01.10.2006 | Erbengemeinschaft
Richtige Geschäftsführung und Vertretung durch Miterben
Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, gibt es oft mehrere Erben. Der Gesetzgeber hat die Rechte innerhalb der Erbengemeinschaft umfassend geregelt, besonders die Verwaltung und Auseinandersetzung der Gemeinschaft, die oft praktische Schwierigkeiten bereitet. Der Beitrag gibt einen Überblick darüber.
Beispiel |
Erblasser E verstirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. Er hinterlässt seine Frau F, mit der er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, sowie zwei volljährige Kinder K 1 und K 2. E und F gehörte zu je 1/2 das eigengenutzte Einfamilienhaus, eine von K 1 bewohnte Eigentumswohnung sowie ein Mehrfamilienhaus. F ist Miterbe zu 1/2-Anteil sowie K 1 und K 2 jeweils zu 1/4-Anteil. Mit dem Erbfall sind sie entsprechend ihren Erbquoten Miteigentümer des Mehrfamilienhauses und der Eigentumswohnung geworden. Hinsichtlich des Einfamilienhauses gehört zum Nachlass des E nur sein bisheriger 1/2-Anteil, so dass sich hier die Erbquoten nur auf diesen 1/2-Anteil beziehen. F möchte a) das von ihr bewohnte Haus renovieren lassen. Muss sie die Erlaubnis ihrer Kinder einholen? b) eine Wohnung im Mehrfamilienhaus an ihre Schwester zur Hälfte des ortsüblichen Mietzinses vermieten. K 1 ist damit einverstanden. Bedarf es auch der „Zustimmung“ des K 2, der damit nicht einverstanden ist? c) das Mehrfamilienhaus renovieren lassen, insbesondere moderne Badezimmer sowie eine Zentralheizung einbauen. Ist F auch hier auf die Zustimmung ihrer Kinder angewiesen? d) Während eines Unwetters wird das Dach des von der F bewohnten Einfamilienhauses beschädigt. Daher beauftragt sie ohne Rücksprache mit ihren Kindern einen Dachdecker mit der Reparatur der Unwetterschäden. Müssen sich die Kinder an den Reparaturkosten beteiligen? |
Wie entsteht die Erbengemeinschaft?
Die Erbengemeinschaft entsteht aufgrund Gesetzes als sog. Zufallsgemeinschaft mit dem Tod des Erblassers. Sie ist auf Auseinandersetzung und Auflösung ausgerichtet. Sie kann nicht vertraglich vereinbart werden. Ebenso wenig lässt sie sich nach Auflösung durch Vereinbarung der Miterben wieder herstellen. Die Differenzen, die sich in vielen Erbengemeinschaften ergeben, beruhen auf dem zwangsweisen Zusammenschluss mehrerer Personen. Zwischen Erbfall und Auseinandersetzung liegt häufig eine geraume Zeit. In diesem Zeitraum muss die Erbengemeinschaft das zum Nachlass gehörende Vermögen verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten begleichen.
Was ist unter Verwaltung des Nachlasses zu verstehen?
Der Begriff „Verwaltung des Nachlasses“ ist gesetzlich nicht definiert. Allgemein werden darunter Handlungen verstanden, die der Erhaltung, Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen, gleichgültig, ob diese Maßnahmen nur im Innenverhältnis oder auch nach außen wirken. Die Verwaltung berührt sowohl das Innenverhältnis zwischen den Miterben – die Geschäftsführung – als auch das Außenverhältnis – die Vertretung Dritten gegenüber – und letztlich auch die in § 2040 BGB geregelte Verfügungsbefugnis, nach der Erben nur gemeinschaftlich über einen Nachlassgegenstand verfügen können.
Wie ist das Innenverhältnis ausgestaltet?
§ 2038 BGB unterscheidet
Lösung |
zu a: Die Renovierung ist eine Verwaltungsmaßnahme. Da diese aufgrund der ausschließlichen Nutzung durch F nur ihr zugute kommt, wird man sie als eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme anzusehen haben, die eines einstimmigen Beschlusses bedarf. F bedarf hier der Zustimmung der Kinder.
aa: Erfolgt die Renovierung ohne Zustimmung der Kinder, gilt Folgendes: bei Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung müssen alle Miterben gemeinschaftlich handeln. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz macht die Handlungen der F im Innen- wie im Außenverhältnis unwirksam. Die Erbengemeinschaft wird gegenüber dem beauftragten Unternehmen nicht verpflichtet. F als Handelnde haftet ggf. als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB oder aus § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB.
bb: Einstimmigkeit wäre nicht erforderlich, wenn das Haus leer stünde: Die Renovierung würde der Erhaltung und Verbesserung des Nachlassgegenstands dienen. Es läge eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung vor. F mit ihren 50 Prozent bräuchte dafür die Zustimmung mindestens eines der Kinder. Denn für ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahmen bedarf es der Mehrheit. Für die Kinder besteht eine Mitwirkungspflicht. Deren Zustimmung müsste F ggf. einklagen.
Würde F ohne Mehrheitsbeschluss die Renovierung in Auftrag geben, liefe sie Gefahr, allein für die Maßnahme mit ihrem Vermögen zu haften. Gleichwohl könnte sie ihre Kinder noch auf nachträgliche Zustimmung verklagen, um eine Haftung der übrigen Erben zu erreichen.
zu b: Auch die Vermietung an die Schwester der F ist eine Verwaltungsmaßnahme. Da diese jedoch nur zur Hälfte der ortsüblichen Miete vorgesehen ist, liegt dies nicht im Interesse aller Miterben. F benötigt die Zustimmung ihrer Kinder. Da K 2 diese verweigert, kann die Vermietung so nicht erfolgen. Würde F ohne dessen Zustimmung handeln, handelt F auf eigenes Risiko, vgl. Lösung zu a, aa.
zu c: Der Einbau einer Zentralheizung sowie moderner Badezimmer dienen der Erhaltung und Verbesserung der Nutzungsmöglichkeit der Immobilie und zählen zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Dafür genügt eine Mehrheit, die die F jedoch mit ihren 50 Prozent nicht hat. Die anderen Miterben müssen wie bei der Lösung zu a, bb mitwirken. F muss deren Zustimmung notfalls im Klagewege erzwingen.
Lösung zu d: Die Dachreparatur war eine notwendige Erhaltungsmaßnahme, die F ohne Zustimmung der Kinder treffen kann, § 2038 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB. Über § 2038 Abs. 2 BGB gilt § 748 BGB: F kann Ersatz ihrer Aufwendungen abzüglich ihres Anteils fordern. Die Kostenanteile richten sich nach dem Verhältnis der Erbteile. F muss 50 Prozent und K 1 und K 2 je 25 Prozent tragen. |
Wie ist das Außenverhältnis ausgestaltet?
Im Außenverhältnis geht es um die Vertretung der Erbengemeinschaft. Es ist zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften zu differenzieren.
Checkliste: Vertretung von Erbengemeinschaften |
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Bei den Verfügungsgeschäften gilt der Grundsatz der Einstimmigkeit, § 2040 BGB. Verfügungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf das Recht am Nachlassgegenstand einzuwirken, es entweder auf einen Dritten zu übertragen, mit einem Recht zu belasten, das Recht aufzuheben oder es sonst wie in seinem Inhalt zu verändern, z.B. Übertragung einer Immobilie auf einen Dritten, Belastung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks mit einer Grundschuld. Das Einstimmigkeitsprinzip bedeutet, dass bei Maßnahmen die Mitwirkung aller Miterben erforderlich ist. Nur im Fall von Notverwaltungsmaßnahmen sollen nach Ansicht des BGH Verfügungen ausnahmsweise nicht dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen.
Übersicht: Verwaltung des Nachlasses durch eine Erbengemeinschaft | ||||||||||||||||||||
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Praxishinweis: Streitanfällig ist eine Erbengemeinschaft mit zwei gleichberechtigten Miterben. Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung können ohne gerichtliche Auseinandersetzung nur einvernehmlich getroffen werden. Denn es kann rechnerisch nie einen Mehrheitsbeschluss geben. Im Streitfall muss die Maßnahme unterbleiben oder der eine Erbe seinen Miterben auf Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme verklagen.
Wie wird die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt?
Die Erbengemeinschaft ist auf Auseinandersetzung gerichtet. Dies bedeutet nicht nur die Verteilung des Nachlasses unter den Erben, sondern vorgeschaltet ist die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 BGB) und die Ausgleichung von Vorempfängen, §§ 2050 ff. BGB. Grundsätzlich erfolgt Teilung in Natur, sonst durch Verkauf entsprechend den Vorschriften über den Pfandverkauf bzw. bei Immobilien durch Zwangsversteigerung gemäß § 180 ZVG. Die Auseinandersetzung kann z.B. durch Auseinandersetzungsvertrag, „Abschichtungsverfahren“ oder Teilungsklage erfolgen.
Auseinandersetzungen nach § 2042i.V. mit §§ 752 ff. BGB
Hier gelten folgende Grundsätze:
Checkliste: Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach §§ 2042i.V. mit §§ 752 ff. BGB |
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Übersicht: Weitere Möglichkeiten der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft |
Beachte: Läuft eine Teilungsversteigerung hinsichtlich eines Grundstücks und ist diese noch nicht abgeschlossen, liegt keine Teilungsreife vor. |