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  • 01.10.2006 | Erbengemeinschaft

    Richtige Geschäftsführung und Vertretung durch Miterben

    von RA und Notar Jürgen Gemmer, FA für Steuerrecht, Braunschweig

    Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, gibt es oft mehrere Erben. Der Gesetzgeber hat die Rechte innerhalb der Erbengemeinschaft umfassend geregelt, besonders die Verwaltung und Auseinandersetzung der Gemeinschaft, die oft praktische Schwierigkeiten bereitet. Der Beitrag gibt einen Überblick darüber.  

     

    Beispiel

    Erblasser E verstirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. Er hinterlässt seine Frau F, mit der er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, sowie zwei volljährige Kinder K 1 und K 2. E und F gehörte zu je 1/2 das eigengenutzte Einfamilienhaus, eine von K 1 bewohnte Eigentumswohnung sowie ein Mehrfamilienhaus. F ist Miterbe zu 1/2-Anteil sowie K 1 und K 2 jeweils zu 1/4-Anteil. Mit dem Erbfall sind sie entsprechend ihren Erbquoten Miteigentümer des Mehrfamilienhauses und der Eigentumswohnung geworden. Hinsichtlich des Einfamilienhauses gehört zum Nachlass des E nur sein bisheriger 1/2-Anteil, so dass sich hier die Erbquoten nur auf diesen 1/2-Anteil beziehen. F möchte  

    a) das von ihr bewohnte Haus renovieren lassen. Muss sie die Erlaubnis ihrer Kinder einholen?
    b) eine Wohnung im Mehrfamilienhaus an ihre Schwester zur Hälfte des ortsüblichen Mietzinses vermieten. K 1 ist damit einverstanden. Bedarf es auch der „Zustimmung“ des K 2, der damit nicht einverstanden ist?
    c) das Mehrfamilienhaus renovieren lassen, insbesondere moderne Badezimmer sowie eine Zentralheizung einbauen. Ist F auch hier auf die Zustimmung ihrer Kinder angewiesen?
    d) Während eines Unwetters wird das Dach des von der F bewohnten Einfamilienhauses beschädigt. Daher beauftragt sie ohne Rücksprache mit ihren Kindern einen Dachdecker mit der Reparatur der Unwetterschäden. Müssen sich die Kinder an den Reparaturkosten beteiligen?
     

    Wie entsteht die Erbengemeinschaft?

    Die Erbengemeinschaft entsteht aufgrund Gesetzes als sog. Zufallsgemeinschaft mit dem Tod des Erblassers. Sie ist auf Auseinandersetzung und Auflösung ausgerichtet. Sie kann nicht vertraglich vereinbart werden. Ebenso wenig lässt sie sich nach Auflösung durch Vereinbarung der Miterben wieder herstellen. Die Differenzen, die sich in vielen Erbengemeinschaften ergeben, beruhen auf dem zwangsweisen Zusammenschluss mehrerer Personen. Zwischen Erbfall und Auseinandersetzung liegt häufig eine geraume Zeit. In diesem Zeitraum muss die Erbengemeinschaft das zum Nachlass gehörende Vermögen verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten begleichen.  

     

    Was ist unter Verwaltung des Nachlasses zu verstehen?

    Der Begriff „Verwaltung des Nachlasses“ ist gesetzlich nicht definiert. Allgemein werden darunter Handlungen verstanden, die der Erhaltung, Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen, gleichgültig, ob diese Maßnahmen nur im Innenverhältnis oder auch nach außen wirken. Die Verwaltung berührt sowohl das Innenverhältnis zwischen den Miterben – die Geschäftsführung – als auch das Außenverhältnis – die Vertretung Dritten gegenüber – und letztlich auch die in § 2040 BGB geregelte Verfügungsbefugnis, nach der Erben nur gemeinschaftlich über einen Nachlassgegenstand verfügen können.  

     

    Wie ist das Innenverhältnis ausgestaltet?

    § 2038 BGB unterscheidet  

    a) Maßnahmen, die über den Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung hinausgehen. Sie können nur von allen Miterben gemeinschaftlich getroffen werden (Einstimmigkeitsprinzip).
    b) Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung. Sie können mit der Mehrheit beschlossen werden, wobei sich die Mehrheit nach der Größe der Erbenanteile berechnet.
    c) Zur Erhaltung des Nachlasses notwendige Maßnahmen kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen.

     

    Lösung

    zu a: Die Renovierung ist eine Verwaltungsmaßnahme. Da diese aufgrund der ausschließlichen Nutzung durch F nur ihr zugute kommt, wird man sie als eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme anzusehen haben, die eines einstimmigen Beschlusses bedarf. F bedarf hier der Zustimmung der Kinder.  

     

    aa: Erfolgt die Renovierung ohne Zustimmung der Kinder, gilt Folgendes: bei Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung müssen alle Miterben gemeinschaftlich handeln. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz macht die Handlungen der F im Innen- wie im Außenverhältnis unwirksam. Die Erbengemeinschaft wird gegenüber dem beauftragten Unternehmen nicht verpflichtet. F als Handelnde haftet ggf. als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB oder aus § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB.  

     

    bb: Einstimmigkeit wäre nicht erforderlich, wenn das Haus leer stünde: Die Renovierung würde der Erhaltung und Verbesserung des Nachlassgegenstands dienen. Es läge eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung vor. F mit ihren 50 Prozent bräuchte dafür die Zustimmung mindestens eines der Kinder. Denn für ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahmen bedarf es der Mehrheit. Für die Kinder besteht eine Mitwirkungspflicht. Deren Zustimmung müsste F ggf. einklagen.  

     

    Würde F ohne Mehrheitsbeschluss die Renovierung in Auftrag geben, liefe sie Gefahr, allein für die Maßnahme mit ihrem Vermögen zu haften. Gleichwohl könnte sie ihre Kinder noch auf nachträgliche Zustimmung verklagen, um eine Haftung der übrigen Erben zu erreichen.  

     

    zu b: Auch die Vermietung an die Schwester der F ist eine Verwaltungsmaßnahme. Da diese jedoch nur zur Hälfte der ortsüblichen Miete vorgesehen ist, liegt dies nicht im Interesse aller Miterben. F benötigt die Zustimmung ihrer Kinder. Da K 2 diese verweigert, kann die Vermietung so nicht erfolgen. Würde F ohne dessen Zustimmung handeln, handelt F auf eigenes Risiko, vgl. Lösung zu a, aa.  

     

    zu c: Der Einbau einer Zentralheizung sowie moderner Badezimmer dienen der Erhaltung und Verbesserung der Nutzungsmöglichkeit der Immobilie und zählen zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Dafür genügt eine Mehrheit, die die F jedoch mit ihren 50 Prozent nicht hat. Die anderen Miterben müssen wie bei der Lösung zu a, bb mitwirken. F muss deren Zustimmung notfalls im Klagewege erzwingen.  

     

    Lösung zu d: Die Dachreparatur war eine notwendige Erhaltungsmaßnahme, die F ohne Zustimmung der Kinder treffen kann, § 2038 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB. Über § 2038 Abs. 2 BGB gilt § 748 BGB: F kann Ersatz ihrer Aufwendungen abzüglich ihres Anteils fordern. Die Kostenanteile richten sich nach dem Verhältnis der Erbteile. F muss 50 Prozent und K 1 und K 2 je 25 Prozent tragen.  

     

    Wie ist das Außenverhältnis ausgestaltet?

    Im Außenverhältnis geht es um die Vertretung der Erbengemeinschaft. Es ist zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften zu differenzieren.  

     

    Checkliste: Vertretung von Erbengemeinschaften
    • Vertretung durch alle Miterben ist notwendig bei Verpflichtungsgeschäften, z.B. Mietverträgen, die über den Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung hinausgehen.
    • Bei Verpflichtungsgeschäften, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehören, können die Miterben, die die Anteilsmehrheit haben, die Erbengemeinschaft vertreten.
    • Bei notwendigen Erhaltungsmaßnahmen besteht Alleinvertretungsmacht jedes Miterben.
     

    Bei den Verfügungsgeschäften gilt der Grundsatz der Einstimmigkeit, § 2040 BGB. Verfügungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf das Recht am Nachlassgegenstand einzuwirken, es entweder auf einen Dritten zu übertragen, mit einem Recht zu belasten, das Recht aufzuheben oder es sonst wie in seinem Inhalt zu verändern, z.B. Übertragung einer Immobilie auf einen Dritten, Belastung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks mit einer Grundschuld. Das Einstimmigkeitsprinzip bedeutet, dass bei Maßnahmen die Mitwirkung aller Miterben erforderlich ist. Nur im Fall von Notverwaltungsmaßnahmen sollen nach Ansicht des BGH Verfügungen ausnahmsweise nicht dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen.  

     

    Übersicht: Verwaltung des Nachlasses durch eine Erbengemeinschaft

    Art der Maßnahme  

    Innenverhältnis 

    (Geschäftsführungsbefugnis)  

    Außenverhältnis 

    (Vertretungsbefugnis)  

     

     

    Verpflichtungsgeschäft 

    (Vertretungsmaßnahme h.M.)  

    Verfügungsgeschäft  

    über ordnungsmäßige Verwaltung hinausgehend  

    nur alle Miterben gemeinschaftlich  

    nur alle Miterben gemeinschaftlich  

    nur alle Miterben gemeinschaftlich  

    ordnungsmäßige Verwaltung  

    Mehrheit nach Anteilen;  

    jeder zur Mitwirkung bei Willensbildung u. Ausführung verpflichtet  

    Mehrheit nach Anteilen;  

    jeder zur Mitwirkung bei Willensbildung u. Ausführung verpflichtet  

    h.M.: nur alle Miterben gemeinschaftlich  

    notwendige Erhaltungsmaßnahme (Notverwaltung)  

    jeder Miterbe  

    jeder Miterbe  

    jeder Miterbe  

    (nach BGH)  

     

     

    Praxishinweis: Streitanfällig ist eine Erbengemeinschaft mit zwei gleichberechtigten Miterben. Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung können ohne gerichtliche Auseinandersetzung nur einvernehmlich getroffen werden. Denn es kann rechnerisch nie einen Mehrheitsbeschluss geben. Im Streitfall muss die Maßnahme unterbleiben oder der eine Erbe seinen Miterben auf Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme verklagen.  

     

    Wie wird die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt?

    Die Erbengemeinschaft ist auf Auseinandersetzung gerichtet. Dies bedeutet nicht nur die Verteilung des Nachlasses unter den Erben, sondern vorgeschaltet ist die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 BGB) und die Ausgleichung von Vorempfängen, §§ 2050 ff. BGB. Grundsätzlich erfolgt Teilung in Natur, sonst durch Verkauf entsprechend den Vorschriften über den Pfandverkauf bzw. bei Immobilien durch Zwangsversteigerung gemäß § 180 ZVG. Die Auseinandersetzung kann z.B. durch Auseinandersetzungsvertrag, „Abschichtungsverfahren“ oder Teilungsklage erfolgen.  

     

    Auseinandersetzungen nach § 2042i.V. mit §§ 752 ff. BGB

    Hier gelten folgende Grundsätze:  

     

    Checkliste: Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach §§ 2042i.V. mit §§ 752 ff. BGB
    • Auseinandersetzung bedeutet nicht nur die Verteilung des Nachlasses unter den Erben entsprechend ihren Erbquoten, sondern vorrangig die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten.
    • Erst nach vollständiger Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten wird das Vermögen verteilt.
    • Die Auseinandersetzung muss sich i.d.R. auf den gesamten Nachlass beziehen. Eine gegenständlich beschränkte Teilauseinandersetzung wird zugelassen, wenn besondere Gründe dafür sprechen, z.B., wenn keine Nachlassverbindlichkeiten mehr bestehen und berechtigte Belange der Erbengemeinschaft bzw. der einzelnen Miterben nicht gefährdet werden (BGH NJW 85, 51).
    • Ein Miterbe kann keine persönlich beschränkte Auseinandersetzung verlangen.
    • Richtet sich die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach dem Gesetz, kann gemäß § 2042 BGB jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung verlangen. Ausnahmen bestehen, wenn
    • der Erblasser die Auseinandersetzung durch letztwillige Verfügung ausgeschlossen hat, was er allerdings höchstens für 30 Jahre tun kann, § 2044 BGB;
    • noch Erbteile der Miterben unbestimmt sind, § 2043 BGB;
    • ein Aufgebotsverfahren zur Ermittlung der Nachlassgläubiger läuft, § 2045 BGB;
    • die Miterben untereinander durch Vertrag die Auseinandersetzung ausschließen.
     

    Übersicht: Weitere Möglichkeiten der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
    • Auseinandersetzungsvertrag: Mittels des sog. Auseinandersetzungsvertrags können sich die Miterben über die endgültige Verteilung des Nachlasses einigen. Eine solche Möglichkeit sollte so früh wie möglich angestrebt werden. Denn der Abschluss eines solchen Vertrags spart Zeit, Kosten wegen langwieriger Gerichtsverfahren und eine vielleicht heillos zerstrittene Familie.

     

    • Abschichtungsmodell: Mittlerweile hat der BGH neben dem Auseinandersetzungsvertrag einen weiteren Weg der Auseinandersetzung anerkannt, der zur Teilauseinandersetzung führt. Ein oder mehrere Miterben scheiden einverständlich gegen Abfindung aus der Erbengemeinschaft aus. Diese geben ihre Mitgliedschaftsrechte an der Erbengemeinschaft auf, insbesondere ihr Recht auf ein Auseinandersetzungsguthaben. Der Erbteil des Ausgeschiedenen wächst den verbleibenden Miterben kraft Gesetzes an. Da der Ausscheidende nur auf seine Mitgliedschaftsrechte verzichtet, ohne sie auf einen bestimmten Rechtsnachfolger zu übertragen, liegt darin keine Verfügung über einen Erbteil, § 2033 Abs. 1 BGB. Die Form der notariellen Beurkundung muss nicht beachtet werden, das heißt, der Vertrag kann formfrei geschlossen werden, wobei allerdings Schriftform anzuraten ist.

     

    • Auseinandersetzungsklage: Die Auseinandersetzungsklage ist gerichtet auf die Zustimmung zu einem bestimmten, vom Kläger vorzulegenden Teilungsplan. Von diesem Plan darf das Gericht nicht abweichen. Jede erforderliche Abweichung führt damit zwangsläufig zur Abweisung der Klage als unbegründet. Dieses „Alles oder Nichts-Prinzip“ bedeutet für die Praxis: Der Kläger muss einer Abweisung der Klage durch eine Staffelung von Hilfsanträgen vorbeugen, mit denen Alternativteilungspläne vorgelegt werden. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Teilungsklage ist aber, dass der Nachlass unstreitig teilungsreif ist. Dies erfordert, dass sämtliche Nachlassverbindlichkeiten beglichen sind, der Nachlass in Geld umgesetzt ist (Ausnahme: verbliebene Nachlassgegenstände, die von Teilungsanordnungen erfasst und einem Miterben zugewendet werden müssen), der gesamte Nachlass bekannt ist und die Teilungsklage den gesamten Nachlass erfasst.

     

    Beachte: Läuft eine Teilungsversteigerung hinsichtlich eines Grundstücks und ist diese noch nicht abgeschlossen, liegt keine Teilungsreife vor.
     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2006 | Seite 168 | ID 86968