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  • 01.11.2006 | Der praktische Fall

    Wie können überschuldete oder bedürftige Personen erbrechtlich abgesichert werden?

    von RA und Notar Reinhold Redig, Mörlenbach

    Die Absicherung verschuldeter Personen durch Verfügungen von Todes wegen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Anhand eines praktischen Falls wird ein Überblick über den aktuellen Stand der Gestaltungsdiskussion mit Formulierungsvorschlag gegeben.  

     

    Beispiel

    F und M haben die Tochter S und die Söhne A und B. A ist arbeitslos und hat Schulden. Er bezieht mittlerweile Arbeitslosengeld II. Seine berufliche Zukunft ist ungewiss. Über ein Privat-Insolvenzverfahren hat er sich noch keine Gedanken gemacht. Solange sich die Verhältnisse bei A nicht bessern, soll dafür Sorge getragen werden, dass dessen Erbschaft nicht für seine Schulden verbraucht wird. Zugleich soll er aber „schon etwas bekommen“, nur sollen hierauf weder seine Gläubiger, noch der Staat zugreifen können. Insbesondere soll ihm, wenn er schon das – niedrige – Arbeitslosengeld II bezieht, dieses nach dem Erbfall nicht versagt oder gekürzt werden können. F und M möchten sich dabei gegenseitig absichern. Wie kann dies rechtlich umgesetzt werden?  

     

    Situation ist mit dem Behindertentestament vergleichbar

    Oft setzen sich Ehegatten zu Alleinerben ein und als Schlusserben die Abkömmlinge, sog. Berliner Testament, mit der Folge, dass die Abkömmlinge im Hinblick auf den Erstversterbenden enterbt werden. Diese sind aber insoweit pflichtteilsberechtigt. Ist ein Abkömmling arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld II, ist die Situation mit der beim Behindertentestament vergleichbar (Everts, ZErb 05, 353; Langenfeld, Testamentsgestaltung, 3. Aufl., Rn. 423 ff.; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, 2. Aufl., Rn. 1296 ff.). Denn auch hier droht die Überleitung des Pflichtteilsanspruchs auf den Staat, § 33 Abs. 1 SGB II bzw. § 93 Abs. 1 SGB XII (Hußmann, ZEV 05, 54).  

     

    Lösung

    Zur Absicherung des A kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht:  

     

    • Enterbung: Bei überschuldeten Abkömmlingen können sich dessen Gläubiger aus seinem Erbe- oder Pflichtteil befriedigen. Insoweit bietet sich dessen Enterbung an (Langenfeld, Das Ehegattentestament, 1994, Rn. 349). Auf die Verwaltung des Nachlasses hat er keinen Einfluss. Verlangt er seinen Pflichtteil, können ihn die Gläubiger pfänden. Er ist jedoch gemäß § 852 Abs. 1 ZPO nur insoweit verwertbar, als er vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden ist (BGH NJW 93, 2876). Möchte der Abkömmling mit dem Pflichtteil die Schulden tilgen, kann der Längstlebende dies mit Pflichtteilsstrafklauseln oder dem erbrechtlichen Abänderungsvorbehalt verhindern.

     

    • Einsatz des verschuldeten Abkömmlings als Miterbe neben dem überlebenden Ehegatten: Dadurch wird das Recht zur Ausschlagung des Erbteils und Forderung des Pflichtteils nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn der hinterlassene Erbteil mehr als 1/2 des gesetzlichen Erbteils beträgt, unattraktiv. Problemen aus dieser Erbengemeinschaft kann durch Testamentsvollstreckung begegnet werden, wobei der überlebende Ehegatte als Miterbe zum Testamentsvollstrecker eingesetzt werden kann (Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2197 Rn. 9).

     

    • Zuwendung unpfändbaren Vermögens: Der Erblasser kann einem Verschuldeten Vermächtnisse zuwenden, deren Gegenstände unpfändbar sind, z.B. das Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB, jedoch nur, soweit dessen Ausübung Dritten nicht überlassen werden kann, § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB (Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, 2. Aufl., Rn. 524). Da der Nießbrauch auch pfändbar ist, wenn die Überlassung der Ausübung an Dritte mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen ist, scheidet der Nießbrauch als Zuwendungsgegenstand aus (BGHZ NJW 85, 2827).

     

    Falls der verschuldeten Person eine fortlaufend zu zahlende Geldrente vermächtnisweise zugewandt werden soll, ist darauf zu achten, dass diese Zuwendung auf Grund „Fürsorge und Freigebigkeit“ erfolgt und damit frei von jeder Gegenleistung ist, so dass sie gemäß §§ 850b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO nur in Ausnahmefällen nach den Bestimmungen über die Pfändung von Arbeitseinkommen pfändbar ist (Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, a.a.O., Rn. 524; Zeller/Stöber, ZPO, 21. Aufl., § 850b Rn. 7).

     

    • Einsatz der verschuldeten Person zum Vorerben und deren Abkömmlinge oder andere Angehörige des Erblassers zu Nacherben: Diese Ansicht wird in der Literatur vertreten (Langenfeld, a.a.O., Rn. 349 ff.; Nieder, a.a.O., Rn. 1308). Das auf den Nacherben im Nacherbfall übergehende Sondervermögen haftet in dessen Hand nicht über § 1967 BGB den Gläubigern des Bedachten, da der Nacherbe nicht Erbe und Rechtsnachfolger des verschuldeten Bedachten, sondern des Erblassers ist, § 2100 BGB. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls ist der Erwerb in seiner Substanz gegen Vollstreckungszugriffe von Gläubigern durch § 2115 BGB geschützt. Bei Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen tritt zwar die Beschlagnahmewirkung des erworbenen Pfändungs-pfandrechts ein. Sie entfallen jedoch mit Eintritt des Nacherbfalls dem Nacherben gegenüber.

     

    Pfändbar sind die Früchte des Nachlasses, die sich dem Vorerben gegenüber als freies Vermögen darstellen (Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2115 Rn. 1).

     

    • Anordnung der Vor- und Nacherbschaft sowie eine lebenslange Verwaltungstestamentsvollstreckung über den Nachlass und den Erbteil des Verschuldeten: Hierdurch wird das zugewendete Vermögen nach § 2211 BGB voll der Verfügung der verschuldeten Person entzogen.

     

    Pfändbar sind aber, worauf der Bedachte trotz der Entziehung der Verfügungsbefugnis Anspruch hat, die Nutzungen des Nachlasses (BGH NJW-RR 86, 1069). Der Testamentsvollstrecker ist insofern verpflichtet, diese entsprechend einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses herauszugeben (OLG Frankfurt ZEV 01, 156). Allerdings kann der Erblasser Anweisungen geben, dass dem Bedachten Nutzungen und Teile der Nachlasssubstanz zukommen sollen, die im Rahmen der Pfändungsschutzbestimmungen dem Vollstreckungszugriff entzogen sind. Hierbei ist an die Auszahlung einer Geldrente in Höhe des gemäß 850b Abs. 1 Nr. 3 ZPO unpfändbaren Betrags zu denken.

     

    • Anordnung eines Vermächtnisses: Der Erblasser kann der überschuldeten Person ein Vermächtnis zuwenden. Das Vermächtnis kann unbefristet ausgeschlagen werden, § 2180 BGB. Bis zum Ablauf der mit dem Erbfall beginnenden 30-jährigen Verjährung kann der Bedachte somit die Annahme und damit den eigentlichen Erwerb des Vermächtnisanspruchs hinauszögern (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 29 IV 2 d).
     

    Letztwillige Verfügung sollte flexibel gestaltet sein