanordnung nach § 2216 BGB für den Testamentsvollstrecker hätte hier Streit verhindern können und wäre wirtschaftlich im Interesse der Bedachten gewesen.
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (BGH IV ZR 287/06). EE wird Sie über den Ausgang des Verfahrens informieren. |