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  • 02.06.2008 | Erbengemeinschaft

    Durchsetzen eines Vorausvermächtnisses gegen die „boykottierende“ Miterbin

    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht, Düsseldorf

    Der Erblasser kann mit einem Vorausvermächtnis i.S. des § 2150 BGB zugunsten eines von ihm bevorzugten Miterben erreichen, dass dieser Miterbe ohne Anrechnung auf seinen Erbteil vor der Auseinandersetzung aus dem gesamthänderisch gebundenen Nachlass befriedigt wird. Das gilt insbesondere für ein Grundstück als Vermächtnisgegenstand. Allerdings setzt dies voraus, dass alle Miterben als „Erbengemeinschaft“ daran mitwirken, dass der Vermächtnisgegenstand auch von der Gesamthandsgemeinschaft auf den bevorzugten Miterben, der gleichzeitig Nachlassgläubiger ist, zu Alleineigentum übertragen wird. Der folgende Beitrag zeigt, welche wirtschaftliche Bedeutung das Vorausvermächtnis im Einzelfall haben kann. Denn solange sich eine Immobilie noch im Gesamthandsvermögen befindet, müssen grundsätzlich alle Miterben die hiermit verbundenen Lasten zumindest anteilig tragen.  

     

    Beispiel in Anlehnung an OLG Saarbrücken (EE 08, 70, Abruf-Nr. 080760 = ZEV 07, 579)

    Erblasser E hat K1 und K2 als Miterbinnen eingesetzt und angeordnet, dass beide ohne Anrechnung auf den jeweiligen Erbteil im „Voraus“ Eigentumswohnungen erhalten. Das Vermächtnis für K1 wurde erfüllt. K2 weigert sich, an der Umschreibung der für sie gedachten Immobilie mitzuwirken. K1 verklagt K2 als Miterbin auf Mitwirkung bei der Eigentumsübertragung. Grund: Sie möchte von den Lasten der noch der Erbengemeinschaft gehörenden Immobilie befreit werden. Dies wäre aber erst der Fall, wenn K2 Alleineigentümerin der Eigentumswohnung geworden ist und sie demzufolge nach etwa zehn Jahren nach dem Erbfall auch die Hauslasten in eigener Verantwortung allein tragen muss. Gegen das abweisende Urteil legt K1 Berufung ein.  

     

    Lösung: Das OLG hat der Berufung stattgegeben. E hat wirksame Vorausvermächtnisse gemäß § 2150 BGB errichtet. K2 hat als Miterbin und Vermächtnisnehmerin nach Annahme des Vorausvermächtnisses einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Alleineigentums an der für sie vorgesehenen Eigentumswohnung auf sich. Sie muss aber auch beim Vollzug des Vorausvermächtnisses, der den Regeln der dinglichen Übertragung folgt, sowohl auf der Übertragendenseite als auch auf der Erwerberseite mitwirken. Der Anspruch von K1 auf Mitwirkung von K2 bei der Eigentumsübertragung folgt aus den § 2038 Abs. 1 S. 2 HS. 1, § 2046 BGB. Denn der Anspruch aus einem Vorausvermächtnis ist eine Nachlassverbindlichkeit gemäß § 1967 BGB, die grundsätzlich eine Maßregel der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses darstellt. Gemäß § 2038 Abs. 1 S. 2 HS. 1 BGB ist jeder Miterbe den anderen Miterben gegenüber mitzuwirken verpflichtet (OLG Celle ZEV 03, 203). K2 muss als Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach E die Auflassung an sich erklären.  

     

    Praxishinweis: K2 ist auch gemäß § 242 BGB zur Mitwirkung auf Erwerberseite verpflichtet (OLG Celle FamRZ 03, 1224, 1225). Denn die Grundsätze von Treu und Glauben gelten auch im Verhältnis von Bedachtem (hier: K2) und Beschwertem (hier: die Erbengemeinschaft). Da K2 das Vorausvermächtnis angenommen hat, wäre es ein widersprüchliches Verhalten, wenn K2 weiterhin ihre Mitwirkung am dinglichen Vollzug des Vorausvermächtnisses verweigern könnte. Denn dann würde sie sich bis auf Weiteres auch der bisher von K1 allein übernommenen Lastentragung entziehen können. Demzufolge konnte hier K1 die boykottierende Miterbin K2 mit dem Ziel verklagen, die Auflassung an sich zu erklären und die Umschreibung im Grundbuch zu bewilligen.  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2008 | Seite 94 | ID 119599