01.08.2005 | Erbanfechtung
Scheitern der Ehe als Motivirrtum
Motivirrtümer des Erblassers berechtigen auch zur Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB, wenn es sich bei den maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen um solche gehandelt hat, die der Erblasser als selbstverständliche Grundlage seiner Verfügung ansah – selbst wenn er sie bei der Testierung nicht konkret in sein Bewusstsein genommen hat (OLG Hamm 26.5.04, 10 W 29/04, OLGR 05, 205, Abruf-Nr. 051820). |
Sachverhalt
Der Kläger ist Witwer der Erblasserin. Diese hatten sich erbvertraglich gegenseitig zum Alleinerben des Überlebenden eingesetzt und die jeweilige Erbeinsetzung des anderen zur Herbeiführung einer erbvertraglichen Bindung unter Rücktrittsausschluss angenommen. Später hatte die Erblasserin die Beklagten zu 1 bis 3 durch notarielles Testament zu ihren Erben eingesetzt. Zwei Monate vor ihrem Tod reichte die Erblasserin die Scheidung ein, nachdem sie mit dem Kläger eine notarielle Scheidungsvereinbarung getroffen hatte. Der Antrag wurde dem Kläger nicht (mehr) zugestellt. Die Beklagten zu 1 bis 3 haben die Erbeinsetzung des Klägers angefochten.
Entscheidungsgründe
Die Erbeinsetzung des Klägers ist unwirksam. Denn die Beklagten zu 1 bis 3 haben diese wirksam angefochten. Unstreitig hat die Erblasserin bei Errichtung des Erbvertrags den Kläger in der Erwartung zum Alleinerben eingesetzt, dass die Ehe nicht geschieden werde. Denn der Erbvertrag enthielt keinerlei Regelungen für das Scheitern der Ehe, insbesondere keine Rücktrittsvorbehalte. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Ehe noch keine sechs Jahre alt und offenkundig noch in Ordnung. Da die Erblasserin bei der Erbeinsetzung des Klägers von der Erwartung bestimmt war, dass ihre Ehe Bestand haben werde, konnte die letztwillige Verfügung wegen eines beachtlichen Motivirrtums gemäß § 2078 Abs. 2 BGB angefochten werden, als sich die ihr zu Grunde liegende Vorstellung als falsch erwies.
Motivirrtümer des Erblassers können zur Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB berechtigen, wenn es sich bei den maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen um solche gehandelt hat, die der Erblasser als selbstverständliche Grundlage seiner Verfügung ansah. Dies gilt selbst, wenn sie ihm bei der Testierung nicht bewusst waren (OLG Hamm FamRZ 94, 849). Die Erblasserin hat sich entsprechend geirrt. Denn sie hat einen Ehescheidungsantrag eingereicht. Der Anfechtungsmöglichkeit steht nicht entgegen, dass das Fehlschlagen ihrer die Erbeinsetzung mitbestimmenden Erwartungen auch vom eigenen Verhalten abhing. Für die Anfechtbarkeit nach § 2078 Abs. 2 BGB kommen auch solche Umstände in Betracht, die im Belieben des Erblassers stehen, soweit er sie nicht treuwidrig selbst herbeiführt. Dies ist nicht anzunehmen, weil die Eheleute sich im Vorfeld über das Scheidungsverfahren verständigt und eine notarielle Scheidungsvereinbarung getroffen hatten.
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